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US-Erzeugerpreise belasten - EZB Zinspolitik: Panetta moderat - Habecks Begehrlichkeiten

17.02.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0640 (05:36 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0634 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 134,73. In der Folge notiert EUR-JPY bei 143,30. EUR-CHF oszilliert bei 0,9879.


Finanzmärkte: US-Erzeugerpreise belasten

Risikobereitschaft war bis zur Veröffentlichung der US-Erzeugerpreise an den Finanzmärkten gewährleistet. Am Morgen konnte sich so beispielsweise der DAX bis auf 15.658 Punkte befestigen. Nach der Veröffentlichung der Daten verkehrte sich die Situation in Richtung Risikoaversion, da die US- Erzeugerpreise im Jahresvergleich nicht so stark sanken, wie vom Markt erwartet (siehe Datenpotpourri).

Im Vergleich zur Eurozone ist der Anstieg der US-Erzeugerpreise von jetzt 6,0% (Eurozone 24,6%) nach zuvor 6,5% jedoch nahezu als vollständig unproblematisch zu deklarieren. Zudem war es der geringste Anstieg seit März 2021, also lange vor dem Ukraine-Konflikt zu einer Zeit als die Negativzins-Politik in den USA und der Eurozone vollständig verankert war. Der US- Zinserhöhungszyklus begann erst am 16. März 2022 ausgehend von 0,25%. Anders ausgedrückt hat sich der Finanzmarkt gestern in einem relativen und jüngeren historischen Kontext mit einem „Luxusproblem“ beschäftigt.

Fakt ist, dass die Aktienmärkte, allen voran die US-Märkte, unter Druck kamen. Einmal mehr kommt es zu einer besseren Performance der europäischen Aktienmärkte.

Am Rentenmarkt ergab sich ein heterogenes Bild, das aber in nachvollziehbarem Kontext mit der Veröffentlichung der US-Erzeugerpreise steht. Während es bei der 10 jährigen Bundesanleihe zu einem zarten Anstieg der Rendite von 2,46% auf 2,47% kam, ergab sich bei den 10 jährigen US-Staatstiteln ein Renditeanstieg von 3,79% auf jetzt 3,89%. Ergo kam es eine Ausweitung der Zinsdifferenz zu Gunsten des USD um 9 Basispunkte.

An den Währungsmärkten zeitigte die Veröffentlichung der US-Erzeugerpreise Wirkung. Der USD profitierte gegenüber dem EUR. In Fernost wurde heute ein Tiefstkurs des EUR bei 1,0634 markiert.

Wenn der USD gefragt ist, haben es die edlen Metalle schwer. Hier kam es zu weiteren Rückgängen. Gold notierte heute früh bei unter 1830 USD und markiert die tiefste Bewertung gegenüber dem USD seit Jahresbeginn 2023.


EZB-Ratsmitglied Panetta für kleinere Zinsschritte

Die weitere Inflations- und Zinsentwicklung ist von hervorgehobener Bedeutung für die Finanzmärkte. Heute werfen wir einen Blick auf die EZB, da gestern diverse Einlassungen unterschiedlicher Protagonisten dafür Anlass geben.

Hintergrund: Zuletzt war das Zinsentscheidungsgremium der EZB in fester Hand der "Falken", die für eine konservative Zentralbankpolitik und damit für eine Stabilitätspolitik stehen, nachdem die EZB-Politik seit 2007/2008 von den "Tauben" bestimmt war.

Kommentar: Diese Wende in der Zinspolitik der EZB war aus existentiellen Gründen mit exogenem Hintergrund erzwungen, ergo keine Kür aus intellektuellem Erkenntnisgewinn bezüglich des Zentralbankpolitiktheorems, nachdem die Eurozone im Zuge der Ukraine-Krise durch die EU-Politik von Preisschocks und daraus resultierenden Verwerfungen im Mark getroffen war (Sommer/Herbst 2022: Erzeugerpreise bei 43,3%, Verbraucherpreise bei 10,6%, Handelsbilanzdefizit bei 47 Mrd. EUR, EUR/USD Verfall auf unter 0,95). Frühere "Tauben" füllten das Lager der konservativen Zentralbanker um Joachim Nagel. Wie geht es jetzt weiter?

