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Märkte: Volatilität, aber keine Trendbewegung - Lindner zu EU-Schuldenregeln, Einwertung

15.02.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0718 (05:28 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0708 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 133,01. In der Folge notiert EUR-JPY bei 142,57. EUR-CHF oszilliert bei 0,9894.


Finanzmärkte: US-CPI-Daten forcieren Volatilität, aber keine neuen Trendbewegungen

Gestern zeigten die Märkte nach der Veröffentlichung der US-Verbraucherpreisdaten erhöhte Volatilität, um am Ende ultimativ nur wenig verändert zu schließen.

Hintergrund ist, dass die US-Preisdaten für Bullen und Bären Munition lieferten. Einerseits ging die Verbraucherpreisinflation auf Jahresbasis von 6,5% auf 6,4% zurück, aber andererseits nicht ganz so stark wie erwartet (Prognose 6,2%). Die Revisionen der vorherigen Preisdaten führten zu einem etwas höheren Ausweis auf Jahresbasis. Ergo wurde die Preisinflation zuvor marginal unterschätzt. Auf Monatsbasis kam es bei den Anstiegen zu Punktlandungen hinsichtlich der Erwartungshaltung (+0,5% bei CPI, +0,4% bei Kernrate).

Fakt ist, dass als Folge dieser Veröffentlichung die Erwartungen für etwas weiter gehende US-Zinserhöhungen leicht forciert wurden. Diese Erhöhung des potentiellen Diskontierungsfaktors für Aktienmärkte dämpfte Risikofreude an den Aktienmärkten. Der zwischenzeitliche Ausbruch (DAX über 15.500) wurde in Teilen konterkariert (DAX Späthandel 22 Uhr 15.457). Auffällig bleibt, dass bezüglich des Späthandels Europas Aktienmärkte mehr Widerstandskraft zeigten als die US-Märkte (DAX und EUROSTOXX im Plus, Dow und S&P leicht im Minus). Da die europäische Aktienkultur unausgeprägt ist, legt diese Entwicklung ausländisches Kaufinteresse nahe.

An den Rentenmärkten kam es als Konsequenz der US-Preisdaten zu einer leichten Zinsversteifung. 10 jährige Bundesanleihen rentieren heute früh mit 2,41% (Vortag 2,37%), während US-Staatsanleihen mit 10 jähriger Laufzeit 3,74% (Vortag 3,70%) abwerfen. Der EUR konnte gegenüber dem USD in der Spitze bis auf über 1,08 zulegen, um dann im weiteren Verlauf wieder an Boden zu verlieren. Dabei war der Markt auf US-Verbraucherpreise fokussiert.

Die positiven Datensätze aus der Eurozone, unter anderem ein neuer Beschäftigungsrekord in der Eurozone (mehr als 165 Millionen) oder Frankreichs Arbeitslosenquote auf niedrigsten Niveaus seit Jahrzehnten, spielten im Tagesgeschäft keine tragende Rolle. Gold und Silber verloren gestern gegenüber dem USD an Boden. Hartnäckigere Inflation bekommt den edlen Metallen zunächst nicht, die Betonung liegt auf „zunächst“.


Lindner zu EU-Schuldenregeln - Eine Einwertung

Finanzminister Lindner hält die EU-Kommissionspläne zu Schuldenregeln für nicht zustimmungsfähig. Die klassischen Maastricht-Kriterien, maximal 3% Neuverschuldung und 60% Gesamtverschuldung, stünden nicht zur Disposition.

Kommentar: Haushaltsdisziplin ist für nachhaltige Entwicklungen unumgänglich. Von daher ist Lindner grundsätzlich zuzustimmen. Das Paket, das jetzt in Brüssel geschnürt wird, muss dem Rechnung tragen. Gleichzeitig ist es von Bedeutung, dass die Maßgaben auch eine Realitätsnähe aufweisen, um Glaubwürdigkeit in sich tragen zu können.

Hintergrund: Fakt ist, dass die Maastricht-Kriterien aus den frühen 90er Jahren kommen. Sie spiegelten die Erfahrungswerte in der Haushaltspolitik bis zu diesem Zeitpunkt. Sie sind darüber hinaus Ausdruck von unbestechlichen Tragfähigkeitsberechnungen (bei normalen Zinskurven), die nicht anfechtbar sind. Die Realität, der sich die Haushälter in den Folgejahren bis heute stellen mussten, war von massiven und teils existentiellen Krisen geprägt, die zu einer Aufweichung in der Haushaltspolitik geführt haben.

