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Mittelstandserosion

21.08.2021  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Putin hat erkannt, dass die Oligarchen in Russland zwar Wirtschaftswachstum bringen, aber nur für sich selbst, nicht für das Volk, nicht für einen Volkswohlstand. Er verkündete deshalb auf dem letzten Weltwirtschaftsgipfel, dass Russland seinen "Wohlstand für alle" nun durch Mittelstandspolitik erreichen wolle.

Diese Erkenntnis hatte Ludwig Erhard schon nach dem Kriege, als er durch die Steuerfreiheit des im Unternehmen verbleibenden Gewinns (Selbstfinanzierung), durch scharfe Gesetze gegen unfairen Wettbewerb sowie durch maximale Handlungsfreiheit für Unternehmer den deutschen Mittelstand aufgebaut hat. Damals hatten wir 10 Millionen Unternehmer, die aus dem Nichts investierten, produzierten, leisteten und das Wirtschaftswunder brachten.

Seitdem haben fleißige Beamte pausenlos Gesetze produziert, welche das unternehmerische Handeln vorschrieben, beengten, mit Strafen bedrohten, hat die Steuerverwaltung jeden Vorgang im Unternehmen steuertechnisch erfasst, geregelt, besteuert und haben die Sozialfunktionäre die Arbeit nicht nur reduziert, sondern auch geregelt und mit angeblichen Sozialwohltaten auf Kosten der Unternehmer so verteuert, dass die deutsche Arbeit die höchsten öffentlichen Belastungen hat, vor welchen der einheimische Mittelstand nicht, die serien- und massenproduzierenden bzw. dienstleistenden Konzerne aber in die Automation und ins Ausland flüchten konnten. Ergebnis: statt 10 haben wir heute nur noch 5 Millionen Betriebe und statt Wachstumsraten über 5% heute nur noch geringe unter 2%.

Schuld daran ist eine konzernfreundliche und mittelstandsfeindliche Politik:
  • So hat Kohl nach der Wiedervereinigung die verstaatlichten Industriekomplexe im Osten den internationalen Konzernen nicht nur geschenkt, sondern mit Milliardenzuschüssen auch versüßt. Hätte man mit den an internationale Konzerne verschenkten Milliarden vor Ort den Mittelstandsaufbau und mittelständische Betriebe unterstützt und gleichzeitig nicht das westdeutsche Gesetzesnetz über das Land geworfen, hätten dort wirklich "blühende Landschaften" entstehen können. Die Politik hat dies verhindert.

  • Wir haben inzwischen nicht nur die höchste Abgabenbelastung von Betrieben in der Welt, Merkel hat durch die unbedachte ideologische Energiewende unseren Betrieben auch die höchsten Energiekosten der Welt verschafft. Und unsere Sozialzusatzkosten liegen ebenfalls an der Spitze. Wer so dumm ist, in Deutschland zu produzieren, muss Höchstkosten im internationalen Wettbewerb tragen.

Jetzt kommen noch Corona-begründete Zwangsschließungen ganzer Branchen des Mittelstandes wie des Einzelhandels, der Gastronomie, der Touristik und vieler freiberuflicher Dienstleistungen hinzu.

Alle diese Corona-Zwangsmaßnahmen und -schließungen werden immer nur kurzfristig verkündet, um den Unternehmern Hoffnung zu machen, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen danach wieder normalisieren würden. Die alten Bedingungen werden aber nicht wieder eintreten. Wer an eine Fortsetzung der alten Wachstumsbedingungen nach Corona glaubt, hat weder die Politik der Bundesregierung noch die ihrer internationalen Dirigenten verstanden und auch nicht den globalen Strukturwandel, in dem unsere Wirtschaft ohnehin zwangsläufig steht.

Ändern wird sich für jeden einzelnen mittelständischen Betrieb und künftig auswirken:


1. In und außerhalb des Betriebes eine digitale Revolution
  • Der Anteil digitaler Vorbereitung und Steuerung am gesamten Produktionsprozess hat sich nicht nur in der Industrie in den letzten Jahren dramatisch entwickelt, sondern sogar in den Werkstätten und in den Kundenbeziehungen des Handwerks. Nicht mehr durch Zeichnungen wird dem Kunden ein handwerkliches Produkt, etwa ein Schrankeinbau, gezeigt, sondern digital mit allen Änderungsmöglichkeiten. Und dieses Digitalprogramm geht dann in die CNC-Maschinen u.a. und wird eben nicht mehr als Hand-Werk produziert, sondern "digital-automatisch" mit nur noch Handwerkerkontrolle. Lediglich beim Einbau vor Ort ist dann wieder manuelles Handwerk gefragt.

