Deutschland unter Feinden
10.05.2020 | Manfred Gburek
Der Euro steht auf der Kippe. Wieder mal. Doch anders als bisher wirken wegen Covid-19 Kräfte auf ihn ein, die milliardenfach stärker sind als bei allen Griechenland-, Italien- und sonstigen Euro-Krisen zusammen. Ausgangspunkt ist das aktuelle Urteil der Bundesverfassungsgerichts zum Anleihenkauf durch die EZB, die darauf knapp und trotzig reagiert hat: "EZB nimmt Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis und bleibt weiter ihrem Mandat verpflichtet." Allein schon diese Aussage ist eine Frechheit. Denn es gibt keine Trennlinie zwischen Mandat und Nicht-Mandat. Alles in allem Grund genug, hier zunächst Meinungen kompetenter Beobachter der Euro-Szene Revue passieren zu lassen.
"Bundesregierung und Parlament haben ihre Kontrollfunktion nicht hinreichend ausgeübt. Sie hätten, so verlangt es das Verfassungsgericht, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB drängen müssen. Allein seit 2010 haben Sparer hierzulande rund 360 Milliarden Euro verloren. Das sind 365 Euro pro Bürger und Jahr. Die Vermögenspreise bei Immobilien und Unternehmenswerten sind durch das billige Geld der EZB, zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise, erheblich angestiegen.
Die Anzahl der Zombie-Unternehmen nimmt aber seitdem wenig überraschend auch enorm zu. Immer mehr Unternehmen konnten schon vor dem aktuellen Shutdown ihre Schuldzinsen nicht mehr aus ihren Jahresüberschüssen bedienen. Das ist nicht nur ein Problem in Italien und Griechenland, sondern auch in Deutschland. 1980 lag die Zombie-Quote in Deutschland bei 2 Prozent, 2016 schon bei 16 Prozent. Jetzt wird sie im Zuge der Corona-Krise und der zusätzlich lockeren Geldpolitik weiter steigen." (Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP, in "Tichys Einblick")
"Die Marktteilnehmer, die auf eine Zersplitterung der Eurozone setzen, wittern erstmals seit Drahgis 'Whatever ist takes' aus dem Sommer 2012 ihre Chance. Auch damals lag eine Rezession vor, auch damals waren die Südländer mehr geschwächt als der Norden, auch damals fiel der Euro. Es ist wie beim Schach.
Der Druck auf die EZB wächst, weil der Kapitalschlüssel bei Fortsetzung des Ankaufs italienischer Staatsanleihen allzu offensichtlich aus dem Fokus geraten würde, auf der anderen Seite aber ein Zulassen des Anstiegs der italienischen Rendite in den Bereich von 2,5 bis 3,0 Prozent die Finanzierungskosten für Italien erhöhen dürfte, was die Märkte als ein Signal der Schwäche und Ohnmacht der EZB werten würden. Der Euro geriete weiter unter Druck. Ich denke, die EZB wird sich dafür entscheiden, die Spreads nicht weiter aufgehen zu lassen, um Ruhe an der Euro-Front zu bekommen." (Robert Rethfeld, Herausgeber "Wellenreiter-Invest")
"Nach Covid-19 kommt ein Jahrzehnt finanzieller Repression und Monetisierung von Staatsschulden als neue Normalität. Künftig droht Politik aktiver Zinskontrolle.
Wir erleben derzeit den Übergang in ein neues monetäres Regime: Krisenbedingt explodierende Staatsschulden werden direkt von Notenbanken finanziert, also monetisiert. Der bewusste Missbrauch der Geldpolitik für die offene monetäre Staatsfinanzierung ist nur der Anfang. Wir erwarten für die nächste Zeit noch deutlich aggressivere Maßnahmen, darunter auch eine gezielte Kontrolle langfristiger Kapitalmarktzinsen." (Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des "Feri Cognitive Finance Institute")
Es gibt auch Stimmen, die behaupten, jetzt komme es auf Bundesbank-Präsident Jens Weidmann an. Er könne darauf pochen, dass die Bundesbank sich nicht zum Büttel der EZB macht; schließlich verstießen deren Anleihenkäufe als Mittel der indirekten Staatsfinanzierung gegen deutsches Recht. Ob Weidmann sich das traut? Die Frage ist falsch gestellt, denn der Euro bleibt ein Politikum, gegen das mit juristischen wie auch mit ökonomischen Argumenten nicht viel ausgerichtet werden kann.
Relevanter ist diese Frage: Kann das Bundesverfassungsgericht als Hüter deutschen Rechts den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Vertreter des darüber gelagerten europäischen Rechts einfach mir nichts dir nichts ausstechen? Formaljuristisch wohl kaum. Aber haben denn nicht die deutschen Verfassungsschützer die besseren Argumente, zumal das deutsche Grundgesetz ihnen in die Hände spielt?
Die haben sie tatsächlich - nur nützen sie ihnen nicht viel, weil Deutschland sich in einem Wirtschaftskrieg unter lauter Feinden befindet, und da zählen in erster Linie politische Argumente. Oder noch konkreter: Deutschland kann es sich nicht erlauben, als Schuldiger - zumal im Zuge der Coved-19-Pandemie - abgestempelt zu werden. Denn in diesem Fall dürfte der Tribut zugunsten anderer Euro-Länder allein schon aus politischen Gründen exponentiell steigen.
