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Die erzwungene Inflation

30.08.2020  |  Manfred Gburek
Willkommen, Inflation durch die Hintertür! Auf diesen Gruß lässt sich die Brandrede reduzieren, mit der Jerome Powell, Chef der amerikanischen Notenbank Fed, am vergangenen Donnerstag seine Version der Konjunkturpolitik verkündet hat. Oder um einen dazu passenden Vergleich anzustellen: Zwei Herdplatten - die eine abgeschaltet und demzufolge kalt, die andere 60 Grad heiß - ergeben eine Durchschnittstemperatur von 30 Grad. Auf die Inflation bezogen: Bei null Prozent besteht kein Anlass, sie zu bekämpfen, bei 4 Prozent auch nicht. Denn das offiziell deklarierte Inflationsziel beträgt 2 Prozent, fordert die Fed also nicht zum Handeln auf.

Aber falls die Inflation auf 5 oder 6 Prozent steigt, keine Anstalten macht zu fallen und sogar noch höher steigt? Dazu hat der Fed-Chef gleich die seiner Ansicht nach passende Antwort: Dann gelte es, die weitere Entwicklung im Auge zu behalten, ohne jedoch sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Denn nicht der Kampf gegen die Inflation, sondern die Erholung am Arbeitsmarkt habe oberste Priorität.

Dieser Umschwung in der Fed-Politik ist eine Sensation. Deren mögliche Folgen wiegen so schwer, dass es sich lohnt, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Dort schlummern nämlich Pläne zur weiteren Stimulierung der Wirtschaft, und zwar gleich für die nächsten fünf Jahre. Dabei erweisen sich Inflationsziele - ganz egal, ob 2 Prozent oder sonst welche - ebenso wie alle kruden Inflationstheorien als Popanz.

Entscheidend ist dagegen jetzt, ausgehend von der Konjunktur, die weitere Entwicklung am Arbeitsmarkt, darin sind sich Jerome Powell und US-Präsident Donald Trump einig. Klar, denn die Präsidentschaftswahl am 3. November rückt immer näher, und bis dahin will Trump die Mehrheit der Amerikaner hinter sich bringen, koste es, was es wolle. Im Endeffekt will er sich als Sieger über die Korona-Krise feiern lassen.

Die Auslöser jeder Inflation sind mannigfach, sobald man den Faktor Zeit mitberücksichtigt. Das bedeutet aus aktueller Sicht: Irgendwo im Wirtschaftsgetriebe lauert ein Stimulus, der uns eines Tages mit steigenden Inflationsraten überraschen wird. Dabei kann es sich um ein nationales, regionales oder globales Phänomen handeln. Entscheidend für das Vorhandensein der Inflation ist allemal, dass sich die Geldillusion in Luft auflöst. Darunter versteht man den Glauben an den Wert des Geldes, mit dem üblicherweise Schulden beglichen werden, sei es an der Kasse eines Supermarktes, sei es bei den Raten für einen Baukredit.

Wie steht es aktuell um diesen Glauben? Er ist immer noch weit verbreitet; wir zahlen beim Einkaufen oder bei der Baufinanzierung ja weiterhin mit Euro, mögen Nostalgieker noch so sehr der D-Mark nachtrauern. Doch Schulden in der gerade gültigen Währung begleichen, das ist nur eine von drei Funktionen des Geldes. Die beiden anderen: Messlatte und Wertspeicher. Im ersten Fall handelt es sich um die Preissetzung, im zweiten Fall um die Geldanlage.

So viel zum Grundsätzlichen. Und wie sieht es im Detail aus? Wenden wir uns zur Beantwortung dieser Frage doch einfach wieder Fed-Chef Powell zu. Er sorgt nämlich schon seit Wochen dafür, dass der Dollar im Verhältnis zum Euro und zu anderen großen Währungen an Wert verliert. Das hat der amerikanischen Konjunktur und speziell dem Export zwar noch nicht Beine gemacht, aber auch nicht geschadet. Wie geht es weiter? Powell wird seinen – zunächst auf die kommenden fünf Jahre ausgerichteten – Plan zur Stimulierung der Wirtschaft durchsetzen, und zwar unabhängig davon, ob Trump die Präsidentschaftswahl gewinnt oder nicht.

Dieser Plan impliziert einen schwachen Dollar - allerdings nicht unbedingt auch einen starken Euro, weil beide Währungen keine Wertspeicher im genannten Sinn bilden. Als solche haben sich in letzter Zeit neben Technologieaktien auch Gold und Silber erwiesen - fürs Erste allerdings nur so lange, bis ihre Preise in eine Gegenbewegung geraten sind.

Und nun? Viel spricht dafür, dass die Unterbrechung des Aufwärtstrends der beiden Edelmetalle nur von kurzer Dauer ist. Denn die Erfahrung aus den vergangenen Jahrzehnten lehrt uns: Ist der Realzins, also der Nominalzins abzüglich Inflationsrate, negativ, profitieren davon die Preise von Gold und Silber, Letztere allerdings unter stärkeren Schwankungen.

Bemerkenswert daran ist, dass dieser Zusammenhang sogar bei hohen Nominalzinsen gilt. Das trifft besonders auf die Entwicklung in den 70er Jahren zu, als die amerikanische Inflationsrate zeitweise zweistellig war, während die Preise von Gold und Silber, zwischendurch nur ein Mal kräftig unterbrochen, ein ganzes Jahrzehnt lang stiegen. Weniger extrem, wenngleich mit einem ähnlichen Ergebnis, ging es dann während der Gold- und Silberhausse von 2001 bis 2013 zu.

Nachdem die Kurse der Gold- und Silberminenaktien in letzter Zeit etwas gefallen sind, wird es sich lohnen, sie jetzt näher ins Visier zu nehmen: Zum einen, weil die amerikanischen Realzinsen und darüber hinaus auch die anderer Länder negativ sind, zum anderen, weil Edelmetallkonzerne in nächster Zeit ihr Wachstum um Übernahmen ergänzen werden. So etwas erregt bekanntlich die Phantasie der Anleger. Der Einstieg von Kirkland Lake bei Detour und von Newmont bei Goldcorp, diese beiden Coups waren erst der Anfang.

Um während des Aufwärtstrends auch die Kursspitzen mitzunehmen, empfiehlt es sich, in das Verfolgen von Minenaktien viel Zeit zu investieren. Das bedeutet: Diszipliniert vorgehen, anhand von Charts laufend die Kurse verfolgen, sich die Entwicklung von Kennzahlen einprägen, die Gerüchteküche ausklammern und Nerven bewahren, wenn es mal nicht so läuft, wie man es ursprünglich gedacht hat. In diesem Sinn: Viel Erfolg!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu : Ablasshandel mit Anleihen


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