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Hand aufs Herz: Warum kaufen Sie eigentlich physisches Gold und Silber?

16.07.2023  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Gründen. Die einen erwerben nur deshalb ein Auto, weil es ihnen erträglich(er) macht, um von Hier nach Da zu kommen. Sie sind mit kostengünstigen Fahrzeugen vollauf zufrieden. Andere wollen demonstrieren, dass sie sich ein Auto leisten können, sie kaufen daher besonders große und prestigeträchtige. Egal, was es kostet, auch wenn sie empfindlich sind und häufig in die Werkstatt müssen. Wieder andere kaufen (häufig) Autos, weil sie Autofans sind: Sie erfreuen sich schlichtweg an der Fort- und Weiterentwicklung der Kraftfahrzeuge, an der Leistungserweiterung der Motoren, an neuen Annehmlichkeiten, die das Fahren noch genussvoller machen.

Was mit diesem einfachen Beispiel zum Ausdruck kommt, ist der Kern der subjektiven Wertlehre: Der Wert einer Sache ist nicht per se gegeben, er liegt vielmehr im Auge des Betrachters. Und etwas wird nur dadurch zu einem Gut (oder: Mittel), weil der Betrachter es aus seiner Sicht für geeignet hält (ob nun begründet oder unbegründet), um ihn seinem Ziel näherzubringen.

Wie verhält sich das bei den Edelmetallen Gold und Silber? Antwort: Grundsätzlich wie bei jedem anderen Gut auch entspringen die Werte, die die Menschen ihnen zuschreiben, einer subjektiven Beurteilung. Fragen wir genauer: Warum kaufen Menschen eigentlich heute noch physisches Gold (und physisches Silber)? Die Erfahrung zeigt: aus sehr unterschiedlichen Motiven.

Physisches Gold wird gekauft, weil Produzenten es für die Erzeugung ihrer Produkte benötigen. Man denke beispielsweise an die Herstellung von Handys: Angeblich stecken in jedem Mobile Phone durchschnittlich 30 bis 36 Milligramm physisches Gold.

Menschen kaufen auch physisches Gold, um sich damit zu schmücken (in Form von Ohrringen, Halsketten, Armreifen etc.); meist lässt sich allerdings das Schmücken mit Gold nicht eindeutig trennen von dem Motiv, Gold besitzen zu wollen, um damit seine Lebensersparnisse aufzubauen. Wiederum andere Menschen kaufen physisches Gold aufgrund numismatischer Leidenschaft, nicht selten verbunden mit der Erwartung, dass die historischen Münzen im Zeitablauf an Wert gewinnen.

Die Zentralbanken sind seit je her bedeutende Goldnachfrager. Auch heute noch halten sie fast ein Viertel des weltweit geförderten Goldbestands, und viele nicht-westliche Zentralbanken waren in den letzten Jahren wieder Netto-Goldnachfrager. Das Gold dient ihnen als Vertrauensanker, als Währungsreserve.

Es gibt unter den privaten Goldnachfragern viele, die das gelbe Metall nachfragen, weil sie im Gold quasi eine Versicherung erblicken gegen die Folgen von Finanz-, Wirtschafts- und Bankenkrisen, gegen den Kaukraftverlust von US-Dollar, Euro & Co. Das Gold wird aber auch nachgefragt in Form von Goldzertifikaten oder Gold-Exchange Trade Funds (ETFs). Hierbei handelt es sich vor allem um Anleger, die an der Preisentwicklung des Goldes zu partizipieren wünschen, die häufig kurzfristige Handelsstrategien verfolgen, die sich mit Gold-ETFs einfach und kostengünstig umsetzen lassen.

Anders als die Nachfrager von physischem Edelmetall befürchten Anleger von solcherart "Papiergold" in der Regel keine großen Kontrahenten- und Erfüllungsrisiken beziehungsweise halten sie für vertretbar gering, für akzeptabel. Institutionelle Investoren können sich meist im Goldmarkt nur durch Eingehen von Papiergold-Instrumenten positionieren: Sie brauchen unbedingt eine Wertpapierkennnummer, und die haben nur Gold-Zertifikate, Gold-ETFs, Gold-Optionen und -Futures, nicht aber physische Goldmünzen und -barren.

Es steht außer Frage, dass die Erklärung für die Wertschätzung, die die Menschen dem Gold entgegenbringen, sehr weit in die Geschichte zurückreicht – mehr als 5.000 Jahre, und schon 1.100 v. Chr. wurde Gold als Tauschmittel in Mexiko, Afrika und China verwendet.

In der Neuzeit diente das Gold den Menschen immer wieder als verlässliches Geld, meist im Zusammenhang mit Silber- und zuweilen auch Kupfergeld. Die wirklich große Zäsur kam erst am 15. August 1971, als die US-amerikanische Administration unter Präsident Richard Nixon (1913–1994) die Goldeinlösepflicht des US-Dollar aufhob. Seither sind alle bedeutenden Währungen der Welt uneinlösbares Geld, man spricht hier auch von Fiat-Geld.

