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Sozialer Sprengstoff

13.12.2020  |  Manfred Gburek
Eigentlich hat der der Bundestagswahlkampf schon begonnen. Auslöser ist die vorübergehend mühsam unter den Teppich gekehrte Auseinandersetzung West gegen Ost und umgekehrt. Dabei geht es nur scheinbar um den Rundfunkbeitrag, also die aus Sicht vieler Bundesbürger ärgerliche Sondersteuer, oder um ein angebliches Zusammengehen von CDU und AfD in Sachsen-Anhalt. Tatsächlich rückt jetzt ein Mal mehr recht gewaltig das gesamte politische Machtgefüge in den Vordergrund. Es beginnt mit jenem Rundfunkbeitrag und endet womöglich mit einem Patt im Zuge der Bundestagswahl.

Der Weg dahin ist nicht zuletzt von der Corona-Pandemie vorgezeichnet. Denn zu deren Bewältigung bedarf es immer höherer Milliarden- bis Billionenbeträge, die nie und nimmer zurückgezahlt werden können, sodass sie in den kommenden Jahren durch Geldentwertung weginflationiert werden. Hinzu kommt eine neue Debatte um die Einführung von Steuererhöhungen und Vermögensabgaben. Dazu hat "Der Spiegel" auf der Basis einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft kürzlich einen Beitrag mit der treffenden Überschrift veröffentlicht: "Corona nimmt's, der Staat gibt's".

Dieses Zitat mag zwar zum Schmunzeln sein, aber dahinter steckt bitterer Ernst. Man stelle sich nur vor, die inzwischen zahlreicher gewordenen Protestbewegungen aus der Mittelschicht heraus und nicht etwa allein von brüllenden Heerscharen initiiert ließen eine verzweifelte Mehrheit zurück, die bei der kommenden Bundestagswahl vor lauter Frust einen großen Bogen um die etablierten Parteien macht. Wahrscheinlich wären dann AfD und Die Linke die Sieger.

Dieser Gedanke erscheint allein schon deshalb nicht abwegig, weil die Corona-Pandemie bis weit ins kommende Jahr hinein immer mehr Mittelstands-Armut nach sich ziehen dürfte. Mit dieser Entwicklung ginge ein Protest einher, der umso heftiger ausfallen könnte, je größer der Unterschied zwischen Arm und Reich zu werden droht.

Das ist sozialer Sprengstoff. Dazu passt nicht zuletzt auch der Streit um den anfangs erwähnten Rundfunkbeitrag. Warum? Weil sich daraus noch mehr Frust der Bundesbürger entwickeln dürfte. Dazu dieses Beispiel: Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen Anhalt, gab der "Zeit" schon im vergangenen Januar ein Interview, in dem er ausdrücklich wie folgt auf die Intendanten vom Stamme Nimm hinwies: "Die Führungskräfte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erhalten hohe Gehälter. Und es ist schon schwierig, zu ermitteln, warum Intendanten wie Herr Burow viel mehr verdienen müssen als der Bundespräsident."

Warum kommt dazu nur wenig Widerstand aus den eigenen Reihen? Ulf Poschardt, Chefredakteur der "Welt", gibt die passende Antwort in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "journalist": "Wir haben ein Klima von Angst und Unsicherheit in einigen Redaktionen. Sprechen Sie mal mit Leuten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die abseits der Linie denken. Sie haben zwei Optionen: Sie werden still, oder sie geben auf und gehen in die innere Emigration."

Sogar die "Neue Zürcher Zeitung" mischt sich mit einem längeren aktuellen Beitrag von Alexander Kissler aus dem Berliner Büro in die Debatte um deutsche Medien und Politik ein. Er beginnt scheinbar reserviert, wie man das aus der Schweiz kennt: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland ist eine sinnvolle, aber viel zu teure und viel zu wenig ausgewogene Sache. Er bedarf einer Reform an Haupt und Gliedern."

Doch danach geht es zur Sache: "Politische Magazine wirken - nicht immer, aber oft - wie bebilderte Wahlprogramme der Grünen. Deutschlandfunk und Deutschlandradio haben den politischen Mittelstreifen verlassen und sich für die linke Überholspur entschieden. Das Bonmot, ARD und ZDF seien eine Rentenversicherung mit angeschlossener Programmabteilung, verliert Jahr um Jahr an Witz."

Was folgt aus alldem? Wenn überhaupt, dann ein Kampf um die angemaßten Pfründen. Allein schon einige der jüngsten Satiresendungen unter der Obhut von ARD und ZDF sind eher zum Weinen als zum Lachen, während andere immer wieder mal ausfallen, weil unbedingt noch der so und so vielte Virologe zur Corona-Pandemie interviewt werden soll - zugegeben allerdings eher ein Spielfeld privater Sender wie RTL oder dessen Tochter n-tv. Doch Letzterer verfügt wenigstens über ein Dauer-Laufband mit allerlei Kurzinformationen, während ARD und ZDF damit geizen.

Zugegeben, die öffentlich-rechtlichen Kanäle schleppen eine Last aus mehreren Jahrzehnten herum. Doch statt sich von ihr zu befreien, pflegen sie lieber ihre Pfründen. Wie die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten in ihrem jüngsten Jahresbericht mitteilt, sind die Anstalten an Unternehmen des Privatrechts einzeln, gemeinsam und mit Dritten an insgesamt 186 Unternehmen des Privatrechts beteiligt.

Gibt es überhaupt noch einen Ausweg aus diesem Dilemma? Ja, und zwar für den Fall, dass sowohl gespart als auch das Programm neu ausgerichtet wird. Warum Woche für Woche "Rosamunde Pilcher" ins Soap-Rennen schicken, warum "Tatorte" mit fragwürdigen bis widerlichen Inhalten und Szenen senden? Warum nicht stattdessen lieber den privaten Anstalten mehr Reportagen, spannende Diskussionen und aufklärende Wirtschaftssendungen entgegensetzen? Die meisten Intendanten mogeln sich jedenfalls um Antworten herum. Also wird der Rundfunkbeitrag ein heißes Eisen bleiben - und den Ausgang der kommenden Bundestagswahl beeinflussen, möglicherweise sogar viel mehr, als das Beispiel aus Sachsen-Anhalt zeigt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

Neu bei www.gburek.eu: Immobilien-Dschungel


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