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Weitgehend Konsolidierung – Bundesländer erkennen Dramatik – Worte an Robert Habeck

08.09.2023  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1,0717 (05:48 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1,0687 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 147,13. In der Folge notiert EUR-JPY bei 157,72. EUR-CHF oszilliert bei 0,9548.


Märkte: Konsolidierung, weitgehend mit negativen Vorzeichen

Die internationalen Finanzmärkte sind weiter überwiegend von Risikoaversion geprägt. Konsolidierung mit negativen Vorzeichen bestimmt das Bild.


Bundesländer erkennen Dramatik der Lage an

Alle Bundesländer haben die Regierung und die EU-Kommission aufgefordert, zeitnah der Einführung eines Industriestrompreises zuzustimmen. Niedersachsens Ministerpräsident Weil sagte, im Herbst fänden Investitionsrunden in den Unternehmen statt, die für die Folgejahre wichtig wären. Angesichts der hohen Energiepreise drohe ohne eine Entlastung ein Substanzverlust der Wirtschaft.

Weil warnte auch in Richtung Bundesregierung, dass man die Folgewirkungen nicht unterschätzen dürfe, wenn man jetzt nicht helfe. Wenn die Firmen zu dem Schluss kämen, dass sie hier nicht mehr wettbewerbsfähig sein könnten, würden als erstes die Investitionen auslaufen, dann die Kapazitäten gekappt und dann sei die Existenz hochgradig gefährdet. Dann könnten die Wertschöpfungsketten wegbrechen (Wirtschaftscluster, letztes Ass im Ärmel).

Kommentar: Herr Weil liegt richtig im Erkennen der prekären Lage als auch der potentiellen weiteren Entwicklung, sollte nicht umfassend gegengesteuert werden. Wenn Deutschland einmal das noch einmalige Wirtschaftscluster (Weltmeister bei "Hidden Champions") verliert, wird es sich nicht wiederherstellen lassen können.

Dieses Cluster, das zu großen Teilen vom Mittelstand und Familienunternehmen geprägt ist, ist das letzte Ass im Ärmel dieses Landes (internationaler Wettbewerbsvorteil). Es ist übrigens ein Ass im Ärmel, das wir nicht wegen der Politik haben, sondern trotz der Politik. Irrtümer basierend auf Narrativen in Echokammern, in denen ideologisches Gedankengut etabliert ist, kann sich dieser Standort nicht mehr leisten. Realitätssinn und Pragmatismus zur Erhaltung der Strukturen sind gefragter denn je.


Der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens Wüst forderte sowohl die Einführung eines Industriestrompreises als auch die Absenkung der Stromsteuer. Man brauche eine Mischung aus beiden. Sonst gingen Monat für Monat Industriearbeitsplätze verloren

Während der abgesenkte Strompreis für die energieintensiven Unternehmen sein sollte, würde eine abgesenkte Stromsteuer andere Firmen entlasten. Es gebe bereits jetzt einen deutlichen Kapitalabfluss. Weil und Wüst betonten, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und die EU-Kommissare verstünden, wie wichtig die deutsche Industrie auch für die europäische Wirtschaft sei.

Kommentar: Wüsts Forderung deckt sich mit meinen jüngsten Einlassungen in diversen Interviews und Video-Formaten. Die Lage ist so prekär, dass es erforderlich ist, das kritische Energiethema so umfassend wie nur denkbar zu entspannen.

Wegen des größten Vertrauensverlusts der deutschen Wirtschaft gegenüber der Politik sollte das Maßnahmenpaket überdimensioniert werden. Eine Unterdimensionierung wirkte bezüglich der Vertrauensfrage kontraproduktiv.

Wir leben seit 300 Jahren in einem energetischen Zeitalter. Der erzielte Wohlstand ist korreliert mit intensiverer und optimierter Nutzung der Energie. Ohne Energie geht nichts, gar nichts. Deutschland ist als einziges Land des Westens mit diesem sensiblen Thema seit Merkels Energiewende (Wende ohne Netz!?!) historisch einmalig unprofessionell umgegangen. Der Verlust der Strukturen wäre vielfach teurer und innenpolitisch riskanter, als jetzt die uns tragenden Strukturen mit fraglos teuren Notfallmaßnahmen durch diese selbst verantwortete Krise (auch Wähler und Medien) zu bringen.



Habeck warnt davor, Deutschlands Wirtschaft schlechtzureden

Wirtschaftsminister Habeck warnte gestern im Bundestag vor Schwarzmalerei. Das Land müsse raus aus der Komfortzone der Selbstzufriedenheit. Habeck sprach von einer Konjunkturflaute.