Dabei muss man sich eines immer wieder vor Augen führen: Die Missgeburt Euro, in erster Linie eine Erfindung kurzsichtiger Politiker aus den 90er Jahren, wird trotz ihrer enormen Schwächen, wie zum Beispiel juristische Unklarheiten und ökonomische Ungleichgewichte, auf Biegen und Brechen verteidigt. Wer dagegen ist, dessen Karriere endet abrupt durch Ächtung und Denunziation.
Kann das auf Dauer gut gehen? Ganz bestimmt nicht, doch der Zeitfaktor spielt hier eine gewichtige Rolle: Zurzeit können wir - noch - Folgendes beobachten: Die Finanzierung von Staaten durch Geschäftsbanken wird in zunehmendem Maß zur Nebensache, während der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, also die indirekte Staatsfinanzierung, in einem zuvor noch nie gekanntem Umfang zunimmt. Daran stoßen sich bekanntlich die deutschen Verfassungsrichter, die aufgrund ihrer Legitimation natürlich deutsche Interessen vertreten.
In dem eingangs zitierte EZB-Pamphlet heißt es kurz und bündig, die EZB bleibe "weiter ihrem Mandat verpflichtet". Soll das etwa bedeuten, es gebe bereits europäisches Recht als Antipode zum deutschen Recht, und das allein wegen eines erfundenen Mandats?
Man braucht nicht lange zu suchen, um eine für die EZB alles andere als schmeichelhafte Antwort zu finden: Mario Draghi, Vorgänger von Christine Lagarde als EZB-Spitze und für seine Dienste als vermeintlicher Euro-Retter mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, hat den dubiosen Mandat-Begriff penetrant in fast alle seine Reden eingeflochten. Die Folge: Euro-Verteidiger bis in die Spitzen der Berliner und Brüsseler Bürokratie wollen uns einreden, es handle sich schon um eine unumstößliche Rechtsgrundlage. Diesem munteren Treiben haben die deutschen Verfassungsrichter Einhalt zu bieten versucht, dafür gebührt ihnen Dank.
Und nun? Der Euro wird umkämpft bleiben, seine Schwächen, vor allem die ökonomischen wie auch die politischen Ungleichgewichte zwischen den Euroländern, werden immer wieder zutage treten. Aber weder ein Politiker noch ein Zentralbanker wird zunächst den Mut haben, eine durchgreifende Euro-Reform in Angriff zu nehmen. Der Ausweg für Anleger, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, kann nur heißten: Streuen und dabei bis auf Weiteres einen Schwerpunkt auf Gold und Silber, einen weiteren - jedoch nur bei entsprechender Börsenerfahrung - auf Aktien legen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
Neu bei www.gburek.eu : Tückische Immobilien
"Bundesregierung und Parlament haben ihre Kontrollfunktion nicht hinreichend ausgeübt. Sie hätten, so verlangt es das Verfassungsgericht, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der EZB drängen müssen. Allein seit 2010 haben Sparer hierzulande rund 360 Milliarden Euro verloren. Das sind 365 Euro pro Bürger und Jahr. Die Vermögenspreise bei Immobilien und Unternehmenswerten sind durch das billige Geld der EZB, zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Krise, erheblich angestiegen.
Die Anzahl der Zombie-Unternehmen nimmt aber seitdem wenig überraschend auch enorm zu. Immer mehr Unternehmen konnten schon vor dem aktuellen Shutdown ihre Schuldzinsen nicht mehr aus ihren Jahresüberschüssen bedienen. Das ist nicht nur ein Problem in Italien und Griechenland, sondern auch in Deutschland. 1980 lag die Zombie-Quote in Deutschland bei 2 Prozent, 2016 schon bei 16 Prozent. Jetzt wird sie im Zuge der Corona-Krise und der zusätzlich lockeren Geldpolitik weiter steigen." (Frank Schäffler, Bundestagsabgeordneter der FDP, in "Tichys Einblick")
"Die Marktteilnehmer, die auf eine Zersplitterung der Eurozone setzen, wittern erstmals seit Drahgis 'Whatever ist takes' aus dem Sommer 2012 ihre Chance. Auch damals lag eine Rezession vor, auch damals waren die Südländer mehr geschwächt als der Norden, auch damals fiel der Euro. Es ist wie beim Schach.
Der Druck auf die EZB wächst, weil der Kapitalschlüssel bei Fortsetzung des Ankaufs italienischer Staatsanleihen allzu offensichtlich aus dem Fokus geraten würde, auf der anderen Seite aber ein Zulassen des Anstiegs der italienischen Rendite in den Bereich von 2,5 bis 3,0 Prozent die Finanzierungskosten für Italien erhöhen dürfte, was die Märkte als ein Signal der Schwäche und Ohnmacht der EZB werten würden. Der Euro geriete weiter unter Druck. Ich denke, die EZB wird sich dafür entscheiden, die Spreads nicht weiter aufgehen zu lassen, um Ruhe an der Euro-Front zu bekommen." (Robert Rethfeld, Herausgeber "Wellenreiter-Invest")
"Nach Covid-19 kommt ein Jahrzehnt finanzieller Repression und Monetisierung von Staatsschulden als neue Normalität. Künftig droht Politik aktiver Zinskontrolle.
