Alles ist defekt
16.03.2021 | John Mauldin
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Defekte RenteIch nenne diesen Abschnitt auch "Zerstörte Träume." Millionen Babyboomer nähern sich nun dem, was sie sich als bequemes Rentenalter vorgestellt haben und realisieren, dass sich nicht einmal annähernd dafür bereit sind. Schlimmer noch; viele glauben, sie seien bereit, wenn sie das eigentlich gar nicht sind. Sie werden das nur realisieren, wenn die Märkte ihnen die Realität zeigen. Die vielen Gründe dafür sind auf den obengenannten defekten Anleihemarkt zurückzuführen. Rentenvorsorge war einmal sehr einfach. Man sparte Geld, investierte es zinsabwerfend und lebte vom Einkommen; wobei Sozialhilfe und eine stabile Rente halfen. Das ist nicht kompliziert und funktionierte so mehrere Jahrzehnte.
Doch gerade als die ältesten Boomer Mitte 60 waren, verschwanden "Zinsen" größtenteils, nachdem Komitees und Politiker entschieden, Kreditnehmer zu bevorzugen, indem man die Zinsen extrem niedrig hielt. Und so war die Rente defekt. Die alte Methode funktionierte nicht länger. Dies ließ Rentnern und Vorrentnern keine andere Wahl, als zu riskanteren Assets überzugehen. Tatsächlich war genau das der Plan. Die Federal Reserve unter Bernanke, Yellen und nun Powell möchte explizit, dass Investoren mehr Risiko auf sich nehmen. Das ist die andere Seite ihres Wunsches, Kreditaufnahme zu ermutigen. Das nennt sich "Finanzrepression."
Nun haben wir also Rentner mit zu viel Geld in Aktien, Schrottanleihen oder anderen riskanten Assets. Und nicht nur Einzelpersonen; dasselbe gilt auch für große Rentenfonds. Deren Treuhändern sind wahrlich die Hände gebunden: sie sind vertraglich verpflichtet, bestimmte Leistungen zu zahlen und nicht in der Lage, dies zu tun, ohne ihre zukünftigen Nutznießer auszurauben.
Ich nehme an, dass meine Leser besser auf ihre Rente vorbereitet sind als die meisten Leute, doch höre trotzdem Horror-Geschichten: Leute, die hart gearbeitet haben, ihre Hausaufgaben machten, gute Entscheidungen trafen... bis alles in sich zusammenbrach. Wenn Sie denken, dass Sie vorbereitet sind, oder bereits in Rente sind und denken, Sie hätten sich abgesichert, dann sollten Sie Ihre Annahmen noch einmal überprüfen. Die Rente ist defekt und Ihre Träume sind zu Albträumen geworden.
Defekte Aktien
Was passiert, wenn man Investoren in eine Assetklasse zwingt, die sie nicht unbedingt möchten oder verstehen? Nun, der Preis ist auf Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Künstlich generierte Nachfrage führt zu künstlich hohen Preisen und das ist es, was wir am heutigen Aktienmarkt beobachten können. Eine Umfrage aus dem Jahr 2000 zeigt, dass Investoren zukünftige Erträge aus dem Aktienmarkt von 15% im Jahr erwarteten. Ich denke, dass die aktuellen Investoren ähnliche Erwartungen haben. Sie denken, dass die Aktien nur steigen, weil die Fed eingreift, wenn sie das nicht tun.
Jeder, der passive Indexfonds besitzt, wird irgendwann eine heftige Schlappe verzeichnen müssen. Ich kann nicht genau sagen, wann das der Fall ist, doch es wird sicherlich wehtun. Und wer hält diese Fonds? Investoren, die nicht wirklich in Aktien investieren möchten und/oder die Risiken nicht verstehen oder Institutionen, die keine andere Wahl haben. Beide Kategorien werden anhand der Umstände dazu gezwungen, Entscheidungen zu treffen, die man in einem "normalen" Markt andernfalls nicht treffen würde.
Zeitgleich sind die Manager von gelisteten Unternehmen nicht sonderlich gut darin, Entscheidungen zu treffen. Viele reagieren auf kurzfristige Anreize, die sie dazu ermutigten, Kredite aufzunehmen, kurbeln ihre Aktienkurse via Rückkäufe an und profitieren vom Unterdrücken ihrer Konkurrenz anstatt der Innovation.
Das ist ein Aktienmarkt, an dem die Preise wenig mit der grundlegenden Realität übereinstimmen. Doch die Aktienmärkte sind defekt. Ich bin dafür, sie so zugänglich wie möglich zu machen. Doch leider haben die regulatorischen und edukativen Strukturen nicht mitgehalten. Wir haben die Menschen also vielmehr dazu angehalten, riskante Dinge zu tun, ohne sie auf die Konsequenzen vorzubereiten. Und das wird kein gutes Ende nehmen.
