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Fed drosselt, aber ... - Scholz zu Irrtümern - IW und IFO mit Prognosen per 2023

15.12.2022  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0650 (05:54 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0620 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 135,63. In der Folge notiert EUR-JPY bei 144,44. EUR-CHF oszilliert bei 0,9863.


Finanzmarkt: Fed drosselt, aber ...

Der Finanzmarkt reagierte negativ auf die gestrige US-Zinsentscheidung, die Fed Funds Rate Projektionen und die Verbalakrobatik des Chefs der US-Notenbank Jerome Powell.

Die Drosselung der Zinserhöhungstempos von 0,75% auf 0,50% war bereits vor der Sitzung von den Märkten diskontiert. Die Erhöhung der Fed Funds Rate Projektionen (siehe Datenpotpourri am Ende des Reports) als auch eine leicht falkenhafte Verbalakrobatik bei gleichzeitig reduzierter BIP Prognose seitens der Fed per 2023 von bisher 1,20% auf 0,50% verdarben Marktteilnehmern die Risikobereitschaft. Die Tatsache, dass die Preisdaten weiter unerwartet Entspannung lieferten (gestern US-Importpreise mit Anstieg von 2,7% im Jahresverglich nach zuvor 4,1%), spielte in diesem Kontext keine Rolle.

Die Aktienmärkte verloren im Tagesvergleich an Boden. Die US-Verluste waren jedoch überschaubar, sie wirken aber heute belastend in Richtung Asien und Europa. Am Kapitalmarkt wurde das Fed-Ereignis anders bewertet. Der Renditerückgang des Vortags wurde nicht revidiert. Die Rendite der 10 jährigen Bundesanleihe stellt sich heute früh auf 1,93% (Vortag 1,92%), die der 10 jährigen US-Staatsanleihe auf 3,49% (Vortag 3,49%).

Der USD bewegt sich gegenüber dem EUR weiter auf den höchsten Niveaus seit Juni 2022. Das nehmen wir zur Kenntnis. Reale Kapitalströme (einsetzende Produktionsstättenverlagerungen aus der EU in die USA), Finanzkapitalströme (US-Zinsvorteil), mangelnde politische EU-Handlungsfähigkeit, mangelnde EU-Handlungswilligkeit (NS1/NS2?), höhere EU-Inflation (realer Kaufkraftverlust), mehr strukturelle Risiken und mangelnder Pragmatismus sind Themen, die das Potential des Euros begrenzen. Edle Metalle verloren gestern gegenüber dem USD an Boden.

Heute geht der Fokus der Märkte Richtung Frankfurt (EZB-Ratssitzung), London (MPC Sitzung der Bank of England ́) und nach Zürich (Sitzung der Schweizer Nationalbank). Alle drei Zentralbanken werden mit höchster Wahrscheinlichkeit die Leitzinsen jeweils um 0,50% anheben. Damit bleibt es hinsichtlich der Zinsdifferenzen zum USD bei bekannten Abständen. Interessanter sind die öffentlichen Verlautbarungen. Die könnten Marktwirkung erzielen.


Kanzler Scholz: Putin hat sich vollständig verrechnet

Bundeskanzler Scholz äußerte gestern in seiner Regierungserklärung vor dem anstehenden EU-Gipfel, dass kein einziger von Putins Plänen aufgegangen sei. Putin hätte sich in seiner gesamten Einschätzung bezüglich der Invasion in der Ukraine und der Reaktionen darauf verrechnet.

Kommentar: Wir kennen und kannten nicht die genauen Pläne Moskaus. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt Herr Scholz richtig. Was Herr Scholz aber nicht sagt, ist interessanter, denn nicht nur Moskau hat sich geirrt, sondern auch Europa.

• Der Westen steht mit seiner Politik isolierter als jemals dar, ablesbar an der Nicht-Sanktionsteilnahme des Rests der Welt. Die nicht westliche Welt organisiert sich wie nie zuvor als Folge der Krise und des unilateralen Machtanspruchs der USA (u.a. BRICS).

• Der Konflikt verdeutlicht heterogene Interessenlagen innerhalb der EU wie nie zuvor.

• Mehr noch, wurde den europäischen Bürgern nicht bei Beginn des Konflikts ein ganz anderes Szenario mit der "Mutter aller Sanktionen" feil geboten?

• Hat man seitens Berlins und Brüssels gesagt, dass sich wegen des Nato-Mitgliedschaftsthemas der Ukraine und der Verweigerung des Westens seit 1997 mit Moskau die Sicherheitsarchitektur Europas ernsthaft zu erörtern existentielle Risiken für den Standort Europa mit massiven Verarmungstendenzen ergeben würden?

• Hat man in Berlin und Brüssel die Politik der USA antizipiert, die Schwäche Europas auszunutzen, unseren Standort auszuweiden?

• Hat man sich in der so genannten "transatlantischen Freundschaft" diesbezüglich in Naivität gebadet?

