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Clevere Sparer, skandalöse Versicherungen

24.05.2020  |  Manfred Gburek
Eines der heißesten Themen läuft in diesen Tagen auf die Frage hinaus: Wie überbrückt man einen durch die Krise ausgelösten finanziellen Engpass? Es handelt sich um eine existenzielle Frage. Die Antwort fällt naturgemäß individuell aus: Für die einen, die Minderheit, ist der Engpass kein Problem. Dagegen muss die Mehrheit um ihre Ersparnisse bangen (falls vorhanden) und/oder sich etwas einfallen lassen. Aber was?

Zumindest eines zahlt sich nun aus: Die von vermeintlichen Anlageexperten seit Jahren für ihr Festhalten an niedrig oder gar nicht verzinslichen Konten belächelten Sparer sind so etwas wie clevere Krisengewinner, weil sie dank ihrer sprichwörtlichen Notgroschen finanziell recht gut über die Runden kommen. Dagegen haben Versicherungssparer das Nachsehen, weil sie langfristig gebunden sind und nun vielfach allein unter Inkaufnahme von Verlusten an ihr Erspartes kommen. Zwischen diesen beiden Extremen rangieren alle anderen, die ihr Geld mit mehr oder weniger Chancen und Risiken angelegt haben.

Während Staaten und Zentralbanken mit Geld um sich werfen, muss ein Großteil der Menschen - Familien mit Kindern, Rentner, Kurzarbeiter, Handwerker, Mieter, Vermieter und andere - mit weniger Geld zurechtkommen. Die meisten von ihnen mögen zwar über einige finanzielle Reserven verfügen, aber die sind schnell aufgebraucht. Also gilt es, auch Geldanlagen in Angriff zu nehmen, die von vornherein nicht als Notstopfen, sondern als Daueranlage oder als eiserne Reserve gedacht waren. Dazu gehören in Deutschland traditionell Zinsanlagen, wie zum Beispiel Spar- und Festgeld, Kapitallebensversicherungen (KLV) einschließlich fondsgebundener Lebensversicherungen (FLV), Wertpapiere und Immobilien.

Aber wie nimmt man sie in Angriff? Mit Spar- und Festgeld gibt es in der Regel keine Probleme, es sei denn, deren Zinsen sind für mehrere Jahre gebunden. Bei Wertpapieren kommt es darauf an: Handelt es sich um Anleihen oder Rentenfonds, dürfte der Verkauf ohne Kursverluste unter den aktuellen Voraussetzungen möglich sein. Dagegen sind Aktien und Aktienfonds nur dann ohne Verlust liquidierbar, wenn ihre Kurse im Gewinn liegen; das dürfte erfahrungsgemäß nicht immer der Fall sein. Die Überbrückung finanzieller Engpässe mithilfe von Immobilien ist eher die Ausnahme als die Regel; im Zweifel tut es eine Sondervereinbarung mit der Hausbank.

Zur KLV und FLV findet sich in der aktuellen Ausgabe von www.elitebrief.de ein kritischer Beitrag, der hier wegen seiner detaillierten Analyse zitiert sei: Ein Drittel das liquiden Vermögens der deutschen Haushalte steckt in KLVs, das heißt, in den aus ökonomischer Sicht kuriosen Kuppelprodukten mit einer Versicherungskomponente zur Todesfallabsicherung und einem langfristigen Sparvertrag zur Vermögensbildung im Nicht-Todesfall.

Bei der klassischen KLV-Variante werden die Beiträge der Versicherungsnehmer vorwiegend in langfristige Anleihen aus dem oberen Bonitätssegment investiert, bei FLVs fast immer in teure aktiv gemanagte Aktien- oder Mischfonds. Das zugrunde liegende Investment in Anleihen oder Investmentfonds wird umhüllt von einer rechtlich komplexen Verpackung, dem Versicherungsmantel. Alles in allem: ein Skandal zulasten der Sparer.