Kommentar: Nein, Herr Habeck irrt sich. Er hat sich offenbar nicht mit diesem Report im erforderlichen Maße auseinandergesetzt. Es ist ein Strukturproblem, das jetzt zur Konjunkturflaute führt. Herr Weil und Herr Wüst haben es begriffen. Wenn man als verantwortlicher "Arzt" ein Problem fehldiagnostiziert, kann es für den Patienten tödlich enden.

Dasselbe gilt für den Fall, dass seitens der Politik Strukturprobleme mit Konjunkturproblemen verwechselt werden (Struktur des Kapitalstocks ist Grundlage des Staatseinkommens!). Ja, bezüglich Komfortzone und Selbstzufriedenheit bin ich bei Ihnen Herr Habeck. Ich stimme auch zu, dass unsere Wirtschaft nicht schlecht ist, ganz im Gegenteil (Aspekt "Hidden Champions", Wirtschaftscluster).

Es sind die durch die Politik gesetzten Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft, die seit circa 20 Jahren und zuletzt durch sie erodiert wurden, die die Konkurrenzfähigkeit des Standorts zerlegt haben. Dadurch haben gute Unternehmen am Ende schlechte Ergebnisse und sind zum Handeln gezwungen. Verstehen Sie bitte diese zwingenden Zusammenhänge. Nur dann sind wir in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Unsere Wirtschaft wird bei Fortsetzung der nicht konkurrenzfähigen Rahmenbedingungen dorthin gehen, wo sie besser sind oder die Unternehmen werden aufgeben.

Es liegt primär an der Politik Herr Habeck. Es geht ultimativ um die Energiefrage. Jeder Tag der ohne sinnstiftende Taten vergeht, stellt einen ökonomischen Aderlass dar, der zukünftig negative innenpolitische Konsequenzen in sich birgt. Wie sagte US-Präsident Clinton: "It is the economy, stupid." Kann man von unseren westlichen Freunden in Japan lernen (Energie), die eine fulminante Wirtschaftsentwicklung erfahren?

Verdienen unsere Bürger und Unternehmen nicht das höchste Maß an Solidarität gegenüber Dritten? Die Uhr tickt, sachlich unbestechliche Warnungen wurden seit mehr als 12 Monaten von Berlin überhört. Das aktuelle Zahlenwerk als Ausdruck des normativ Faktischen in dem Deutschland im internationalen Vergleich "sportlich" abfällt, ist eine letzte Mahnung.



Datenpotpourri der letzten 24 Handelsstunden:

Eurozone: BIP enttäuscht – Beschäftigung markiert Rekord

Das BIP nahm laut Revision per 2. Quartal 2023 im Quartalsvergleich um 0,1% im Quartalsvergleich zu (Prognose und vorläufiger Wert 0,3%). Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 0,5% (Prognose und vorläufiger Wert 0,6%). Die Zahl der insgesamt Beschäftigten in der Eurozone stellte sich per 2. Quartal 2023 gemäß finaler Berechnung auf 166.745.300. Das markierte einen neuen Rekordwert.

Die deutsche Industrieproduktion sank per Juli im Monatsvergleich um 0,8% (Prognose -0,5%) nach zuvor -1,4% (revidiert von -1,5%). Im Jahresvergleich kam es mit -2,25% nach zuvor -1,73% (revidiert von -1,83%) zum stärksten Rückgang auf Jahresbasis seit Dezember 2022.


USA: Daten besser als erwartet

Die Arbeitslosenerstanträge stellten sich per 2. September 2023 auf 216.000 (Prognose 234.000) nach 229.000 (revidiert von 228.000). Die Produktivität nahm per 2. Quartal 2023 laut Revision in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung (annualisiert) um 3,5% (Prognose 3,4%) nach vorläufig 3,7% zu.


China: Reserven rückläufig

Die Devisenreserven lagen per Berichtsmonat August bei 3.160 Mrd. USD (Prognose 3.187 Mrd. USD) nach zuvor 3.204 Mrd. USD.


Japan: BIP hoch, aber schwächer als erwartet

Das BIP per 2. Quartal 2023 verzeichnete in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung gemäß Revision einen Anstieg um 4,8% (Prognose 5,5%, vorläufiger Wert 6,0%). Im Quartalsvergleich lag die Zunahme bei 1,2% (Prognose1,3%, vorläufiger Wert bei 1,5%). Der Index „Economy Watcher‘s Poll“ sank per August von zuvor 54,4 auf 53,6 Punkte.


Russland: Reserven leicht gestiegen

Die Devisenreserven lagen per 1. September 2023 bei 583,5 Mrd. USD nach zuvor 580,5 Mrd. USD.

Derzeit ergibt sich für den EUR gegenüber dem USD eine negative Tendenz. Ein Überwinden der Widerstandszone bei 1.0920 – 1.0950 negiert das für den USD positive Szenario.

Viel Erfolg


© Folker Hellmeyer
Chefvolkswirt der Netfonds Gruppe



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