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Klimapolitik und Rohstoffe - ein paar Bemerkungen

08.01.2021  |  Markus Mezger
- Seite 4 -
Das Stromnetz der Zukunft muß also mit einer schwankenden Nachfrage und einem schwankenden Angebot fertig werden. In Deutschland wurde die Problematik so gelöst, dass Wind- und Solarstrom immer Vorrang eingeräumt wurden. Andere Kraftwerke müssen ihre Leistung herauf- oder herunterregeln, je nachdem wieviel Wind- bzw. Sonnenenergie zur Verfügung steht.

Je größer der durchschnittliche Anteil von Wind- und Solarenergie, desto mehr konventionelle Kraftwerke müssen als Notfallreserve bereit gehalten werden. Diese Kraftwerke müssen aber auch dann bezahlt werden, wenn sie nicht laufen. Diese Überlegungen zeigen, dass es für den maximalen Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung ökonomische Grenzen gibt.

Die unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima übereilte und wenig durchdachte Energiewende hat in Deutschland zu allerlei Schildbürgerstreichen geführt. Dazu gehört der Ausbau von Windkraftanlagen ohne den gleichzeitigen Ausbau der Stromtrassen von Nord nach Süd. Bei starkem Wind müssen daher Windkraftanlagen abgeregelt werden. Nach dem Energieeinspeisegesetz (EEG) werden Betreiber von Windkraftanlagen auch für die Energie bezahlt, die sie nicht produziert haben, die sie aber produziert haben könnten, wenn sie nicht abgeregelt worden wären.

Durch den zweitweisen Überschuß von Ökostrom kommt es an den Strombörsen immer wieder zu negativen Preisen. Das heißt Stromkäufer werden dafür bezahlt, dass sie Strom aus Deutschland abnehmen. Im Umkehrfall, bei unzureichendem Ökostrom, muß immer wieder Atomstrom aus Frankreich bezogen werden. Insgesamt werden nach dem EEG bis zum Jahr 2025 wohl mehrere hundert Milliarden Euro ausbezahlt worden sein ohne dass das deutsche Stromsystem wesentlich geringere CO2-Werte ausstößt oder an Versorgungssicherheit gewonnen hat.

Wie läßt sich die Problematik des schwankenden Angebots erneuerbarer Energien lösen? Eine Möglichkeit wären Stromspeicher. Das Potenzial für Pumpspeicherwerke, die ein natürliches Gefälle benötigen, ist durch natürliche Gegebenheiten begrenzt. Batterriespeicher-Kraftwerke haben noch nicht die Kapazität, um in die Lücke zu springen. Die größte Anlage der Welt steht derzeit in Australien und hat eine Nennleistung von 100 Megawatt (MW). Zum Vergleich: In Deutschland existierten im Frühjahr 2020 Kraftwerkskapazitäten mit einer Nennleistung von 221,3 Gigawatt (GW) installiert. Allein die Kapazität der Pumpspeicherwerke in Deutschland ist mit knapp 10 GW hundert mal so hoch wie die der Anlage in Australien.

Neue Batteriespeicher-Kraftwerke entstehen derzeit durch die Weiterverwertung gebrauchter Batterien von Elektroautos. Deren Entsorgung ist ohnehin noch ein ungelöstes Problem der Autobranche. Mehrere deutsche Automobilproduzenten haben kleinere Kraftwerke mit einer Leistung von zumeist wenigen Megawatt Leistung gebaut. Stromspeicher könnten aber auch in privaten Haushalten zum Einsatz kommen. Private Stromspeicher kommen vor allem in Verbindung mit Photovoltaikanlagen zur Anwendung. Sie bieten eine gewisse Autarkie gegenüber Strompreisen und etwaigen Netzausfällen. In Deutschland waren im Frühjahr 2020 private Stromspeicher insgesamt 1400 MW aufgebaut, Tendenz weiter steigend.

