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Finanzmarkt mit "Fed-Blues" - Klartext zu FOMC - China: Mahnung an Berlin

03.11.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 0.9831 (05:46 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 0,9811 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 147,27. In der Folge notiert EUR-JPY bei 144,78. EUR-CHF oszilliert bei 0,9851.


Finanzmärkte mit "Fed-Blues"

Die nervöse Haltung an den Finanzmärkten wich gestern kurz nach Veröffentlichung der US-Zinsentscheidung einer risikofreundlichen Haltung, die dann in eine risikoaverse Einstellung umschlug.

Hintergrund des Stimmungsumschwungs war, dass der Chef der Fed zunächst die Möglichkeit zukünftig kleinerer Schritte in den Raum stellte (Risikobereitschaft erhöht), um dann aber zu betonen, dass dieses Thema zweitrangig sei. Entscheidender sei es, auf welches Niveau insgesamt erhöht werden müsse und wie lang die restriktive Haltung erforderlich sei (Risikobereitschaft vermindert).

Am Ende standen Verluste an den Aktienmärkten auf der Agenda. In den USA waren sie ausgeprägter als in Europa (Späthandel). Asien verliert ebenfalls heute früh prozentual weniger stark.

Am Kapitalmarkt ergeben sich kaum neue Erkenntnisse. 10 jährige Bundesanleihen rentieren heute früh mit 2,13% (Vortag 2,13%), während US-Staatsanleihen mit 10 jähriger Laufzeit es auf 4,12% bringen (Vortag 4,06%). Ergo bewertet der Kapitalmarkt das Resultat der Offenmarktausschusssitzung weniger dramatisch als der Aktienmarkt.

Der USD konnte als Folge der Verbalakrobatik der US-Notenbank an Boden gewinnen. Nach zwischenzeitlichen Spitzenkursen im US-Handel bei 0,9975 verlor der Euro gegenüber dem USD bis auf 0,9811 in Fernost.

Die edlen Metalle kamen unter Druck. Nachdem der Goldpreis sich zwischenzeitlich in der Spitze bis auf 1.664 USD befestigen konnte, kam es dann zu Abverkäufen bis auf 1632 USD. Aktuell konsolidiert der Goldpreis bei 1637 USD pro Unze.

Als Fazit lässt sich ziehen, dass der Aktienmarkt insbesondere in den USA unter einem „Fed-Blues“ leidet. Der USD profitiert zunächst vom "Fed-Blues", während die Kapitalmärkte weniger stark beeindruckt sind.


Klartext zu FOMC: Fed erhöht Leitzins auf 3,75% - 4,00%

Erwartungsgemäß hat der Offenmarktausschuss die Fed Funds Target Rate um 0,75% auf 3,75% - 4,00% erhöht. Der Anlagezins wurde ebenfalls um 0,75% auf jetzt 3,90% angepasst. Fed Chef Powell betonte, dass die Frage, wann die Höhe der Zinsanpassungen moderiert würde, unwesentlicher sei, als die Frage, wie hoch die Zinsen insgesamt erhöht werden müssten und wie lange der restriktive Kurs gehalten werden müsse.

Kommentar: Powells Statement ist sachlich nicht anfechtbar. Gerade vor dem Hintergrund der brachialen Fehleinschätzungen der westlichen Notenbanken in der Vergangenheit, gilt es, Glaubwürdigkeit wieder zu erlangen. Es geht darum Inflationserwartungen einzudämmen. Diesbezüglich hat Powell gestern geliefert. Inhaltlich gab es eine Analogie zu den Aussagen der EZB-Chefin Lagarde über den weiteren Pfad als auch das Ziel der Politik..

Powell sagte, dass die US-Notenbank sowohl auf den Sektor des US-Arbeitsmarktes als auch auf den Sektor der Inflation fokussiert sei. Die Entwicklungen in beiden Sektoren liefern Raum für weitere Zinserhöhungen.

Kommentar: Kein fundamentaler Widerspruch. Anzumerken ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer entspannteren Lage bei den Verbraucherpreisen (weniger bei der Kernrate) und den Erzeugerpreisen vor dem Hintergrund fallender Rohstoffpreise hoch ist. Darauf wird seitens der Fed-Gouverneure in den kommenden Wochen abgehoben werden.

In dieser Phase maßgeblich ausgeprägter Konjunkturschwäche gibt es im Vergleich zu anderen Schwächephasen im historischen Kontext eine Anomalie, widerstandsfähige Arbeitsmärkte. Das ist ein Phänomen nicht nur in den USA. Diese Resilienz hat viele Gründe, einer davon ist die Demographie, ein anderer Aspekt ist die Polit-Ökonomie. Anzumerken ist, dass Arbeitsmarktdaten nachlaufende Wirtschaftsindikatoren sind. Ergo besteht das Risiko, dass diese Form der bisherigen Resilienz nicht dauerhafter Natur ist.

