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Der Staat als Verführer

14.06.2020  |  Manfred Gburek
Noch stärker könnte ein Kontrast kaum ausfallen: hier Warnungen vor einem noch nie dagewesenen Konjunktureinbruch, da munteres Zocken mit Aktien. Für das eine steht repräsentativ Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, mit seiner Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede vom vergangenen Mittwoch, für das andere die Wasserstoffaktie Nikola, die schon tags zuvor internationales Aufsehen erregt hat, als sie an der Börse mal eben mit 100 Prozent Kursgewinn aufgefallen ist.

Solche Ereignisse mögen widersprüchlich erscheinen, von der Börsenlogik her sind sie allzu verständlich. Denn an der mit extrem viel Liquidität ausgestatteten Börse wird die Zukunft vorweggenommen, üblicherweise um sechs bis neun Monate. Nur, wird die Zukunft uns den Gefallen tun und in so kurzer Zeit für die sprichwörtlichen blühenden Landschaften sorgen? Seien wir realistisch: Börsianer können sich irren, und am Ende sind die blühenden Landschaften womöglich derart mit Unkraut durchsetzt, dass nur noch die wenigsten Anleger an Aktien interessiert sind.

Dieses Szenario wird gerade mit viel Aufwand von EZB-Volkswirten unter Anleitung ihrer obersten Chefin, der Juristin und Politikerin Christine Lagarde, in umfangreichen Gedankenspielen vorweggenommen, Codename Bad Bank. Wer die Langfassung für diesen Begriff kennenlernen möchte, sei auf das weit über 500 Seiten dicke Buch „Bad Bank“ von Dirk Laabs hingewiesen, in dem sich der Autor praktisch nur mit den Fehlspekulationen der Deutschen Bank beschäftigt. Wer dagegen die Kurzfassung bevorzugt, kann sich mit der folgenden Definition zufrieden geben: Sammelstelle für faule Kredite.

Zwischen Lang- und Kurzfassung gibt es noch viel zu erklären. Zum Beispiel soll die Bad Bank die faulen Kredite der Geschäftsbanken in einem derartigen Umfang auf eigene Rechnung verbuchen und dafür Anleihen ausgeben, dass den Geschäftsbanken das Überleben ermöglicht wird. Das Skurrile daran: Die Anleihen würden dann indirekt als Sicherheit dienen. Da sollen also faule Kredite durch einen einfachen Buchungstrick auf dem Umweg über die EZB indirekt mit einer Art Investmentgrade versehen werden. Noch dreister geht es nicht.

Die Corona-Krise wird zweifellos dafür sorgen, dass Kredite demnächst in zunehmendem Umfang platzen, besonders solche, die leichtsinnig an sogenannte Zombies (nicht überlebensfähige Unternehmen) vergeben wurden. Das dürfte die Bad Bank veranlassen, mit Rettungsmaßnahmen einzuschreiten, bevor der nächste Crash kommt. In welche Richtung das alles zu gehen droht, analysiert Martin Moryson, Europa-Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft DWS, wie folgt:

"Die aktuellen Rettungspakete lassen die Staatsschulden dramatisch ansteigen. Zurückführen lassen sie sich nur über Wachstum, Inflation und künftige Haushaltsüberschüsse. Die staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft bergen das Risiko gewaltiger Verzerrungen, die letztlich dem Produktivitätswachstum schaden könnten. Zum zweiten Mal binnen weniger Jahre musste der Staat viele Unternehmen retten. Das könnte gesellschaftliche Zweifel an den Treibern des Wohlstands - freie Marktwirtschaft, Globalisierung - nähren."

Zu schön, um wahr zu werden, so ließe sich das Dreierpaket aus Wachstum, Inflation und kommenden Haushaltsüberschüssen interpretieren. Dafür gibt es einen besonderen Grund: die hier zitierten staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft. Zweifellos wirken sie kurzfristig stimulierend. Aber auch über mehrere Jahre? Staatswirtschaft funktioniert bekanntlich in China. Europa ist zwar immer noch um einiges von ihr entfernt, aber auf dem Weg dahin.

Da stellt sich die Frage: wie weit entfernt? Offenbar nicht mehr weit genug, denn die Vergemeinschaftung der Schulden und deren Bündelung zulasten Deutschlands schreitet unnachgiebig voran; die Vorbereitung auf die Bad Bank ist diesbezüglich ein klares Signal. Aber warum wehrt sich Deutschland, wirtschaftlich Europas Nummer eins, dagegen nicht mehr als mit irgendwelchen Floskeln von Politikern? Die Antwort findet man in der Person der Bundeskanzlerin, deren Wirken der Journalist Hans-Hermann Tiedje in der Neuen Zürcher Zeitung so kommentiert:

"In der Stunde der Not schart sich die Masse um das Alphatier. Merkel hat Deutschland seit 15 Jahren, diskret unterstützt von geneigten Medien, umgewandelt in ein Heim für betreutes Leben. Und bei Corona hat sie es - wieder vor gütiger Medienkulisse - dann dichtgemacht. Der deutsche Mensch will offenbar vom Staat an die Hand genommen werden, er hat nichts gegen Führung, auch wenn diese ihm den Friseurbesuch verbietet oder das Sitzen auf der Parkbank."

In den vergangenen Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, es gebe viel Geld zu verschenken, derart penetrant machten Politiker das Volk auf die vielen zu verteilenden Gaben aufmerksam. Dahinter steckt das Bemühen um die Vermeidung einer tiefen Rezession. Doch im Nachhinein drängt sich immer mehr die Frage auf, ob dieses Bemühen ausreichen wird, die Corona-Krise auf dem Umweg über Investitionshilfen und Ausgaben für den Konsum hinreichend zu kompensieren.

Die Antwort bleibt einstweilen offen. Man stelle sich dazu nur einen Mittelständler vor, etwa einen Restaurant- oder Hotelbesitzer, der gerade so an einer Pleite vorbeigeschrappt ist. Oder einen zur Kurzarbeit verdonnerten Familienvater. Solche Bevölkerungsgruppen verharren zunächst, von Mitnahmeeffekten abgesehen, in der Defensive. Und um die Ecke lauert ein Gespenst, das die vermeintlichen Geldgeschenke schon bald nach und nach einkassieren dürfte: der Rundfunkstaatsvertrag. Nächster Verhandlungstermin: 17. Juni.

Heute habe ich den Themenbogen besonders weit gespannt - von übermütigen amerikanischen Börsianern bis zur drohenden europäischen Bad Bank, vom Machtsystem Merkel bis zu gravierenden Staatseingriffen in die Wirtschaft. Eine solche mehrschichtige Betrachtungsweise drängt sich jetzt geradezu auf, allein schon deshalb, weil im Zuge von Corona alles viel komplexer geworden ist. Dem begegnet man am besten durch laufende Beobachtungen jenseits der in Verruf geratenen Mainstream-Medien. Dazu liefert das Internet massenweise Anregungen, sei es zu politischen, sei es zu wirtschaftlichen Trends, nicht zu vergessen besonders Aktien, Edelmetalle und was sonst noch finanziell zielführend ist.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu : Blickpunkt 30. Juni


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