Die EU setzt in ihrem im Herbst 2019 vorgestellten Green Deal auf Wasserstoff als Stromspeicher. Per Elektrolyse wird unter dem Einsatz großer Energiemengen Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Die Energie zur Herstellung wird oft noch durch die Verbrennung von Erdgas gewonnen. Das Problem dabei: Es wird wesentlich mehr Energie aufgewendet, als durch die Verbrennung von Wasserstoff später zurückgewonnen werden kann. Nun geht bei jedem Energiespeicher Energie verloren.

Bei Wasserstoff liegt der Wirkungsgrad nur bei etwa 30%, das heißt 70% der für die Herstellung von Wasserstoff aufgewendeten Energie kann nicht zurückgewonnen werden. Da wäre es sinnvoller, das Erdgas direkt zu Stromerzeugung zu nutzen. Bei Lithium-Ionen Batterien ist der Wirkungsgrad wesentlich höher. Der reine Batteriewirkungsgrad beträgt häufig über 95%. Der gesamte Systemwirkungsgrad, der alle Ladeverluste berücksichtigt, liegt zwischen 70% und 75%.

Eine weitere Möglichkeit, ein schwankendes Stromangebot mit der Nachfrage in Einklang zu bringen sind intelligente Verbraucher. Voraussetzung wäre die Digitalisierung des Stromnetzes und eine gewisse Speicherkapazität bei elektrischen Verbrauchsgeräten. Die Verbraucher könnten sich automatisiert mit dem Stromangebot abstimmen und immer dann Strom ziehen, wenn dieser überschüssig und damit günstig ist. Dies schließt eine flexible Tarifierung des Stroms mit ein. Weitere Effizienzgewinne wären möglich, wenn mehrere Stromnetze zusammengeschlossen werden und kurzfristige Überschüsse oder Defizite in einem System durch ein, über sogenannte Interkonnektoren verbundenes System, ausgeglichen werden können.

Allen diesen neuen Anwendungen ist gemeinsam, dass sie noch nicht vollständig ausgereift sind. Ihre Implementierung setzt hohe Investitionen in eine neue Infrastruktur voraus. Es ist mehr als fraglich, ob Schwellenländer mit deutlich niedrigeren Einkommensniveau diesen teuren und unsicheren Weg mitgehen werden. Die von der EU für sich selbst proklamierte Vorbildrolle beim Klimaschutz könnte sich schnell als Sackgasse entpuppen.


Verschiebung des globalen Energiemix zu Erdgas und Erneuerbaren Energien

Fossile Brennstoffe werden mangels schnell verfügbarer Alternativen in den nächsten Jahren weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Bis zum Jahr 2040 dürfte die Verbrennung fossiler Brennstoffe kaum zurückgehen. Dabei wird Kohle zunehmend an Bedeutung verlieren, während der Verbrauch von Erdgas stetig zunehmen wird. Für die Erzeugung der gleichen Energiemenge entstehen bei der Verbrennung von Erdgas rund 35% weniger CO2 Emissionen als bei der Verbrennung von Kohle. Auch gegenüber Rohöl ist die CO2-Bilanz von Erdgas um 20%-25% besser. Erdgas wird in der Übergangszeit zu einer Welt mit geringeren Schadstoffemissionen eine Schlüsselrolle einnehmen.

Stark ausgebaut werden in den nächsten Jahren die erneuerbaren Energien (Windenergie, Solarenergie, Biomasse). Der starke Zuwachs dürfte im Basisszenario aber gerade so ausreichen, um das Wachstum der globalen Energienachfrage abzudecken. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Energieerzeugung dürfte stetig zulegen bis auf Werte über 20%.

Auch die Kernenergie wird in den nächsten Jahrzehnten noch leichte Zuwächse verzeichnen. Wie oben ausgeführt sind Kernkraftwerke neben Kohlenkraftwerken dazu prädestiniert, die Grundlast in einem Stromnetz zu tragen. Einige Länder, in denen die Verbrennung von Kohle stark heruntergefahren wird, sehen sich daher außerstande, auch auf Kernenergie zu verzichten, die wie die erneuerbaren Energien auch äußerst geringe CO2-Werte je erzeugte Kilowattstunde aufweist. Je ambitionierter die CO2-Ziele sind, desto weniger Kohle darf verbrannt werden und desto mehr wird die Kernenergie gebraucht.