Es kommt noch schlimmer: Das von Versicherern und ihren Vertretern gern vorgebrachte Argument, die KLV sei ein positiver Zwangssparvertrag und werde gerade deshalb im Fall eines Liquiditätsengpasses von Sparern oder bei einem Crash nicht liquidiert, ist besonders aus aktueller Sicht nach dem gewaltigen Crash vom März geradezu hanebüchen. Im Übrigen geht dieses Argument an der Realität vorbei. Denn je nach Berechnungsmodus wird laut Bund der Versicherten zum Teil mehr als die Hälfte aller KLV-Veträge vorzeitig gekündigt.

Gibt es für gebeutelte Sparer nicht wenigstens so etwas wie den Silberstreif am Horizont? Ja, von Fall zu Fall gibt es ihn: Zum Beispiel haben vor 2005 abgeschlossene KLV-Verträge wenigstens Steuervorteile und im Vergleich zu heute höhere Garantiezinsen; dagegen bietet sich bei danach abgeschlossenen bestenfalls die Beitragsfreistellung an. Für FLV-Verträge gilt im Prinzip dasselbe; hier kommt es allerdings zu erheblichen, von der Börsenentwicklung abhängigen Schwankungen.

Lässt man das alles Revue passieren, drängt sich die Frage auf: Wenn schon die - in diesem Fall Billionen schwere - private KLV- und FLV-Vorsorge fürs Alter wie beschrieben mit gravierenden Problemen behaftet ist, was bleibt vorsorgenden Sparern dann noch übrig? Als Basis zweifellos die gesetzliche Rente. Und darüber hinaus?

Natürlich die individuelle Vorsorge, wie an dieser Stelle bereits mehrfach vorgeschlagen, von Aktien und Immobilien bis zu Edelmetallen, ohne KLV und FLV. Ansonsten gilt es, kollektiven Varianten generell auszuweichen, wo immer es gesetzlich möglich ist. Ein abschreckendes Beispiel dazu liefert die Riester-Rente. Für sie bezeichnend ist der Artikel „Riester-Vertrag kündigen“ in der Juni-Ausgabe der unter anderem mit Steuergeldern finanzierten Zeitschrift Finanztest. Derweil spitzt sich das Gerangel um die Grundrente sowie ähnliche von Politikern und ihnen nahestehenden Lobbyisten forcierte Geldkollektive weiter zu, Ende offen.

Nicht gerade tröstlich, aber im Hinblick auf die jetzige Wirtschaftskrise immerhin aufklärend sind Anmerkungen des Volkswirtschaftsprofessors Bernd Raffelhüschen in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift Tichys Einblick.

Deshalb sei er hier abschießend zitiert: "Der Glaube an den Staat erlebt eine unglaubliche Renaissance: der Glaube an das Kollektiv, der Glaube, dass der Sozialstaat unendlich ausgeweitet werden kann. Wenn der Staat sich wie ein ehrbarer Kaufmann verhalten würde, dann müsste er für die Leistungsversprechen, die er mir macht, also für die regelmäßige monatliche Pensionszahlung ab dem 66. Lebensjahr Rückstellungen bilden. Dazu sind Privatunternehmen gesetzlich verpflichtet, wenn sie betriebliche Altersvorsorgezusagen machen. Diese Rückstellungen fehlen allerdings, weil der Staat keine Rückstellungen bildet. Regeln, die der Staat für die Privatwirtschaft verbindlich aufstellt, lässt er nicht für sich gelten."

Fazit: Die Staatsrenaissance wird noch seltsame Blüten treiben. Sie basiert auf Nominal- statt auf Realwerten. Damit mündet sie in eine Schuldenwirtschaft, wie wir sie noch nie erlebt haben. Ein Zurück wäre nur möglich, falls es zu einem neuen Aufbruch käme, getragen von Unternehmern statt vom Staat. Doch die wahren Unternehmer - nicht die Chefs der Konzerne - sind gerade damit beschäftigt, Kurzarbeit anzuordnen, zig Formulare auszufüllen und Pleiten zu verhindern. Möge ihnen wenigstens das gelingen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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