  • Gleiches gilt für den Einzelhandel. Die grünen Ideologen haben die Städte autofrei zu machen versucht, jedenfalls die Parkmöglichkeiten so beschränkt, dass Kunden mit dem Fahrzeug immer schwerer in die Innenstädte können und wollen. Weltkonzerne wie Amazon bieten dagegen dem Kunden digital die größte Auswahl von Produkten ins Haus und liefern sogar kostenlos, weil sie in Steueroasen steuerfrei sitzen. Während der Zwangsschließung des lokalen Einzelhandels haben sich jetzt immer mehr Bürger an den Versandhandel gewöhnt.

    Wie in den 1980er Jahren bei der Supermarktwelle 400.000 Lebensmittelfachhändler aus dem Markt verdrängt worden sind, wird auch der Versandhandel hunderttausenden von Innenstadtfachhändlern das Überleben unmöglich machen, denn der Innenstadtfachhändler arbeitet mit höchsten Raumkosten (Mieten), Personalkosten (Fachpersonal) und Steuern, während der Versandhandel auf dem Land mit Billigraumkosten, Billiglöhnern und wie Amazon ¹ steuerfrei liefern kann. Dazu sind die digitalen Angebote rund um die Uhr, während der Einzelhandel nur feste Geschäftszeiten haben darf.

    Die Wettbewerbsbedingungen sind also unfair zu Gunsten der Großen und zu Lasten des Mittelstandes, so dass viele Mittelständler dies nicht überleben werden, weil die Politik nicht für fairen Wettbewerb sorgt.


2. In gleicher Weise strukturiert die Digitalisierung unsere Dienstleistungsbranchen um.
  • Früher war ein Anwalt so gut wie seine Bibliothek. Heute braucht er keine Bücher mehr, sondern kann sich seine aktuellsten Rechtskenntnisse und Schriftsätze aus dem Internet ziehen, ist also so gut wie seine Digitalkapazität.

  • Auch in der Medizin ist nicht nur die Diagnose, sondern auch die Therapie schon weitgehend digitalisiert, weiß das Internet die Symptome und die notwendigen Therapiemaßnahmen oft besser als ein Durchschnittsarzt.

  • War früher der Schwerpunkt der Neugründungen ein neues Produkt oder ein neuer Vertriebsweg, sind heute die meisten "Start-ups" im Digitalbereich und Digitalservice.

  • Nicht nur beginnt die Digitalisierung, alle Wirtschaftsbereiche aller Unternehmen zu dominieren, sondern bietet auch gegenüber der traditionellen arbeitsintensiven Produktion oder Dienstleistung entscheidende Kostenvorteile, so dass der Wettbewerb für alle immer weitere Digitalisierung erzwingt. Mittelständische Unternehmen haben also gegenüber den digitalisierten (meist Groß-)Unternehmen nur da noch eine Chance, wo individuelle Produktion oder Dienstleistung von den digitalisierten Serien- oder Massenanbietern nicht erreicht wird.

  • Mit der staatlichen Corona-Intervention ist allein die mittelständische individuelle Produktion und Dienstleistung staatlich ausgebremst, das Serien- und Massenangebot der Großunternehmen dagegen unbehelligt geblieben. Mit anderen Worten: der staatliche Wirtschaftsstopp hat den Mittelstand ausgebremst, nicht die Konzerne ² und hat zugleich einen Digitalisierungsschub in der Wirtschaft zugunsten der Internetanbieter gebracht, damit also den ohnehin laufenden Strukturwandel abrupt zu Ungunsten des Mittelstandes verschärft. Mehr als eine halbe Million mittelständischer Betriebe werden dies nicht überleben, sollten nicht glauben, sie können da wieder anfangen, wo sie vor Corona aufgehört haben.



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