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Märkte auf Orientierungssuche – BRICS – Fed Gouverneur Barkin "kompromisslos"

23.08.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0857 (05:49 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0834 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 145,64. In der Folge notiert EUR-JPY bei 158,13. EUR-CHF oszilliert bei 0,9551.


Blick auf den Markt: Orientierungssuche

An den Finanzmärkten sucht man nach Orientierung. Diese Woche liegt der Fokus auf der Geopolitik. Der Globale Süden emanzipiert sich. Es ist nicht eine Frage des "Ob", sondern nur des "Wann" und des "Wie".

Die Welt, die wir seit Ende des 2. Weltkriegs kennen, neigt sich dem Ende zu. Das wirft Fragen auf. Einige der Fragen möchte ich hier thematisieren.

Wie sieht die Welt von morgen aus? Wird sie rechtsbasierter sein oder bleibt sie US-regelbasiert (Gutsherrenart, "undemokratisch")? Hat es mal ein Ende mit völkerrechtswidriger "Regime-Change Politik"? Werden westliche Demokratien autokratischer (siehe "Endlich Klartext" 2007/2008 Zitat: "Zuerst verlieren wir die freien Märkte, dann die Demokratie")? Wird unsere Welt menschlicher sein oder wird der Mensch vom Subjekt zum Objekt? Kann man sich "Amateure" in der politischen Elite des Westens leisten? Schafft Deutschland die Abwendung von der Anspruchsgesellschaft zur Leistungsgesellschaft, die erst die Anspruchsmöglichkeiten eröffnete (Logik)? Werden die Menschen im Westen ihr

Wohlstandsniveau halten können? Wird es im Westen politische Stabilität oder Instabilität geben? Sind starke global agierende Unternehmen stabiler als Staatengebilde (Siemens gegründet 1847 hat alles überlebt)? Wird die Welt effizienter sein? Es sind mannigfaltige Fragestellungen, die in der Zukunft auf Antworten warten.

Die Aktienmärkte lieferten ein gemischtes Bild. Europa konnte die Tageshöchstkurse nicht halten, schloss aber im "grünen" Bereich, während US-Märkte leicht an Boden verloren. In Fernost bietet sich ein verhaltenes Bild. Der Nikkei-Index legte leicht zu. Unterstützend war die Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindices (siehe Datenpotpourri), die positiver als im Vormonat waren und das positive Wachstumsbild Japans unterstreichen.

So sieht es aus, wenn ein Land interessenorientierte Politik für die Menschen macht, die es zu vertreten hat. An den Rentenmärkte hat das hohe Renditeniveau trotz leichter Renditerückgänge weiter Bestand. 10-jährige Bundesanleihen rentieren mit 2,64% (Vortag 2,69%), 10 jährige US-Staatsanleihen bringen 4,31% (Vortag 4,34%). Der EUR bewegt sich gegenüber dem USD am Unterstützungsniveau bei 1,0820 -50. Gold und Silber legten gegenüber dem USD leicht zu.


BRICS: Auftakt mit unterschiedlichen Botschaften

Der 15. BRICS Gipfel ist der bedeutendste Gipfel in der Historie der BRICS-Länder. Es geht um die Erweiterung (Klärung der Kriterien), aber auch um die inhaltliche Gestaltung.

Kommentar: Der latente Missbrauch des westlich dominierten globalen Organigramms als auch die asymmetrische Anwendung internationalen Rechts im Rahmen der US-regelbasierten Ordnung sind die Ursachen dafür, dass der Globale Süden eigene Wege gehen will.

Der Auftakt lieferte unterschiedliche Botschaften. Die Botschaft Chinas war, dass "ein Land" seine Hegemonie aufrecht erhalten wolle und alles täte, um Schwellen- und Entwicklungsländer zu lähmen. Wer aufhole, würde behindert.

Kommentar: Hier zielt China auf die hybride Kriegsführung in Wirtschafts- und Finanzpolitik bis hin zur Regime-Change Politik seitens der USA losgelöst vom internationalen Rechts- und Regelwerk. Der Punkt ist valide und anekdotisch mannigfaltig nachweisbar.

Brasiliens Präsident betonte, BRICS richte sich gegen niemanden, es ginge um eine bessere Organisation des Globalen Südens. Es ginge um Gleichberechtigung gegenüber dem Westen.

Kommentar: Die realwirtschaftliche Macht, die sowohl quantitativ (Größe des BIP) als auch qualitativ (Strukturdaten) gegeben ist, hat mangels Institutionalisierung bisher keine maßgebliche politische Traktion. Lula liegt richtig, das muss geändert werden.

