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Klartext zu Zinsen, Aktien und Edelmetallen

28.02.2021  |  Manfred Gburek
Streitsüchtig, zum Teil sogar inkompetent, so präsentieren sich viele Politiker seit Monaten, Ende offen. Zugegeben, der Kampf gegen ein hartnäckiges Virus mitsamt seinen Satelliten ist ungleich härter als der Umgang mit einer einfachen Erkältung. Doch im Fall Corona offenbart sich Tag für Tag zusätzlich ein erschreckender Mangel an politischer Führungsqualität. Das gilt gleich doppelt und dreifach, von der EU über deren Mitgliedsländer bis zu Bundesländern und Kommunen.

Hierbei rächt sich, dass die EU kein Bundesstaat, sondern nur ein Staatenbund ist. Was dessen Mitglieder verbindet, ist eine aufgeblähte Bürokratie, das Sprachengewirr nebst Dominanz der englischen Sprache und eine Fiskalpolitik - sprich: exorbitante Verschuldung -, die von der dafür eigentlich zuständigen EZB schleichend zum harten Kern der EU übergeht, zur Eurozone.

Wem das alles nicht aufregend genug vorkommt, sollte über die Konsequenzen nachdenken. Von denen ist eine schon deutlich erkennbar: Die Zinsen in Gestalt der Anleihenrenditen steigen, die damit einhergehenden Kursverluste der Anleihen ziehen die Aktienkurse nach unten, und besonders in Deutschland gerät die Inflation zum Thema Nummer eins. Demnächst werden wir alle mit ihr konfrontiert sein, zumal die Medien sich zunehmend der Inflation annehmen.

Folglich wird noch viel über Mehrwertsteuer- und Basiseffekte, über Warenkörbe, die Asset Inflation und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes diskutiert. Daraus eine konkrete Inflationsprognose abzuleiten, dürfte allerdings niemandem gelingen, weil das Thema viel zu komplex ist und von Erwartungen dominiert wird.

An dieser Stelle sei kurz auf Gold und Silber eingegangen. Die Preise beider Edelmetalle haben in den vergangenen Monaten arg enttäuscht und sind am vergangenen Freitag nochmals nach unten durchgesackt, ohne dass es dafür - außer den bekannten Argumenten - einen besonderen Anlass gegeben hätte. Als Hauptursache gilt unter Börsianern aus aktueller Sicht, dass die in der vergangenen Woche kräftig gestiegenen Anleihenrenditen den Freunden von Gold und Silber einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Dieses Argument ist nachvollziehbar, sofern man dabei zugrunde legt, dass Anleihenkurse und Edelmetallpreise überhaupt vergleichbar sind.

Doch gerade darüber kann man streiten. Denn Anleihen sind Schulden; sie haben keinen inneren Wert - mit der Tendenz gegen Null. Dagegen ist zumindest Gold - auf lange, nicht auf kurze Sicht - unstrittig ein Wertspeicher, Silber je nach Betrachtungsweise wenigstens annähernd. Indes, solange Börsianer an der Vergleichbarkeit festhalten, ist zu konstatieren, dass die Formel gilt: Nominalzins in Form von Anleihenrenditen minus Inflationsrate gleich Realzins. Bewegt sich dieser im Plus, sei das schlecht für Gold und Silber, heißt es; steht er dagegen im Minus, spreche das für die beiden Edelmetalle - so die gängige Argumentation.

Beim Blick in die vergangenen Jahrzehnte lässt sich allerdings feststellen, dass Realzinsen an eine ganze Reihe von Nebenbedingungen geknüpft waren und nach wie vor sind. Zum Beispiel dominierten während der Edelmetallhausse in den 70er Jahren hohe Inflationsraten bei hohen Zinsen. Während der Hausse von 2001 bis 2011 spielten dagegen mehrere Faktoren eine Rolle, unter anderem das Aufkommen von indirekten Gold- und Silberanlagen in Form von ETFs, also Fonds.

Greifen wir aus aktueller Sicht mal zwei Faktoren heraus: das Verhalten von Unternehmern und Verbrauchern. Die einen planen in der Regel für mehrere Jahre, die anderen im Großen und Ganzen höchstens für einige Monate. Doch seit dem vergangenen Jahr müssen beide mit den Widrigkeiten von Corona zurechtkommen, also etwa mit eingeschränkter Möglichkeit zu planen und zu finanzieren die einen, mit immer weniger Geld in der Haushaltskasse und räumlicher Enge die anderen, mit zum Teil unsinnigen Vorschriften der Politiker alle zusammen.

In so einer Gemengelage ist das Wirtschaften für Unternehmer und Verbraucher besonders schwierig. Beide wissen sich allerdings zu helfen, indem sie zunehmend antizyklisch vorgehen. Warum tun sie das, etwa weil sie große Optimisten sind? Nein, sie haben aus den vergangenen zehn bis zwölf Jahren gelernt, also aus einer Zeit, als es zuerst eine Finanz- und Wirtschaftskrise gab und danach einen Konjunkturaufschwung, in dem Unternehmer wie Verbraucher finanzielle Reserven anhäufen konnten. Hinzu gesellte sich ein sukzessiver Zinsrückgang, und die Inflation blieb auf dem Boden.

Aktienkurse nehmen bekanntlich die Konjunktur irgendwo zwischen zwei und drei Quartalen vorweg. Dieses Mal wird es nicht anders sein. Insofern ist der jüngste Kurseinbruch an den Weltbörsen als Warnung zu interpretieren – nicht jedoch als Crash-Beginn. Als Warnung wovor? Die Antwort liegt auf der Hand: Vor der Überbewertung von Tech-Aktien und vor allzu waghalsigen Aktienspielchen mit GameStop und Konsorten an der Wall Street, wie sie seit Wochen die Schlagzeilen zum Finanzsektor dominieren.

Fassen wir zusammen: Um die deutsche und um die EU-Politik ist es im Zeichen von Corona schlecht bestellt, weil die Koordination zu wünschen übrig lässt und viele Fehlentscheidungen zum Desaster geraten. Wir alle müssen uns daran gewöhnen, dass - nicht nur deshalb - Corona uns ein Leben lang begleiten wird. Die Inflation gerät zu einem zentralen Thema, ihr Verlauf ist jedoch wegen konträrer Einflussfaktoren derzeit kaum abschätzbar.

Die Preise von Gold und Silber hängen besonders vom Verlauf der Realzinsen ab; sie haben mehr Potenzial nach oben als nach unten. Mit der Konjunktur geht es aufwärts. Der Kursrückgang gängiger Aktien dürfte sich mindestens noch einige Wochen fortsetzen, aber nicht in einem Crash enden.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.

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