EZB-Ratsmitglied Panetta mahnte, wegen der fallenden Inflationsraten bei den Zinserhöhungen einen Gang runterzuschalten. Die Zinsen würden sich im restriktiven Bereich bewegen. Die Inflation könne Ende 2023 unter 3% sinken. Es käme auf das Ausmaß der Zinserhöhungen und die Dauer der Phase der Zinserhöhungen an. Die Politik kleinerer Schritte ermögliche eine bessere Kalibrierung hinsichtlich der Folgen der Zinspolitik. Die EZB müsse sowohl das Risiko, zu wenig zu unternehmen als auch das Risiko zu stark zu straffen, berücksichtigen.

Kommentar: Diese Einlassung ist weise. Sie stellt den Zinserhöhungszyklus nicht in Frage, es geht um deren Moderierung, um unnötige Kollateralschäden auf Basis volkswirtschaftlicher und historischer Erkenntnisse zu vermeiden. Dazu lieferte der Chefvolkswirt der EZB Lane eine Steilvorlage. Er sagte gestern, dass die Zinsschritte der EZB die Finanzierungsbedingungen verschärften und dass ein großer Teil der Effekte der bisherigen Zinsmaßnahmen noch in der "Pipeline" sei.

In der Tat gibt es eine Zeitverzögerung bis die volle Wirkung dieser Medizin eintritt (Aristoteles). Zudem ist zu bedenken, dass diese Verwerfungen an der Preisfront und deren weitere ökonomische Konsequenzen durch die EU-Politik ausgelöst wurden. Kann EZB-Politik diese Folgen der EU-Politik heilen? Nein. Europa braucht bezüglich der aktuellen Herausforderungen eine funktionierende und tragfähige Ökonomie. Ergo ist Maß und Mitte von hoher Bedeutung in der weiteren EZB-Politik.


Fazit: Die Vorfestlegung der EZB auf einen Zinsschritt um weitere 0,50% im März ist laut Frau Lagarde gesetzt. Ein weiterer Zinsschritt um 0,50% oder bis zu zwei Schritte in Höhe von 0,25% bis in den Sommer sind realistisch. Ergo liegt das realistische Hoch in der EZB-Zinspolitik bei voraussichtlich 3,75% - 4,00%.


Deutschland: Habeck zeigt Begehrlichkeiten und fordert Einnahmeverbesserungen


Bundesfinanzminister Lindner kritisierte Wirtschaftsminister Habeck, der ihm einen Brief geschrieben hatte und Einnahmeverbesserungen forderte. Lindner sagte, das sei das modische Wort für Steuererhöhungen. Lindner lehnt dieses Ansinnen ab. Eigentlich müssten die Steuersätze seiner Meinung nach gesenkt werden. Das sei in der Regierung mit SPD und Grünen momentan aber nicht denkbar.

Kommentar: Nur eine Leistungsgesellschaft kann sich eine üppige Sozialpolitik leisten und Unterstützung für dritte Länder ermöglichen. Das "grüne" Ansinnen stellt einen Angriff auf dieses Modell dar, das uns trägt. Seit Anfang der 70er Jahre wird das Modell der Leistungsgesellschaft geschliffen (auch "kalte Progression"). Wie lange geht das noch gut?


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

USA: Erzeugerpreise höher als erwartet, schlechte Stimmung in Philadelphia

Die Erzeugerpreise stiegen per Januar im Monatsvergleich um 0,7% (Prognose 0,4%) nach zuvor -0,2% (revidiert von -0,5%). In der Folge stellte sich der Anstieg im Jahresvergleich auf 6,0% (Prognose 5,4%) nach zuvor 6,5% (revidiert von 6,2%).

Der Philadelphia Fed Business Index sank per Februar unerwartet von zuvor -8,9 auf -24,3 Zähler (Prognose -7,9). Das war der tiefste Indexwert seit Mai 2020 (Corona). Vor Corona war der Index nur im Jahr 2009 tiefer.

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Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich per 11. Februar auf 194.000 (Prognose 200.000) nach zuvor 195.000 (revidiert von 196.000).

Neubaubeginne sanken per Januar im Monatsvergleich um 4,5% auf annualisiert 1,309 Mio. Objekte (Prognose 1,360 Mio.). Baugenehmigungen legten um 0,1% auf 1,339 Mio. zu (Prognose 1,350 Mio.).

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Russland: Devisenreserven niedriger

Die Devisenreserven sanken per 10. Februar von zuvor 601,0 Mrd. USD auf 589,0 Mrd. USD.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das bei dem Währungspaar EUR/USD eine neutrale Haltung favorisiert.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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