Südafrikas Präsident forderte eine grundlegende Reform globaler Finanzinstitutionen, einen gerechteren Welthandel (WTO) und geringere Abhängigkeit vom USD.

Kommentar: Der Präsident legt den Finger in die Wunde. IWF und Weltbank waren und sind in erster Linie Interessenvertreter des Westens. Der USD wird seitens der USA missbraucht.

Fazit: An den Äußerungen ist sowohl Homogenität bezüglich der grundsätzlichen Stoßrichtung, aber auch Heterogenität in der Frage des "Wie", des "Womit" und des in "Welcher Form" erkennbar. Die Geburt der BRICS+ und des BRICS+ Organigramms ist kein einfaches Unterfangen. Zu hohe Erwartungen in kürzester Zeit erscheinen unangebracht zu sein. Gut Ding will Weile haben. Nähen mit heißer Naht (siehe EU-Erweiterungen) ist nicht empfehlenswert.



Federal Reserve: Gouverneur Barkin "kompromisslos"

Die US-Notenbank müsse aus Sicht des Fed-Chefs von Richmond, Thomas Barkin, zur Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit die Inflation auf die Zielmarke von 2% reduzieren. Man hätte als Notenbank nur eine große Waffe, und das sei die Glaubwürdigkeit.

Kommentar: Glaubwürdigkeit ist in der Tat ein hohes Gut der Zentralbankpolitik. Dieses Bewusstsein war lange in westlichen Zentralbanken unausgeprägt. In der Phase, in der die US-Notenbank jetzt jedoch längst positive Realzinsen am Geld- und Kapitalmarkt etabliert hat (Zins höher als Preisinflation), besteht das Risiko, dass die Zentralbank durch zu weitgehende Zinserhöhungen das der US-Notenbank zugewiesene Mandat für auskömmliches Wachstums zu sorgen, ignoriert, denn Zinserhöhungen entfalten ihre volle Wirkung erst nach mehr als 12 Monaten. Auch an dieser Stelle kann eine Notenbank Glaubwürdigkeit verspielen.

Barkin sagte, es gebe nichts Magisches an der Zahl Zwei, außer dass man, wenn man sich dieses Ziel setzte, es wahrscheinlich auch erreichen wollte. Die Verbraucherpreise waren in den USA zuletzt von 3,0% auf 3,2% gestiegen (Jahresvergleich). Der Leitzins liegt bei mehr als 5,25%, 10 jährige US-Staatsanleihen rentieren mit 4,31%

Kommentar: Fakt ist, dass die US-Notenbank bezüglich der Höhe der Preisinflation, bezüglich der vorlaufenden Preisdaten (Erzeuger- und Importpreise) als auch des Status real positiver Zinsen in der westlichen Hemisphäre besser als die Eurozone, als das UK und als Japan aufgestellt ist. Als Fazit lässt sich ziehen, dass Barkin das Mandat der Fed asymmetrisch interpretiert und bezüglich des Inflationsziels Kompromisslosigkeit implizieren will.


Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: Höchster Leistungsbilanzüberschuss seit 12/2020

Die Leistungsbilanz der Eurozone wies per Juni einen Überschuss in Höhe von 35,84 Mrd. EUR nach zuvor 7,88 Mrd. EUR (revidiert von 9,10 Mrd. EUR) aus. Es war der höchste Überschuss seit Dezember 2020.

Niederlande: Der Index des Verbrauchervertrauens sank per August von zuvor -39 auf -40 Punkte und markierte den tiefsten Indexwert seit 03/2023.


UK: Auftragsindex schwächer

Der vom CBI ermittelte Auftragsindex des UK stellte sich per Berichtsmonat August auf -15 nach zuvor -9 Punkten.


USA: Immobilienabsatz historisch betrachtet mäßig

Der Absatz zuvor genutzter Wohnimmobilien lag in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung (annualisiert) per Berichtsmonat Juli bei 4,07 Mio. (Prognose 4,15 Mio.) nach zuvor 4,16 Millionen. Historische betrachtet ist das Niveau mäßig (Niveau von 2010).

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Der Richmond Fed Composite Index liefert per Berichtsmonat August einen Anstieg von -9 auf -7 Zähler.


Japan: Erstschätzungen der PMIs positiv (was für ein Unterschied zu Deutschland)

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Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine positive Tendenz. Ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1,0820 – 1,0850 negiert dieses Szenario.

Viel Erfolg


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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