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Staatswirtschaft ahoi!

04.10.2020  |  Manfred Gburek
Was war, was ist und was wird: 30 Jahre deutsche Einheit mit Folgekosten bis heute, davon gerade mal gut ein halbes, besonders teures Jahr im Zeichen der Corona-Pandemie anno 2020 mit zusätzlichen kommenden Bürden während einer noch unbekannten Zahl von Jahren - so etwas wirft zwangsläufig Fragen auf. Zum Beispiel: Wie werden die finanziellen Lasten dieses Mal verteilt? Was für staatliche Impulse zur Stützung der Konjunktur sind noch zu erwarten? Mit wie vielen Firmenpleiten ist zu rechnen? Wird es größere Bankpleiten geben? Wie wäre es mit einer Art Corona-Soli?

Hier folgt zunächst ein Versuch, diese Fragen gerafft zu beantworten: Die Lastenverteilung ist eng damit verknüpft, wie die Bundestagswahl im nächsten Jahr ausgeht. Der Staat wird sich bis auf Weiteres immer höher verschulden, um die Konjunktur nicht einbrechen zu lassen. Es dürfte zu einem zwischenzeitlichen Pleiterekord kommen, bevor es mit der Wirtschaft auf breiter Front wieder aufwärts geht. Großbanken gelten bis zu einem gewissen Grad als systemrelevant, sodass sie im Zweifel verstaatlicht werden, während ihre kleinen Schwestern das Heil in Filialschließungen, Um- und Ausgliederungen, Fusionen und Übernahmen suchen werden. Die ultima ratio wird zwar nicht Soli heißen, aber ebenso wie dieser eine verkappte Steuererhöhung sein.

Schon die bisherigen Eingriffe des Staats in das Wirtschaftsgeschehen allein aus Anlass der Corona-Pandemie kosten Unsummen; sie sind mit dem "Wumms"-Spruch von Finanzminister Olaf Scholz treffend auf den Punkt gebracht. Und alle Politiker - egal, von welcher Partei - müssen eingestehen, dass es in den fraglichen Frühjahresmonaten keine Alternative zum Shutdown gab. Damals kam es vor allem darauf an, zu retten, was noch zu retten war. Nach dem Motto: Geldhähne auf, Pleiten aufgeschoben, Kurzarbeitergeld verlängert, Augen zu und durch!

Die Folgen dieser Maßnahmen sind aufschlussreich. Greifen wir nur zwei heraus: Viele Arbeitnehmer wähnen sich in Sicherheit, obwohl sie de facto arbeitslos sind; das Kurzarbeitergeld macht es möglich. Und die Aktienkurse behalten im Durchschnitt ihr hohes Niveau bei, auch wenn Hiobsbotschaften wie zuletzt vonseiten der Konzerne MAN und Bayer zwischenzeitlich immer wieder für schlechte Stimmung sorgen.

Das Ganze lässt sich am besten so erklären: Reichlich vorhandenes Geld, entstanden aus der Zusammenarbeit von Fiskal- und Geldpolitik, führt bei Vermögensverwaltern, Pensionskassen, Fonds und anderen Großanlegern zum Anlagenotstand, der sich an der Börse wie auch am Immobilienmarkt entlädt und dadurch preistreibend wirkt - dies umso mehr, je länger die Zinsen um Null verharren. Was danach kommt, ist schon jetzt vorstellbar: der zunehmende Wandel von der Markt- zur Staatswirtschaft.

Das Drehbuch dazu ist bereits geschrieben: Nach der Verteilung von Wahlgeschenken bis zur Bundestagswahl im nächsten Herbst wird die Geschenkaktion zunächst beendet sein. Anschließend erfolgt, wie im Zuge jeder Wahl üblich, ein Kassensturz, verbunden mit der Schuldigsprechung der alten Regierung und dem Gelübde der neuen, alles besser machen zu wollen.

Danach - ganz gleich, welche Partei den/die Bundeskanzler(in) stellt - wird es nicht, wie früher üblich, gravierende Restriktionen zur Einhaltung des Maastricht-Vertrags geben, sondern die finanzielle Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Dazu gehört unter anderem das Eindämmen der Pleitewelle, die in erheblichem Umfang auf die waghalsige Finanzierung sogenannter Zombies zurückzuführen ist. So nennt man im engeren Sinn nicht überlebensfähige Unternehmen, speziell auch solche, die von Banken durch ständige Verlängerung von Krediten künstlich am Leben erhalten werden.

In so einem Umfeld ist, durch die finanzielle Brille betrachtet, für Restriktionen nur wenig bis gar kein Platz vorhanden. Stattdessen: Staatswirtschaft. Wohin führt sie uns? Beispielsweise zu einer mit der EU abgestimmten ökologischen Fiskalpolitik, etwa mithilfe von sogenannten grünen Anleihen nach ESG-Kriterien (das Kürzel steht für Ökologie, Soziales und Unternehmensführung), über höhere Umsatzsteuern und nicht zuletzt über wie auch immer geartete Reichensteuern oder Vermögensabgaben.

Die grüne Komponente ist schon beschlossen. Sie wird im Lauf der kommenden Jahre für die ganze EU gelten. In ihrem harten Kern umfasst sie neben grünen Anleihen auch Aktien. Das kann man sich vereinfacht so vorstellen: Eine übliche zehnjährige Bundesanleihe wird mit einem Kupon von 0,1 Prozent ausgestattet, eine entsprechende grüne mit 0,2 Prozent. Bei grünen Aktien wird es dagegen problematisch, weil die ESG-Kriterien hier dehnbar sind. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn je nach Interpretation der Kriterien neben Aktien von Tomra und Vestas auch die von RWE und Endesa für grün erklärt werden.

Übernimmt ein Staat Aufgaben, die üblicherweise den Unternehmen vorbehalten sind - man denke allein an die Verstaatlichung von Lufthansa und TUI -, steht längst noch nicht fest, dass ein solches Unterfangen gelingt. Die Beteiligung des Bundes an der Commerzbank, so notwendig sie seinerzeit gewesen sein mag, ist dafür ein typisches Beispiel. Denn bislang ist keinem von zahlreichen Managern die Sanierung des Instituts gelungen, und das nach zwölf Jahren.

Die zu erwartende grüne Welle wird auf dem Umweg über Anleihen und Aktien zweifellos für den einen oder anderen Impuls sorgen, der sich dann relativ schnell positiv auf die Geldanlage auswirken dürfte. Doch damit wird es nicht getan sein, denn der Staat müsste erst - in Europa vorrangig über die EU - nachweisen, dass er im Vergleich zu Managern von Unternehmen besser wirtschaften kann. Einen solchen Nachweis gibt es noch nicht. Daraus folgt für Anleger: Staatliche Geschenke mitnehmen, aber einkalkulieren, dass Staaten sich das, was sie verschenkt haben, gern doppelt und dreifach zurückholen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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