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Kein "free lunch" mehr: Was folgt dem Dollarstandard?

27.12.2023  |  Dimitri Speck
- Seite 2 -
Die Vorgeschichte des Dollarstandards

1944 wurde von 44 Staaten unter Führung der USA in Bretton Woods, einem Bezirk in New Hampshire in den USA, ein neues Weltwährungssystem beschlossen. Die USA hatten mit großem Abstand das meiste Gold angesammelt, und waren wirtschaftlich sehr stark. Das System sah vor, dass ausländische Zentralbanken für US-Dollar-Schuldverschreibungen Gold verlangen konnten. Der Außenüberschuss Deutschlands beispielsweise führte so in den Folgejahren zum Aufbau der Bundesbank-Goldreserve, während parallel dazu die Goldreserven der US-Notenbank abnahmen.

Dieses Bretton-Woods-System war aber fehlkonstruiert, auch wenn das wegen der boomenden Wirtschaft in den Nachkriegsjahren anfangs nicht besonders ins Gewicht fiel. Eine der Fehlkonstruktionen: Der ökonomische Mechanismus nach Hume, der Defizite beenden sollte, war gar nicht erst in Kraft gesetzt worden. Schließlich war die Geldmenge in den USA nicht von der Goldmenge im Tresor der Notenbank abhängig – er herrschte kein Goldstandard mehr.

Die laufenden Außendefizite der USA führten daher lediglich zu einer Umbuchung des Goldes auf ausländische Notenbanken. Das setzte zunehmend Politiker und Geldpolitiker unter Druck. Mangels ökonomischem Mechanismus, der die USA zu einem Ausgleich der Defizite hätte zwingen können, bestanden diese jedoch einfach weiter.


Blessingbrief: Wie der Dollarstandard entstand

Der bis heute bestehende Dollarstandard wurde dann 1967 konzipiert. Deutschland hatte hohe Überschüsse, doch die USA wollten keine Goldabflüsse mehr hinnehmen – irgendwann wären schließlich die US-Tresore leer. Die US-Amerikaner drohten mit einem Abzug des Militärs aus Deutschland. Deutschland solle dieses stärker finanzieren. Am Schluss kam es zu einer Einigung, bei der es zumindest zu keinen weiteren Goldabflüssen kommen sollte.

Die deutsche Bundesbank sagte im Rahmen des nach dem damaligen Bundesbankpräsidenten Karl Blessing benannten Blessings-Briefes vom 30. März 1967 die Finanzierung des US-Defizits durch Erwerb von US-Schuldverschreibungen zu. Gleichzeitig verzichtete die Bundesbank auf den Umtausch in Gold. Die Amerikaner boten im Gegenzug militärischen Schutz gegenüber der Sowjetunion. Damit war zwischen Deutschland und den USA ein Mechanismus in Kraft gesetzt, der den USA ein Dauerdefizit erlauben würde.

Dies wurde auch tatsächlich so thematisiert. US-Regierungsberater Francis Bator sprach dabei intern von einem "Dollarstandard". Bei ihm solle der Dollar Gold ersetzten. Als Vorteil hob er hervor, dass er den USA erlauben würde "unbegrenzt mit moderaten Defiziten zu leben"!

Wörtlich meinte er: "Das ist ein großer Durchbruch. Es bringt die Deutschen de facto auf einen Dollarstandard. Es ist außerdem ein riesiger erster Schritt, um die anderen Europäer (außer Frankreich) dazu zu bringen, die gleichen Regeln zu akzeptieren. Wenn wir erfolgreich sind […] werden wir uns keine Sorgen mehr über angemessene Zahlungsbilanzdefizite machen müssen."

Das war also die Geburtsstunde des Dollarstandards! Erstmals in der Geschichte war es einem Land möglich, sich dauerhaft gegenüber dem Ausland zu verschulden. Ob Bator sich Gedanken machte, welche Sekundärfolgen dieses Dauerdefizit haben würde – beispielsweise eine immer höhere Verschuldung der USA gegenüber dem Ausland – ist mir nicht bekannt.

Wenige Jahre später, nachdem einige Zentralbanken doch noch weiterhin Gold eingetauscht hatten, wurde am 15. August 1971 durch den damaligen US-Präsident Richard Nixon die Goldbindung des US-Dollars auch formal aufgehoben. Damit konnte keine Zentralbank mehr Gold einfordern.


Das Petrodollar-System bindet den Handel in die Defizitfinanzierung ein

Wenige Jahre später wurde dieses System, das den USA ein Dauerdefizit finanzierte, auf die arabische Welt und den Handel ausgeweitet. Im Juli 1974 fuhr der damalige US-Finanzminister William Simon nach Saudi-Arabien und finalisierte ein von US-Präsident Richard Nixon, US-Außenminister Henry Kissinger und dem saudischen König Faisal ibn Abd al-Aziz vorbereitetes Abkommen. Das seinerzeit streng geheim gehaltene Abkommen legte den Grundstein für das Petrodollar-System. Nach Saudi-Arabien schlossen sich binnen weniger Monate weitere Ölförderländer diesem Abkommen an.

Die USA sicherten darin die Macht des saudischen Königshauses innen- wie außenpolitisch. Im Gegenzug lieferte Saudi-Arabien ausreichend Erdöl, stabilisiert nach Möglichkeit dessen Preis und investiert seine Überschüsse in US-Schuldverschreibungen. Wesentliches Ziel des Abkommens war für die US-Regierung somit die Finanzierung des Defizits gegenüber den Ölförderländern.

Zugleich sollten alle Geschäfte mit dem wichtigsten Rohstoff Öl in US-Dollar getätigt werden. Damit wurde der Handel dazu motiviert, stets Dollar vorrätig zu halten. Dadurch trug auch dieser zur Finanzierung des US-Defizits bei!


Die zwei Bestandteile des Dollarstandards

Erstmals in der Geschichte hat sich also die Menschheit auf ein Währungssystem eingelassen, dass dem Land mit der Weltwährung, den USA, über Jahrzehnte ein Außendefizit ermöglichte. Zwei wesentliche Bestandteile dabei sind:

1.) Ausländischen Zentralbanken (und andere öffentliche Institutionen) legen ihre Reserven mehr in US-Dollar-Schuldverschreibungen an, als es dem Anteil der USA an der Weltwirtschaft entspricht. Damit finanzieren sie direkt das US-Defizit.

2.) Der internationale Handel findet ebenfalls überproportional in US-Dollar statt. Damit trägt auch der private Sektor zur Finanzierung des US-Defizits bei.

Dies sind die beiden Haupt-Hebel, die das Dauerdefizit der USA ermöglichten. Sie führen direkt dazu, dass das Ausland überproportional viele Schuldverschreibungen der Leitwährung akzeptiert. Weitere Gründe wie die grundsätzliche Bevorzugung einer Währung ("Netzwerkeffekt") verstärken diese Tendenz.



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