Die Erwartungen hinsichtlich der nächsten Zinsschritte der US-Notenbank haben sich nach den Einlassungen zunächst erhöht. Das hat kurzfristige Marktwirkungen zur Folge.



Mahnung an Berlin

Vor dem China-Besuch von Kanzler Scholz warnen die deutsche Automobilindustrie und der Mittelstand vor den Gefahren eines wirtschaftlichen Bruchs mit China. Vertreter der Automobilindustrie ließen verlauten, dass die Antwort auf die Krisen unserer Zeit keine Abkehr von der Globalisierung und der internationalen Kooperation sein könne oder dürfe. Eine Entkopplung von China sei nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geostrategisch falsch. Es gelte, Abhängigkeiten abzubauen, das bedeute nicht, sich abzuwenden.

Das Geschäft mit China sichere in Deutschland viele Arbeitsplätze. China versorge uns mit wichtigen Rohstoffen, die wir selbst nicht besitzen und auch nicht über alternative Handelsabkommen sicherstellten. Der Mittelstand (BVMW) sieht China auf absehbare Zeit als wichtigsten Handelspartner. Diese Stellung ohne eine passende Alternative von jetzt auf gleich zu riskieren, wäre töricht und in der jetzigen wirtschaftlichen Situation Deutschlands nicht förderlich. Daher könne der Rat nur sein, kein chinesisches Porzellan zu zerschlagen.

Deutschland brauche deutlich mehr Kooperationsabkommen und bilaterale Handelsabkommen mit Regionen, in denen die deutsche Wirtschaft noch nicht ausreichend etabliert sei und wo sich andere bereits Märkte, Rechte und Ressourcen sicherten. Hier dürfe man keine Zeit verlieren.

Kommentar: Es wäre vollständig blauäugig, die Kräfte des normativ Faktischen auszublenden. Das ist die Kernbotschaft der beiden Verbände. China stellt circa 20% des Welt-BIP auf Basis Kaufkraftparität, die USA rund 15%. "Food for thought!"


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Daten lauwarm

Der von S&P ermittelte Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes stellte sich laut finaler Berechnung per Oktober auf 46,4 Punkte (Prognose und vorläufiger Wert 46,6).

Deutschland: Die Handelsbilanz lieferte per September einen Überschuss in Höhe von 3,7 Mrd. EUR (Prognose 0,7 Mrd. EUR) nach zuvor 1,2 Mrd. EUR. Exporte sanken im Monatsvergleich um 0,5% (Prognose +0,1%) nach zuvor +2,9% (revidiert von +1,6%), während Importe um 2,3% fielen (Prognose -0,4%) nach zuvor +4,9% (revidiert von +3,4%). Deutschland: Die Arbeitslosenrate verharrte erwartungsgemäß per Oktober bei 5,5%. Die Zahl der Arbeitslosen stieg saisonal bereinigt um 8.000 auf 2.518.000.


USA: ADP-Report positiv

Der ADP-Beschäftigungsreport lieferte per Oktober mit 239.000 neu geschaffenen Stellen in der Privatwirtschaft (ohne öffentliche Beschäftigung, Prognose 195.000) nach zuvor 192.000 neuen Jobs (revidiert von 208.000). Der MBA Hypothekenmarktindex sank in der Berichtswoche per 28. Oktober 2022 von 201,1 auf 200,1 Zähler (niedrigster Stand seit 06/1997).


China: Dienstleistungssektor schwächer

Der von Caixin berechnete Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors verzeichnete per Oktober einen Rückgang von 49,3 auf 48,4 Punkte.


Russland: Schwaches BIP, schwacher Einzelhandel

Das BIP sank per September im Jahresvergleich um 5,0% nach zuvor -4,0% (zunächst -4,1%). Die Einzelhandelsumsätze sanken per September im Jahresvergleich um 9,8% nach -8,8%. Die Arbeitslosenrate stellte sich per September auf 3,9% nach zuvor 3,8% (Allzeittief). Reale Löhne fielen im Jahresvergleich per August um 1,2% nach zuvor -3,2%.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein Überschreiten des Widerstandsniveaus bei 1.0300 - 1.0330 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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Hinweis Redaktion: Herr Hellmeyer ist Referent der diesjährigen Internationalen Edelmetall- und Rohstoffmesse, die am 4. & 5. November 2022 in München stattfindet.


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