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Kein "free lunch" mehr: Was folgt dem Dollarstandard?

27.12.2023  |  Dimitri Speck
"There is no free lunch" – frei übersetzt: "Nichts ist umsonst" – meinen viele ökonomisch denkende Menschen. Tatsächlich gilt auch zwischen Staaten, dass sie irgendwann ihre Außenbilanz ins Gleichgewicht bringen müssen. Tun sie es nicht, importieren sie also vereinfacht gesagt mehr als sie exportieren, kommt es über kurz oder lang zu einer Krise.

Ein Beispiel einer solchen Krise ist die Asienkrise Ende der 1990er-Jahre. Über Jahre hinweg hatten Länder wie Indonesien, Malaysia und Thailand mehr importiert als exportiert. Der Ausgleich der Differenz erfolgte über eine Zunahme der Verschuldung. Doch wieso soll das Ausland zusehen, wie einzelne Länder mehr konsumieren beziehungsweise im Inland investieren, als sie sich tatsächlich leisten können? There is no free lunch! Deswegen scheitern dauerhaft hohe Außendefizite regelmäßig an der Realität und münden in der Krise, bis wieder ein Gleichgewicht hergestellt worden ist. Es gibt aber – bisher! – eine Ausnahme: die USA.


USA: Historisch einmaliges Leistungsbilanzdefizit

Die USA weisen seit Jahrzehnten ein Außendefizit aus. Welche Ausmaße das dauerhafte Defizit angenommen hat, zeigt Ihnen der Chart anhand des aufsummierten US-Leistungsbilanzdefizits; dieses umfasst nicht nur den Außenhandel mit Gütern, sondern beispielsweise auch Dienstleistungen. Die Aufsummierung versinnbildlicht Ihnen die Summe, wie viel die USA insgesamt aus dem Ausland mehr bezogen als sie dorthin geliefert haben. Das aufsummierte Leistungsbilanzdefizit liegt jetzt bei etwa 15.000 Milliarden US-Dollar.


USA: Kumulierter Leistungsbilanzsaldo, Milliarden US-Dollar, 1950 bis Q3/2023

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Die USA lebten weit über ihre Verhältnisse.
Quellen: FRED (Federal Reserve Bank of St. Louis), eigene Berechnungen und Darstellung


Aufgrund der Schuldenfinanzierung dieses Defizits explodierte die Schuldensumme der USA gegenüber dem Ausland entsprechend. Dabei waren die USA waren nach dem Zweiten Weltkrieg die größte Gläubigernation der Welt. Durch das laufende Defizit wurden sie aber zur größten Schuldnernation. Ein solches über Jahrzehnte dauerndes Defizit und damit einhergehend eine solche Anhäufung von Schulden gegenüber dem Ausland ist historisch einmalig. Doch wie kam es dazu, dass das Ausland die USA dauerhaft finanzierte? Sehen Sie sich vor einer Antwort die wichtigsten ökonomische Mechanismen an, um Außendefizite zu vermeiden.


Die zwei ökonomischen Arten der Außendefizit-Vermeidung

Zwei ökonomische Mechanismen sorgen in der Regel dafür, dass es gar nicht erst zu großen, langanhaltenden Außendefiziten kommt:

1.) Der erste wurde vom schottischen Philosophen, Ökonomen und Historiker David Hume (7.5.1711 – 25.8.1776) Mitte des 18. Jahrhunderts formuliert. Er betrifft Warengeld-Systeme, insbesondere Systeme mit einer Edelmetallwährung beziehungsweise Goldstandard-Systeme mit vollständiger Deckung. Demzufolge kommt es bei Außendefiziten zu einem Abfluss von Edelmetall, was einem Rückgang der Geldmenge im Inland entspricht. Das reduziert die Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland. Es reduziert zugleich die inländischen Preise, was den Export stärkt. Die Leistungsbilanz gleicht sich aus.

2.) Im System flexibler Währungskurse, wie es seit Mitte der 1970er-Jahre dominiert, wirkt ein vergleichbarer Mechanismus. Hier kommt es bei Defizitländern zu einem Rückgang der Währung und somit in Fremdwährung gemessen zu einem Rückgang der inländischen Geldmenge. Das reduziert die Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland. Zugleich sinken in Fremdwährung gemessen die Preise der inländischen Güter, was den Export stärkt. Die Leistungsbilanz gleicht sich aus.

Politische Maßnahmen wie Zölle oder Kapitalverkehrskontrollen können ebenfalls auf die Außenbilanzen einwirken. Des Weiteren können etwa Zinsdifferenzen die Wechselkurse beeinflussen und so den Korrekturmechanismus des Systems flexibler Währungskurse vorübergehend aushebeln, ohne dass dies typischerweise in Krisen mündet.


Die zwei Arten der Aushebelung der Außendefizit-Begrenzungen

Sie sehen also: Es gibt sowohl im Goldstandard als auch im herrschenden Kreditgeldsystem ökonomische Mechanismen, die dafür sorgen, dass es nicht zu dauerhaften Außendefiziten kommt. Diese zwei ökonomischen Mechanismen, die Außendefizite korrigieren, können aber auf zwei Arten nachhaltig außer Kraft gesetzt werden:

    1.) Häufig eine ist die Anbindung einer Weichwährung an eine Hartwährung (ohne dass die finanziellen Verhältnisse beispielsweise durch einen harten Sparkurs in Ordnung gebracht werden, wie es beispielsweise bei einem sogenannten "Currency-Board" der Fall ist und funktionieren kann).

    Diese Methode der Abschaffung flexibler Wechselkurse ist bei Politkern in Schwachwährungsländern beliebt, denn sie ermöglicht einen bequemen vorübergehenden Boom. Dieser ist aber vorübergehend und mündet regelmäßig nach einigen Jahren in einer Krise. So hatten beispielsweise sowohl vor der Asienkrise wie auch vor der Eurokrise 2011 politische Entscheidungsträger ihre Schwachwährungen an eine Hartwährung gebunden (beziehungsweise im Falle des Euro mit ihr verschmolzen, was ökonomisch dieselben Effekte auslöst). Dadurch kam es zu kurzfristigen Booms, aber eben auch hohen Außendefiziten, was dann in den Krisen mündete.

    2.) Während die Währungsanbindung bereits oft vorkam, ist die zweite Art historisch einmalig. Es geht um die Rolle des US-Dollar. Er wurde als erste Währung zur Weltleitwährung, ohne mit Edelmetallen gedeckt zu sein. Zwar wird der US-Dollar gegenüber wichtigen Währung wie dem Euro oder dem Yen flexibel gehandelt und es sollte somit nach obiger Theorie nicht zu einem dauerhaften Defizit kommen.

    Durch seine Rolle als Weltleitwährung wird dieser Mechanismus aber außer Kraft gesetzt. Es handelt sich bei der zweiten Art also um die Bildung einer Weltwährung auf Basis von Schuldverschreibungen (oder allgemein gesprochen darum, dass eine Währung bei Reserven und im Handel überproportional vertreten ist). Der US-Dollar ist die erste Währung, bei der dies der Fall ist. Wie kam es dazu, und wie wird dadurch ein dauerhaftes Außendefizit ermöglicht?



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