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Deutschland im Kreuzfeuer

09.08.2020  |  Manfred Gburek
Zwischen der EZB und den für die Fiskalpolitik zuständigen deutschen Gremien knistert es. Bei der Ursachenforschung stößt man schnell auf das Kernproblem: Vermischung von Geld- und Fiskalpolitik über Anleihenkäufe durch die EZB. Sie ist im Verbund von Europäischem Gerichtshof, Bundestag, Bundesregierung und Bundesbank eine Macht für sich. Was sie tun und lassen muss, ist zwar schon formell beschlossen, aber jetzt kommt es auf die Interpretation und auf sonstige Feinheiten an.

Diese wurden bei der Konzeption der Anleihenkäufe nämlich erst mal außen vor gelassen und so auf die EZB abgewälzt. Im Zuge der weiteren Entwicklung bekleckerten sich die überwiegend mit Covid-19 beschäftigten deutschen Politiker nicht gerade mit Ruhm. Denn statt ihr Augenmerk intensiv auf relevante und höchst brisante Inhalte des Anleihen-Kaufprogramms zu richten, verabschiedeten sie sich in den Urlaub. Wo bleibt das vielfach gepredigte Verbot der monetären Staatsfinanzierung? Es ist im Off verschwunden, Amen.

Nun hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde freie Bahn - die sie auf ihre eigenartig raffinierte Art nutzt, indem sie sich bei kritischen Punkten in Schweigen hüllt. Aufsicht? Fehlanzeige. Kontrolle? Erst recht. Da werden wir durch die Hintertür Stück für Stück um unsere demokratischen Rechte gebracht. Und der Deutsche Bundestag? Ist abwechselnd mit Covid-19 oder mit sich selbst beschäftigt. Den Rest zum Unverständnis aufseiten der Bürger trägt das Brüsseler Sprachengewirr einschließlich der Englisch-Dominanz bei.

Die hier aufgezeigten Hintergründe zur Vermischung der Geld- mit der Fiskalpolitik sind die logische Konsequenz einer Entwicklung, die sich am besten mit einem gängigen Vergleich umschreiben lässt: Man reiche der EZB-Präsidentin den kleinen Finger, und sie ergreift die ganze Hand. Was danach geschehen wird, ist absehbar: die sukzessive Umverteilung von vermeintlich reichen Euroländern zu den vermeintlich armen, zum Beispiel von Deutschland nach Italien, nach Spanien - ja sogar nach Frankreich, dafür wird der französische Präsident Emmanuel Macron beim nächsten Zusammentreffen mit seiner "Partnerin" Angela Merkel schon irgendwie sorgen.

Die am vergangenen Donnerstag und Freitag veröffentlichten, für viele Volkswirte überraschend positiven Zahlen zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft spielen Macron & Co. in die Hände. So ist die deutsche Industrieproduktion im Juni gegenüber dem Mai um 11,1 Prozent gestiegen, wobei Investitionsgüter sogar einen Satz um 18,3 Prozent nach oben vollzogen haben. Und so weiter, nicht zu vergessen die besonders positive Entwicklung des deutschen Exports: plus 22 Prozent beim Auftragseingang.

So erfreulich das alles auf den ersten Blick sein mag, es handelt sich im Wesentlichen um einen Aufholeffekt. Was ihm folgen wird, dürfte viel spannender sein - womit wir indirekt wieder beim Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik angekommen sind. Denn sobald sich Wolken am konjunkturellen Himmel zeigen, wird die EZB ihre Geldschleusen - sprich: Anleihenkäufe - nochmals weiter öffnen und wird Deutschland einschließlich anderer „reicher“ Euroländer für nochmaligen fiskalischen "Wumms" sorgen.

Eine solche Entwicklung ist einigermaßen vorhersehbar, eine andere leider nicht: die zuletzt in der ökonomischen Versenkung verschwundene Disruption. Sie bedeutet im Kern, frei nach dem 1921 verstorbenen österreichischen Kapitalismus-Forscher Joseph Alois Schumpeter: schöpferische Zerstörung. Wer diesen Begriff nicht mag, bevorzugt einen aktuellen Vergleich: Die Digitalisierung schickt ganze Branchen in die Pleite, während andere Branchen zu neuer Blüte gelangen. Ein Vergleich, der sich dazu aufdrängt: ThyssenKrupp kämpft ums Überleben, während Amazon von einem Umsatz- und Gewinnrekord zum nächsten eilt.

Besonders aus deutscher Sicht, speziell im Hinblick auf die Autoindustrie und ihre Zulieferer, drängt sich noch die Frage auf: Befindet sich diese Branche bereits in der Disruption? Und um gleich die Folgefrage nachzuschieben: Wie werden wir uns in Zukunft bewegen? Die Antwort fällt äußerst heterogen aus: Außer zu Fuß auch weiterhin mit dem Auto, mit Taxis, öffentlichen Verkehrsmitteln, mit allen Arten von per pedes oder elektrisch angetriebenen Fahrrädern und Tretrollern, mit Flugzeugen und möglicherweise auch mit Flugtaxis.

Das alles ist für einen Verkehrsminister wie Andreas Scheuer sicher zu komplex. Aber nicht nur für ihn, sondern für die ganze Bundesregierung, die den Vorgaben der Autolobby jahrzehntelang geradezu devot gefolgt ist. Und bei dem erst in den vergangenen Jahren aufgekommenen Schwenk der Politiker zu mehr elektrisch angetriebenen Autos handelt es sich nur um den Teil eines Stückwerks, dessen Folgen nicht absehbar sind.

Das wiederum schlägt auf die Fiskalpolitik durch, die in Bezug auf die Autoindustrie irgendwo zwischen industriellem Lobbyismus und parteipolitischem Opportunismus schwebt. Strategisches "deficit spending" sieht anders aus, und so konzentrieren sich die Maßnahmen zur Belebung der Konjunktur immer mehr auf die Geldpolitik der EZB und speziell ihre Anleihenkäufe.

Die Folgen für Anleger, private wie institutionelle, sind absehbar: Die einen werden sich zwischen hektischen Ausschlägen der Aktienkurse und zum Teil auch der Edelmetallpreise zurechtfinden müssen, die anderen zwischen niedrigen und hohen Barreserven. Willkommen in der Neuauflage der 70er und der Nuller Jahre! Damals konnte man, in beiden Fällen, mit Gold und Silber mehr Glück haben als mit Aktien, weil die Preise beider Edelmetalle im Trend stiegen, während die Aktienkurse im Trend eher schlecht aussahen.

Gold, zunehmend auch Silber, ist zurzeit in aller Munde. Das signalisiert: Vorsicht! Das heißt, Anleger müssen sich zu einer Strategie durchringen: Entweder folgen sie dem Trend, statt jeder Preiszacke hinterher zu jagen, oder sie konzentrieren sich aufs Trading. Beides zusammen, das schließt sich fast immer aus. Und weil wir im laufenden Zyklus längst noch nicht bei den mittel- bis langfristigen Preiszielen für Gold und Silber angelangt sind - den Notenbanken wie EZB, Fed und so weiter sei Dank -, empfiehlt sich besonders für weniger erfahrene Anleger: Im Trend engagiert bleiben, auch wenn er mal über Stock und Stein führt!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu : Megatrend Gold, Silber und Aktien


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