• Lernt man denn aus den Fehleinschätzungen in Europa oder hält man an den Irrtümern von gestern und heute stoisch in ideologischer Manier fest? (!!!)

• Würdigt man die Stimmen, die rechtzeitig vor diesen eingetretenen Szenarien warnten? Eine rein quantitative Betrachtung dazu: Das BIP der Ukraine stellte sich vor dem Ukraine-Konflikt per 2021 auf circa 200 Mrd. USD. Die USA haben per 2022 circa 100 Mrd. USD an Unterstützungsleistungen geliefert. Alleine die deutsche Bundesregierung sah sich gezwungen ein Unterstützungspaket in Höhe von 200 Mrd. EUR bis Mitte 2024 aufzulegen, um den akuten Kollaps der Unternehmen und der privaten Haushalte in Deutschland zu verhindern ...



IW-Köln und IFO BIP Prognosen

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) blickt angesichts der Energiekrise pessimistisch auf das Jahr 2023 und erwartet eine BIP-Kontraktion um 0,75%. Die Prognose des IFO-Instituts liegt bei "nur" -0,10%. IW-Direktor Hüther sagte, die hohen Energiepreise hätten das Leben der Menschen und Unternehmen stark verteuert und das Land ausgebremst.

2023 würde es kaum besser. Wir würden uns wohl oder übel an horrende Energiepreise gewöhnen müssen. Unternehmen würden dadurch weniger investieren und produzieren.

Kommentar: Kein Widerspruch, das Thema Investition/Kapitalstock wird zur Hypothek für die aktuelle Generation, aber noch mehr für kommende Generationen. Merci Team Scholz/Habeck!

IW-Konjunkturforscher Grömling meinte, wie schwer diese Krise ausfallen würde und wie lange sie dauere, hinge stark von der weiteren Entwicklung der Energiekrise ab. Über allem schwebe die geopolitische Gefahr, die von dem Ukraine-Konflikt ausgehe.

Kommentar: Zustimmung, wir leben in einem energetischen Zeitalter. Ohne ausreichende und bezahlbare Energie (Konkurrenzfähigkeit) geht nichts, gar nichts! Das 200 Mrd. EUR Paket kauft Zeit bis Mitte 2024. Es stellt nicht ansatzweise eine strukturelle Lösung dar.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden


Eurozone: Industrieproduktion im Monatsvergleich schwach

Die Industrieproduktion der Eurozone sank per Oktober im Monatsvergleich um 2,0% (Prognose -0,5%) nach zuvor +0,8% (revidiert von +0,9%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Plus in Höhe von 3,4% (Prognose 3,4%) nach zuvor 5,1% (revidiert von 4,9%).


UK: Preisdruck im Jahresvergleich leicht rückläufig

Die Verbraucherpreise stiegen per November im Monatsvergleich um 0,4% (Prognose 0,6%) nach zuvor 2,0%. Im Jahresvergleich kam es zu einer Zunahme um 10,7% (Prognose 10,9%) nach zuvor 11,1%. Die Kernrate der Verbraucherpreise legte per November im Monatsvergleich um 0,3% (Prognose 0,5%) nach zuvor 0,7% zu. Das übersetzte sich in einen Anstieg im Jahresvergleich um 6,3% (Prognose 6,5%) nach zuvor 6,5%.


USA: Fed erhöht um 0,50% und setzt FFR-Projektionen höher

Offenmarktausschusssitzung der Federal Reserve:
  • Leitzins: 4,25% - 4,50% (+0,50%)
  • Analagezins: 4,40% (+0,50%)
  • Fed Funds Projektion 1 Jahr: 5,10% (+0,50%)
  • Fed Funds Projektion 2 Jahre: 4,10% (+0,20%)
  • Fed Funds Projektion 3 Jahre: 3,10% (+0,20%)

Die Prognose für das BIP-Wachstum der USA wurde seitens der US-Notenbank von bisher 1,2% auf 0,5% gesenkt. Die Importpreise fielen per November im Monatsvergleich um 0,6% (Prognose -0,5%) nach zuvor -0,4% (revidiert von -0,2%). Im Jahresvergleich lag der Anstieg bei 2,7% nach zuvor 4,1% (revidiert von 4,2%). Der MBA-Hypothekenmarktindex legte in der Berichtswoche per 9. Dezember 2022 von zuvor 204,2 auf 210,7 Zähler zu.


Japan: Handelsbilanz mit 16. Defizit in Folge

Exporte verzeichneten per November einen Anstieg im Jahresvergleich um 20% (Prognose 19,8%) nach zuvor 25,3%, während Importe um 30,3% zulegten (Prognose 27,0%, Vormonat 53,5%). Die Handelsbilanz wies ein Defizit in Höhe von 2.027 Mrd. JPY (Prognose 1.680 Mrd. JPY) nach zuvor 2.166 Mrd. JPY aus.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das bei dem Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung favorisiert.

Viel Erfolg


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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