Wir erleben derzeit den Übergang in ein neues monetäres Regime: Krisenbedingt explodierende Staatsschulden werden direkt von Notenbanken finanziert, also monetisiert. Der bewusste Missbrauch der Geldpolitik für die offene monetäre Staatsfinanzierung ist nur der Anfang. Wir erwarten für die nächste Zeit noch deutlich aggressivere Maßnahmen, darunter auch eine gezielte Kontrolle langfristiger Kapitalmarktzinsen." (Heinz-Werner Rapp, Gründer und Leiter des "Feri Cognitive Finance Institute")
Es gibt auch Stimmen, die behaupten, jetzt komme es auf Bundesbank-Präsident Jens Weidmann an. Er könne darauf pochen, dass die Bundesbank sich nicht zum Büttel der EZB macht; schließlich verstießen deren Anleihenkäufe als Mittel der indirekten Staatsfinanzierung gegen deutsches Recht. Ob Weidmann sich das traut? Die Frage ist falsch gestellt, denn der Euro bleibt ein Politikum, gegen das mit juristischen wie auch mit ökonomischen Argumenten nicht viel ausgerichtet werden kann.
Relevanter ist diese Frage: Kann das Bundesverfassungsgericht als Hüter deutschen Rechts den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Vertreter des darüber gelagerten europäischen Rechts einfach mir nichts dir nichts ausstechen? Formaljuristisch wohl kaum. Aber haben denn nicht die deutschen Verfassungsschützer die besseren Argumente, zumal das deutsche Grundgesetz ihnen in die Hände spielt?
Die haben sie tatsächlich - nur nützen sie ihnen nicht viel, weil Deutschland sich in einem Wirtschaftskrieg unter lauter Feinden befindet, und da zählen in erster Linie politische Argumente. Oder noch konkreter: Deutschland kann es sich nicht erlauben, als Schuldiger - zumal im Zuge der Coved-19-Pandemie - abgestempelt zu werden. Denn in diesem Fall dürfte der Tribut zugunsten anderer Euro-Länder allein schon aus politischen Gründen exponentiell steigen.
Dabei muss man sich eines immer wieder vor Augen führen: Die Missgeburt Euro, in erster Linie eine Erfindung kurzsichtiger Politiker aus den 90er Jahren, wird trotz ihrer enormen Schwächen, wie zum Beispiel juristische Unklarheiten und ökonomische Ungleichgewichte, auf Biegen und Brechen verteidigt. Wer dagegen ist, dessen Karriere endet abrupt durch Ächtung und Denunziation.
Kann das auf Dauer gut gehen? Ganz bestimmt nicht, doch der Zeitfaktor spielt hier eine gewichtige Rolle: Zurzeit können wir - noch - Folgendes beobachten: Die Finanzierung von Staaten durch Geschäftsbanken wird in zunehmendem Maß zur Nebensache, während der Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, also die indirekte Staatsfinanzierung, in einem zuvor noch nie gekanntem Umfang zunimmt. Daran stoßen sich bekanntlich die deutschen Verfassungsrichter, die aufgrund ihrer Legitimation natürlich deutsche Interessen vertreten.
In dem eingangs zitierte EZB-Pamphlet heißt es kurz und bündig, die EZB bleibe "weiter ihrem Mandat verpflichtet". Soll das etwa bedeuten, es gebe bereits europäisches Recht als Antipode zum deutschen Recht, und das allein wegen eines erfundenen Mandats?
Man braucht nicht lange zu suchen, um eine für die EZB alles andere als schmeichelhafte Antwort zu finden: Mario Draghi, Vorgänger von Christine Lagarde als EZB-Spitze und für seine Dienste als vermeintlicher Euro-Retter mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, hat den dubiosen Mandat-Begriff penetrant in fast alle seine Reden eingeflochten. Die Folge: Euro-Verteidiger bis in die Spitzen der Berliner und Brüsseler Bürokratie wollen uns einreden, es handle sich schon um eine unumstößliche Rechtsgrundlage. Diesem munteren Treiben haben die deutschen Verfassungsrichter Einhalt zu bieten versucht, dafür gebührt ihnen Dank.
Und nun? Der Euro wird umkämpft bleiben, seine Schwächen, vor allem die ökonomischen wie auch die politischen Ungleichgewichte zwischen den Euroländern, werden immer wieder zutage treten. Aber weder ein Politiker noch ein Zentralbanker wird zunächst den Mut haben, eine durchgreifende Euro-Reform in Angriff zu nehmen. Der Ausweg für Anleger, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, kann nur heißten: Streuen und dabei bis auf Weiteres einen Schwerpunkt auf Gold und Silber, einen weiteren - jedoch nur bei entsprechender Börsenerfahrung - auf Aktien legen.
© Manfred Gburek
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Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.
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