Die meisten Zentralbanken haben jedoch an ihren Goldbeständen festgehalten (wenngleich auch einige von ihnen, wie die Bank von England, ihr Gold über die Jahre hinweg verkauft haben). Sich so ganz vom Gold lossagen, wollten die meisten Geldbehörden dann wohl doch nicht.

Die währungshistorische Erfahrung und das theoretische Wissen, dass ungedecktes Geld scheitern kann beziehungsweise scheitert, sitzt tief, und man sieht sich als gut beraten an, zumindest etwas Gold, das "ultimative Zahlungsmittel", für den Fall der Fälle vorzuhalten. Das verstärkte Aufkommen von Finanzinstrumenten in den letzten Jahrzehnten, insbesondere von Fondslösungen, die zugänglich wurden für Privatanleger, und der "Gewöhnungseffekt" an das ungedeckte Geldsystem haben im Laufe der Jahre vermutlich vielen Anlegern den Eindruck vermittelt, Gold sei als Element des Vermögensaufbaus verzichtbar, sei nur in (beziehungsweise vor) "Krisenphasen" attraktiv, sonst aber nicht.

Doch eigentlich sollten die letzten gut zwanzig Jahre zu einem Umdenken beigetragen haben. So ist seit Anfang 1999 bis heute der Goldpreis (in US-Dollar gerechnet) um durchschnittlich ungefähr 8,5 Prozent pro Jahr gestiegen – und hat damit besser abgeschnitten als so manches konkurrierende Finanzprodukt.

Um an dieser Stelle kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das Gold konkurriert nicht mit beispielsweise Aktien oder Häusern. Wer Gold als Geld einstuft, der betrachtet es als Alternative zu den ungedeckten Währungen. Und solange das Gold im Markt "geldnah" gehandelt wird, gibt es in der Tat gute Gründe zu vermuten, dass das Gold (über die Jahre hinweg gesehen) seinen Besitzer zumindest vor dem Rückgang der Kaufkraft der offiziellen Währungen bewahrt.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Menschen die monetäre Bedeutung des Goldes verlernen und vergessen könnten. Vermutlich nicht alle, aber doch vielen von ihnen könnte das Wissen über das Gold, vor allem als herausragende Geldart in der Menschheitsgeschichte, entgleiten.

Aus aktueller Sicht dürfte das jedoch vermutlich eher die Menschen im Westen betreffen, nicht die aus den großen aufstrebenden Volkswirtschaften: Die bedeutendsten Goldnachfrager stammen seit Jahren aus China und Indien: Im Jahr 2022 fragten die Chinesen 993,7 Tonnen Gold nach, das waren knapp 30 Prozent der weltweiten Goldnachfrage, die Inder fragten 797,3 Tonnen nach, also etwa 24 Prozent der gesamten Weltgoldnachfrage.

Man könnte befürchten, dass die Abkehr vom Gold gerade in der Zeit der Digitalisierung, in der vieles, was noch analog abläuft, verstaubt und überholt zu sein scheint, sich beschleunigen könnte. Ja dass der Wunsch, möglichst alles zu digitalisieren, analoge Lösungen ausschließt. Doch glücklicherweise lassen sich physisches Gold und Silber in die digitale Welt heben.

Man denke beispielsweise an einige Münzprägestätten, die ihren Kunden bereits heute schon anbieten, physische Edelmetalle per App zu kaufen und zu verkaufen und auch auf diesem Wege die Lager- und Besicherungsdienste in Anspruch zu nehmen. Da ist es eigentlich nur noch ein kleiner Schritt, und sogar edelmetallgedeckte, digital abbildbare Zahlungssysteme können aus der Taufe gehoben werden. Ja wären da nicht die Staaten und ihre Zentralbanken, die die Monopolstellung ihrer Währungen zu erhalten wünschen, die keine Konkurrenz wollen und sie mit steuerlichen und regulativen Maßnahmen einhegen oder gar verhindern.

Doch die Erfahrung zeigt: Bessere Ideen und Lösungen setzen sich irgendwann gegen alle Widerstände durch, werden wieder hervorgezogen und mit neuem Leben gefüllt. Diese Perspektive besteht natürlich auch für Nutzung des physischen Goldes und Silbers als digital abbildbares Zahlungs- beziehungsweise Wertaufbewahrungsmittel. Und vermutlich ist es letztlich auch das, was Menschen am Gold fasziniert, was ihre Nachfrage nach dem gelben Metall antreibt: Die Zuversicht, dass das Gold das ultimative Zahlungsmittel der Menschheit ist und auch bleiben wird.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


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