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Fernsehen auf Abwegen

16.08.2020  |  Manfred Gburek
Der sogenannte Rundfunkbeitrag soll von monatlich 17,50 auf 18,36 Euro erhöht werden - egal, ob man die öffentlich-rechtlichen Kanäle nutzt oder nicht. Profiteure wären dann ARD und ZDF. Noch sind sich die zuständigen Landesrundfunkanstalten nicht in allen Punkten einig. WDR-Intendant Tom Buhrow weiß indes schon, was ihn und seine Mitstreiter erwartet: "Ein heißer Herbst", ließ er uns zuletzt in der Zeitschrift "journalist" wissen.

Warum heiß, fragt man sich, die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um schlappe 86 Cent, entsprechend 4,9 Prozent, müsste doch die meisten Bürger kalt lassen. Aber wie Zahlen täuschen können! Denn aufs Jahr hochgerechnet, werden aus 18,36 immerhin 220,32 Euro. Immer noch Peanuts?

Wie man's nimmt - oder konkreter: Was hat Buhrow, was haben seine Mitstreiter davon? Zitieren wir dazu ein weiteres Medium, "Tichys Einblick" in seiner aktuellen Online-Ausgabe: "Die ARD hat die internen Gehälter und Vergütungen für 2019 offengelegt. Das meiste Geld innerhalb der ARD bekommt demnach WDR-Intendant Tom Buhrow mit seinem Jahresverdienst von 395.000 Euro. Auf Platz zwei folgt Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks, mit 388.000 Euro.“

Danach fallen die Gehälter von Intendant zu Intendant immer ein wenig geringer aus. Zwei von ihnen seien besonders hervorgehoben: "MDR-Intendantin Karola Wille (als SED-Mitglied vor 1990 auch Verfasserin juristischer Aufsätze über den Klassenkampf) 275.000 und SR-Intendant Thomas Kleist 245.000 Euro." Da fragt man sich einerseits, warum die Wahl im Fall MDR ausgerechnet auf ein ehemaliges SED-Mitglied fiel und warum andererseits sogar noch das kleine Saarland etwas vom ARD-Geldtopf mitbekommt.

Seit Jahren schwelt die Diskussion darüber, ob die Gehälter der Intendanten angesichts dessen, was die Sender uns bieten, zu hoch sind - wobei deren Befürworter gern zwei Argumente vorbringen: Ausschlaggebend seien die im Rundfunkstaatsvertrag von 1991 festgelegten Prinzipien, und die öffentlich-rechtlichen Sender hätten einen Bildungsauftrag.

Wie sieht der im Einzelnen aus? Zitieren wir dazu doch einfach mal den Vertrag. Darin heißt es, die öffentlich-rechtlichen und die privaten Sender seien "der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung sowie der Meinungsvielfalt verpflichtet. Informationsvielfalt und kulturelles Angebot im deutschsprachigen Raum - sollen - verstärkt werden." Nebenbei sorgt der Vertrag auch dafür, dass es den Intendanten und ihren Untergebenen gut geht. Denn: "Seine finanziellen Grundlagen einschließlich des dazugehörigen Finanzausgleichs sind zu erhalten und zu sichern."

Aber gehören ständige Wiederholungen von Seifenopern im ARD-Sender One und anderswo, "Ein Fall für zwei"-Wiederholungen jeweils am Freitag als versteckte Werbung für den Standort Frankfurt, "Tatort"-Folgen voller widerlicher Morde, und der brutale, am Samstagabend im SWR zur besten Sendezeit ausgestrahlte Italo-Western "Zwei glorreiche Halunken", gehören sie alle wirklich zum "kulturellen Angebot" gemäß Rundfunkstaatsvertrag?

Keine Frage, die Sender sind auf den Hund gekommen, und davon können sie sich nicht mehr befreien - die Misswirtschaft aus den vergangenen Jahrzehnten holt sie immer wieder ein. Im Einzelfall sieht das konkret so aus, wie ein aktueller Beitrag in der Zeitschrift BJVreport belegt: "Die Sparpotenziale beim BR sind also ausgereizt, nun setzt der Rotstift beim Programm an, das bisher soweit wie möglich geschont wurde."

Was wird aus dem deutschen Fernsehen? Viel spricht dafür, dass sein Beitrag zum Medienkonsum im Zuge der sich rasant entwickelnden Konkurrenz durch private Angebote weiter schrumpfen wird. Dazu sei nochmals der BJVreport zitiert, hier mit einer witzigen Pointe des Journalisten Hans-Peter Siebenhaar: „Bei Reformen gleiche die ARD einer Schildkröte auf dem Rücken. 'Sie bewegt sich, aber kommt dennoch nicht voran.'

Der Europa-Korrespondent des Handelsblatts in Brüssel hält die Zusammenlegung von ARD und ZDF für einen 'großen Wurf', wenn es um Einsparpotenziale, um mehr Effizienz und Schlagkraft gehe.'Im digitalen Zeitalter mit Streamingdiensten wie Netflix, Amazon und Disney+ stehen die strategisch zähen Rundfunkanstalten vor völlig neuen Herausforderungen.'“

Was können ARD und ZDF unternehmen, um gegen die expansive Konkurrenz zu bestehen? Sie vom müssten in der Tat so schnell wie möglich fusionieren. Doch das wäre eine betriebswirtschaftliche Lösung, und die würde von der Mehrzahl der unter anderem nach politischem Proporz ausgesuchten Intendanten blockiert - zumal einige von ihnen dann verlangen dürften, wegen bereits stattgefundener Kostensenkung eine Sonderbehandlung zu erfahren.

Das lässt sich besonders am Fall WDR zeigen. Deshalb sei hier nochmals dessen Intendant Tom Buhrow aus dem eingangs erwähnten Interview zitiert: "Wir haben im WDR vor fünf Jahren mit dem Abbau von 500 Stellen begonnen und sind jetzt dabei, die letzten paar Dutzend davon abzubauen." Mal nachgehakt: Wenn so viele Mitarbeiter entlassen werden mussten, waren sie offenbar fehl am Platz. Und für so eine Misswirtschaft sollen wir demnächst jährlich 220,32 Euro berappen? Dafür und für alte Seifenopern oder "Zwei glorreiche Halunken"?

Das Ganze ist eine einzige Frechheit, überwiegend vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen mithilfe opportunistischer Politiker ausgedacht, die uns wiederum gern mithilfe des Fernsehens ihre populistischen Phrasen servieren - ein geschlossener Kreislauf, in dem für vermeintliche Außenseiter, in Wahrheit die Mehrheit der Bevölkerung, kein Platz zu sein scheint. Es ist höchste Zeit, ARD und ZDF nicht nur zu fusionieren, sondern beide vom Kopf auf die Füße zu stellen, damit der politisch-mediale Opportunismus endlich ein Ende hat.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu : Gold und Silber unter der Lupe


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