Defekte Daten
Computer-Programmierer sprachen einst über GIGO - Wo man Müll hereinsteckt, kommt auch Müll heraus. Alle Prozessorkraft der Welt wird nicht helfen, wenn man nur fehlerhafte Daten einspeist. Das erklärt auch einige unserer wirtschaftlichen Probleme. Ein Beispiel ist die monatliche Arbeitslosenzahl in den USA. Laut dem BLS lag diese im Januar bei 6,3% und fiel im Februar offiziell auf 6,2%. 379.000 Arbeitsplätze kamen hinzu, wobei 355.000 zum Freizeit- und Gastsektor hinzukamen, nachdem Hotels und Restaurants wieder öffneten. In den kommenden Monaten werden wir viele derart hohe Zahlen sehen, was eine gute Sache ist.
Doch niemand, den ich kenne, denkt, dass die Arbeitslosenzahlen die Realität darstellen. Selbst Jerome Powell glaubt, dass sie unterschätzt werden. Hier ein Auszug aus Powells Rede am 10. Februar:
"Nachdem die Arbeitslosenrate im April letzten Jahres auf 14,8% gestiegen ist, ist sie nun relativ schnell gefallen und erreichte im Januar 6,3%. Doch die veröffentlichte Arbeitslosenzahl während COVID untertrieb den Schwund am Arbeitsmarkt deutlich. Wichtiger noch; die Pandemie führte zum größten, 12-monatigen Schwund an Arbeitskraft seit mindestens 1948. Angst vor dem Virus und dem Verschwinden von Beschäftigungsmöglichkeiten in den Sektoren, die am schwersten getroffen wurden - wie Restaurants, Hotels und Unterhaltungsörtlichkeiten - führten dazu, dass sich viele Arbeiter zurückzogen.
Zeitgleich zwang virtueller Unterricht viele Eltern dazu, ihren Job zu verlassen, um ihre Kinder zu betreuen. Fast 5 Millionen Menschen meinten, die Pandemie würde sie davon abhalten, im Januar nach Arbeit zu suchen. Zusätzlich dazu berichtete das Bureau of Labor Statistics, dass viele Arbeitslose fälschlicherweise als "arbeitend" klassifiziert wurden. Diese Fehlklassifizierung zu korrigieren und diejenigen, die die Arbeiterschaft seit letzten Februar verlassen haben, als "arbeitslos" zu zählen würde die Arbeitslosenrate im Januar auf fast 10% bringen."
Man zählt als "arbeitslos", wenn man aktiv nach Arbeit sucht. Powell meint - und das halte ich für korrekt - dass Millionen arbeiten möchten, jedoch aus verschiedenen Gründen, nicht nach Arbeit suchen. Also werden sie nicht hinzugerechnet und drücken so die Arbeitslosenrate künstlich niedrig.
Stellen Sie sich vor, dass die Impfstoffprogramme den Virus unter Kontrolle bringen - hoffentlich bald. Die Wirtschaft sollte anfangen, sich zu erholen, wenn die Verbraucher wieder Vertrauen schöpfen. Darunter sollten sich auch einige Leute befinden, der derzeit nicht Teil der Arbeiterschaft sind. Sobald sie anfangen, aktiv nach Arbeit zu suchen, könnte die Arbeitslosenrate zunehmen, obwohl sich die Wirtschaft wieder bessert.
In anderen Worten: Die Arbeitslosenrate ist - zumindest heute - effektiv nutzlos als Indikator für Arbeitsmarktbedingungen oder das Wirtschaftswachstum. Dennoch warten wir sie jeden Monat atemlos ab. Das ist ein defekter Mechanismus. Wir brauchen bessere Daten, damit politische Entscheidungsträger bessere Entscheidungen treffen können.
Ich könnte hier noch mehrere Seiten über defekte Dinge schreiben. Ich hatte einen ganzen Abschnitt über defekte Inflation, die sich auf alles auswirkt, doch aufgrund der Art und Weise, wie wir Immobilienpreise messen, vollkommen falsch ist. Diese Thematik werden wir in einem anderen Artikel ansprechen. Außerdem möchte ich über die absurde Art und Weise sprechen, wie wir Inflation an Gesundheitsmärkten messen. Beziehen wir die Fehlkalkulationen ein, könnte sich die Inflationsrate heute bereits auf 4% belaufen. Und die Fed möchte die Zinsen niedrig halten. Weil...?
Die Märkte reagieren auf Inflationszahlen, Arbeitslosenzahlen, etc. Doch die Zahlen sind defekt. Und das verheißt nichts Gutes. Doch nicht alles ist defekt und es gibt Wege, diese Herausforderungen zu händeln und vielleicht sogar von ihnen zu profitieren. Doch diese Defekte reichen aus, um echte Probleme zu erschaffen. Viele von ihnen sind vermeidbar, wenn die richtigen Leute die richtigen Entscheidungen treffen würden. Ich hoffe, das ist bald der Fall.
© John Mauldin
www.mauldineconomics.com
Dieser Artikel wurde am 05. März 2021 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und in Auszügen exklusiv für GoldSeiten übersetzt.