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Wenn’s ums Geld geht: Vertrauen ist gut, Gold ist besser

01.05.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. *Siehe Anmerkungen unter Abb. 2.


Der hypothetische Goldpreis ist der Preis des Goldes, der sich dann ergeben würde, wenn die zwischen Goldpreis und US-Dollar-Geldmenge beobachtbare Trendfigur bei tatsächlich gegebener Geldmenge den Goldpreis maßgeblich bestimmt. Das Ergebnis dieser "Übung" ist in Abb. 3 dargestellt. Man erkennt eine "Preisübertreibung" von den späten 1979er bis zu den 1984er Jahren, ab etwa 1988 eine bis etwa 2006 langanhaltende "Unterbewertung" des Goldpreises, gefolgt von einer mächtigen "Überbewertung", die im Herbst 2011 ihren Hochpunkt erreichte und sich bis etwa 2014 wieder abbaute.

Ab etwa Frühjahr 2020 hat sich die bisher größte Unterbewertung des Goldpreises im Betrachtungszeitraum aufgebaut. Würde man sein Urteil allein auf diese Modellierung stützen, so käme man auf einen hypothetischen Goldpreis von etwa 3.000 USD/oz, während der aktuelle Goldpreis bei knapp 2.000 USD/oz liegt.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Ermittlung des hypothetischen Goldpreises unter anderem annimmt, dass der Goldpreis in vorhersehbarer Weise (nämlich durch die unterstellte Trendfigur) auf die Geldmenge beziehungsweise deren Veränderung reagiert. In den letzten Monaten ist die US-Geldmenge M2 deutlich gesunken, und das hat den Anstieg des hypothetischen Goldpreises abgeschwächt (ihn allerdings nicht gemindert, da die Trendfigur des Gold-Geldmengen-Verhältnisses annahmegemäß (zyklisch) steigt). Die "Lücke" zwischen dem hypothetischen Goldpreis und dem aktuellen Goldpreis ist in jedem Falle jedoch auffällig groß, signalisiert tendenziell eine starke Unterbewertung Goldes.


Hohes Vertrauen

Es drängt sich hier allerdings die Frage auf, warum das Gold gerade in der aktuell besonders schwierigen Marktphase (man denke hier nur an die Hochinflation, den Ukraine-Krieg, die wachsenden wirtschaftlichen und politischen Spannungen zwischen dem Westen und vielen nicht-westlichen Volkswirtschaften unter der Führung Chinas) derart stark unterbewertet sein sollte? Kann es vielleicht sein, dass sich eine strukturelle Änderung in der Bewertung des Goldes eingestellt hat? Dass die Marktakteure im Gold nicht mehr wie in den Jahrzehnten zuvor einen "sicheren Hafen" erblicken und es entsprechend nachfragen?

Ein solcher Verdacht ist nicht leichtfertig von der Hand zu weisen. Denn die Marktakteure haben ganz offensichtlich nach wie vor großes Vertrauen, dass es den Zentralbanken und Staaten gelingen wird, unliebsame Krisen abzuwenden; dass die Zentralbanken die Hochinflation (für die sie mit ihrer gewaltigen Geldmengenvermehrung gesorgt haben) wieder reduzieren werden; und dass vor allem auch die gewaltigen wirtschaftspolitischen Umwälzungen – Stichwort Abkehr von fossilen Brennstoffen und "Globalisierungsrückbau" – die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit letztlich auch die Schuldentragfähigkeit der Volkswirtschaften nicht übermäßig beeinträchtigen.

Selbst die Erschütterungen im US-Bankensystem waren so schnell vorbei, wie sie gekommen waren – dank dem Eingreifen der US-Zentralbank, die notleidenden Banken sofort per Kredit neues Geld bereitgestellt hat. Anleger und Investoren scheinen sich recht sicher zu fühlen, dass der Konjunktur und dem Finanzsystem – im Fall der Fälle – eine groß angelegte Rettungsaktion, ein "Mega-Bail-Out", zuteilwird. Und dies dürfte auch der Grund sein, warum die meisten Anleger und Investoren weiterhin auf den Fortgang, nicht auf ein abruptes Ende des Fiatgeldsystems setzen. Das ist eine Anlagestrategie, die dann aufgeht, wenn die Mehrheit mitspielt, wenn ihr Vertrauen ungebrochen bleibt.

Doch das fortgesetzte Abwehren von Krisen wird sehr wahrscheinlich ein Opfer haben – und zwar die Kaufkraft des Geldes. Sie wird absehbar weiter in die Knie gehen, wenn die Bezahlung offener Rechnungen wieder und wieder mit neu geschaffenem Geld erfolgt, und wenn immer neues Geld ausgegeben wird, um den chronischen Verschuldungsaufbau vor allem der Staaten zu finanzieren. Genau das ist ein guter Grund, physisches Gold und Silber als eine Art Versicherung im eigenen Portfolio zu halten. Die Edelmetalle sind quasi eine Versicherung, die im Zeitablauf an Wert gewinnt.

Darüber sollten keine Zweifel aufkommen, auch wenn die Preise der Edelmetalle nicht fortgesetzt steigen, sondern sich zeitweise auch einmal seitwärts bewegen.

Man überdramatisiert daher nicht, wenn man als Anleger sich dafür entscheidet, zumindest einen Teil des Portfolios physischem Gold und Silber anzuvertrauen – eine Entscheidung, die sich in den letzten gut 20 Jahren bestens bewährt hat.

Denn man sollte nicht übersehen, dass das aktuell "ungebrochene Vertrauen", das viele Investoren immer noch dem Fiatgeldsystem und den wirtschaftlichen und politischen Strukturen, die es hervorgebracht hat, entgegenzubringen scheinen, endlich ist. Es lässt sich jedoch nicht sagen, wie und wann das Vertrauen dem Misstrauen weicht. Wenn aber nicht in Zweifel zu ziehen ist, dass es einmal so kommt, dann macht es eben Sinn, physisches Gold und Silber als Versicherung im Portfolio vorzuhalten.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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