Lediglich Deutschland leistet sich den Luxus, aus beiden Technologien gleichzeitig auszusteigen. Den größten Zuwachs dürfte die Kernenergie in China haben. Im Basisszenario wird sich das Stromangebot bis 2050 annähernd verfünffachen. Der Anteil der Kernenergie an der Gesamtenergieerzeugung bleibt jedoch verhältnismäßig gering. In China wären es 2050 etwas mehr als 9%, global sich dürfte der Anteil der Kernenergie bei etwas übers 4% stabilisieren.

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Quelle: BP Energy Outlook 2020 Summary Tables, World Consumption by Fuel, eigene Darstellung


Indien sieht sich beim künftigen Energiemix anderen Restriktionen unterworfen als China. Die Kernenergie wird in Indien absolut leicht zulegen können, spielt aber im Energiemix kaum eine Rolle. Dafür basiert das Energiesystem Indiens heute mehr als die Hälfte auf Kohle. Die Abhängigkeit von diesem Brennstoff wird in den nächsten Jahrzehnten erhalten bleiben. Der Anteil der Kohle bei der Energieerzeugung geht zwar von 56% auf 40% zurück.

Da aber das Energieangebot im Jahr 2050 eine mehr als zweieinhalb mal so große Energienachfrage wie heute befriedigen muß, werden vermutlich alle Energiequellen absolute Zuwächse verzeichnen. Den größten absoluten Sprung machen in Indien die erneuerbaren Energien. Dicht dahinter folgt bereits Kohle mit einem absoluten Mehrverbrauch von mehr als 15 Exajoules.

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Quelle: BP Energy Outlook 2020 Summary Tables, India, eigene Darstellung


Fazit:

Das Beispiel Indien offenbart die Crux in der internationalen Energiepolitik. Der Anteil der erneuerbaren Energien muß und wird in den nächsten Jahrzehnten steigen. Dafür werden hohe Investitionen notwendig sein. In ihren jeweiligen Basisszenarien, die die jetzigen nationalen Zielsetzungen in der Klimapolitik abbilden, kommen EIA, IEA und BP kommen unisono auf einen Anteil zwischen 20-30%. Das wird, einen stabilen Zusammenhang zwischen CO2-Ausstoß und Klimaerwärmung vorausgesetzt, nicht reichen, um das ausgegebene Ziel einer Erderwärmung von unter zwei Grad zu erreichen.

Wer mehr will, muß vor allen den asiatischen Schwellenländern mit bezahlbaren Technologien unter Beachtung nationaler Rahmenbedingungen neue Wege zu einem höheren Anteil der erneuerbaren Energien aufzeigen können. Ob die Klimapolitik der EU vor diesem Hintergrund für die Schwellenländer als vorbildliches Modell taugt, ist mehr als fraglich.

Die fossilen Rohstoffe Rohöl, Erdgas und Kohle werden vor allen in den nächsten Jahren gefragt bleiben. Bei Erdgas wird es absolute Zuwächse geben, während Rohöl einen stabilen Verbrauch aufweisen dürfte. Die Preise beider Rohstoffe sind momentan jedoch so niedrig, dass notwendige Investitionen im Sektor unterbleiben. Momentan ist dies auch den Auswirkungen der COVID-19 Epidemie geschuldet. Sobald diese abgeklungen ist, könnten sich aber Angebotsdefizite entwickeln. Bei Rohöl würde dies einen vermutlich einen Preissprung auf 60-80 US-Dollar je Barrel bewirken. Das ist die Preisspanne, bei der zuletzt weggefallenes Angebot an den Markt zurückkehren dürfte.


© Markus Mezger


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