Die Ausweitung der Verschuldung und die darin innewohnenden Risiken wurden dann durch eine politische Manipulation des Zinses durch westliche Notenbanken in ihrer Wirkung nivelliert (Zinsniveau und Zinskurve).

Aktuell: Die öffentlichen Haushalte werden in einer Durchschnittsbetrachtung mit einer Laufzeit von circa 7-8 Jahren gestaltet. Das heißt, dass "nur" die Neuverschuldung und der Ersatz auslaufender Anleihen dem höheren Zinsniveau ausgesetzt sind.

Anders ausgedrückt wirkt die mehr als 10 Jahre andauernde Niedrigzinsphase noch auf circa 7 Jahre entlastend auf die öffentlichen Haushalte bei fraglos abnehmender Tendenz


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Zum Verständnis ist es wesentlich, dass nicht das reale, also das inflationsbereinigte BIP, sondern das nominale BIP zur Berechnung herangezogen wird. Ergo "frisst" die Inflation Teile der Verschuldung. Ergo kommt es trotz hoher Neuverschuldung (höher als das reale BIP) partiell sogar zu Rückgängen in der Gesamtverschuldungsrate (siehe u.a. UK).

Fazit: Die Daten belegen, dass die Eurozone bezüglich der Maastricht Kriterien einen weiten Weg zu gehen hat. Sie können nur als ein sehr langfristiges Ziel dienen. Sie sollten verankert bleiben, aber Deutschland täte gut daran, Pragmatismus und Diplomatie diesbezüglich walten zu lassen, keinen lauten Aktionismus, der auf die Innenpolitik schielt und außenpolitisch Schäden generiert, denn Deutschland ist innerhalb Europa erkennbar sehr isoliert.



Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Daten liefern positive Impulse

Das BIP verzeichnete per 4. Quartal 2022 eine Zunahme im Quartalsvergleich um 0,1% (Prognose 0,1%). Im Jahresvergleich übersetzte sich das Ergebnis in einen Anstieg um 1,9% (Prognose 1,9%).

Die Beschäftigung nahm per 4. Quartal 2022 in der Eurozone im Quartalsvergleich um 0,4% (Prognose 0,2%) nach zuvor 0,3% auf 165,07 Millionen zu (Vorquartal 164,48 Mio.). Damit wurde ein neuer Rekord markiert.

Deutschland: Die Großhandelspreise legten per Januar im Monatsvergleich um 0,2% nach zuvor -1,6% zu. Im Jahresvergleich kam es mit 10,6% nach zuvor 12,8% zum geringsten Anstieg seit Juni 2021 (lange vor dem Ukraine-Konflikt).

Frankreich: Die Arbeitslosenquote nach der Definition der ILO sank per 4. Quartal 2022 von zuvor 7,3% auf 7,2% (Prognose 7,3%) und markierte den niedrigsten Stand seit dem 2. Quartal 2020 (7,1%). Diese für Frankreich niedrigen Niveaus von 7,1% - 7,2% wurden seit 1982 nur viermal erreicht (1982, 2008, 2020 und jetzt 2023).


UK: Arbeitslosenrate weiter auf niedrigem Niveau

Die Arbeitslosenrate nach ILO-Definition stellte sich per Dezember erwartungsgemäß unverändert auf 3,7%


USA: Verbraucherpreise im Jahresvergleich einen Tick höher

Die US-Verbraucherpreise nahmen per Januar im Monatsvergleich um 0,5% (Prognose 0,5%) nach zuvor 0,1% zu. Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg um 6,4% (Prognose 6,2%) nach 6,5% ein. Die Kernrate der Verbraucherpreise verzeichnete per Januar im Monatsvergleich eine Zunahme um 0,4% (Prognose 0,4%) nach zuvor 0,4%. Im Jahresvergleich über setzte sich das in ein Plus in Höhe von 5,6% (Prognose 5,5%) nach 5,7%.

Der NFIB Index, der den Optimismus kleiner Unternehmen abbildet, stellte sich per Januar auf 90,30 nach zuvor 89,80 Punkte. Das Niveau bleibt trotz des Anstieg historisch betrachtet niedrig

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das bei dem Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung favorisiert.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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