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Warum arbeiteten im vergangenen Jahr 1,5% mehr Erwerbstätige 0,8% weniger Stunden als 2019?

16.03.2024  |  Prof. Dr. Eberhard Hamer
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg veröffentlichtet, dass "2023 so wenig gearbeitet wurde wie seit dem Corona-Jahr 2020 nicht mehr". Allerdings gab es im Gegenzug so viele Erwerbstätige wie noch nie – im Jahresdurchschnitt 2023 fast 46 Millionen, ein neuer Höchststand. Diese arbeiteten aber nur 65,66 Milliarden Stunden, zwar 0,4% mehr als 2022, aber weniger als vor Corona 2019.

Dass von 84 Millionen Einwohnern viel mehr als die Hälfte (45,9 Mio.) erwerbstätig sind, ist eigentlich noch ein gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass

• die Vorruhestands- und Rentenregelungen Millionen Arbeitnehmer aus der Arbeit in den Ruhestand treiben,

• das Arbeitsersatzgeld ("Bürgergeld") es für die Niedrigverdiener immer rentabler macht, nicht zu arbeiten und vom Arbeitsersatzgeld zu leben, sie sich also netto mit Nichtarbeit besser stehen als bei niedrig bezahlter Arbeit.

• Auch mehrere Millionen Ausländer sind über das Zauberwort "Asyl" nach Deutschland gekommen, um hier Vollkasko-Existenzsicherung ohne Arbeit zu bekommen. Von den Ukrainern arbeiten nur 20%, von den übrigen Asylanten kaum 30%. Da wir nicht wie andere Einwanderungsländer qualitative Einwanderungspolitik betreiben (Fachleute, Gebildete, Qualifizierte), sondern allen im Ausland Gescheiterten, Arbeitsscheuen oder Unzufriedenen Existenz ohne Arbeit bieten, sind die Immigranten per Saldo in Deutschland ein geringerer Arbeitskräftezuwachs als in anderen Ländern.

Neben diesen auf unserer Tasche liegenden bis 8 Millionen Arbeitsscheuen, die Arbeit überhaupt ablehnen, weist das Mittelstandsinstitut aber schon lange darauf hin, dass die Arbeitsproduktivität der tatsächlich Erwerbstätigen ebenfalls absinke.

Ein Handwerker, Industriearbeiter oder Freiberufler muss sich anstrengen, weil er vom Preis seiner Leistung lebt. Nur wenn die Leistung in Ordnung ist, bekommt er sie bezahlt und nur wenn die Arbeitsleistung praktischen Nutzen für den Auftraggeber hat, zahlt er dafür.

Das ist bei inzwischen mehr als 70% der Arbeitsverhältnisse inzwischen ganz anders. Im Dienstleistungsbereich wird nicht nach Ergebnis der Arbeit bezahlt, sondern die bloße Beschäftigung nach Stunden. Im öffentlichen Dienst und der Sozialindustrie, im Gesundheitswesen oder in großen Bereichen des Bildungswesens werden die Mitarbeiter nicht danach bezahlt, welche Ergebnisse sie bringen, sondern welchen Zeiteinsatz sie leisten.

Bezahlt wird auch, wenn sei keinerlei produktive Leistung bringen – insbesondere beim öffentlichen Dienst. Sie werden sogar bezahlt, wenn sie kontraproduktive Leistungen bringen, etwa als Umweltbürokrat, in der Kontrollbürokratie, bei den vielen Gleichstellungs- und unnützen politischen Positionen, wo sogar Fleiß für die Gesellschaft schädlicher ist als Untätigkeit. Ein reich gewordenes Land kann sich eben viele Millionen überflüssige Bürokraten, Mitläufer, Teilbeschäftigte oder unter falschen Bedingungen Beschäftigte leisten (noch!).

Nun weist das Arbeitsmarktinstitut zusätzlich darauf hin, dass selbst für die Beschäftigten in Deutschland im letzten Jahr die bezahlte Arbeitszeit 0,3% weniger als im Vorjahr war und 2% weniger als vor der Pandemie. Im Durchschnitt arbeiten die Deutschen nur noch 1.243 Stunden – ein Viertel weniger als in den USA und ein Drittel weniger als in China. Das hängt nun nicht nur mit dem inzwischen 30 Tage betragenden Urlaub, den wenigsten Überstunden und der meisten Teilzeit zusammen, sondern auch mit durchschnittlich 15,2 Arbeitstagen, welche die Beschäftigten in Deutschland im vergangenen Jahr krankgeschrieben waren, eine Steigerung von gut 6% zu dem bereits extrem hohen Niveau von 2022.

Schon 1991 hatte der Autor im Mittelstandsinstitut bei einer großen empirischen Untersuchung festgestellt, dass die Abschaffung der Marktwirtschaft und die Einführung der Verwaltungswirtschaft im Gesundheitssektor auch die Lenkungsfunktion des Preises im Gesundheitssektor abgeschafft hat. Was kostenlos angeboten wird, wird nicht nur maßlos nachgefragt, sondern auch über den echten Bedarf hinaus. Als z.B. ein Besuch beim Arzt eine "Praxisgebühr" von 10,- D-Mark kostete, sank die Nachfrage um ein Drittel. Erst als diese kleine Preisbeteiligung wieder abgeschafft wurde, explodierte die Nachfrage sogar über den alten Stand.

Durch Abschaffung der Marktwirtschaft im Gesundheitswesen besteht auch kein Zusammenhang mehr zwischen Gesundheitskosten und Volksgesundheit. Deutschland hat die höchsten Gesundheitsausgaben ¹ von allen Industriestaaten mit 12,9%. Diese Kosten sind in den letzten 10 Jahren um 25% gestiegen. Die Gesundheitslage der Bevölkerung ist durch diese Kostenexplosion aber nicht besser geworden, sondern – wie die Mehrnachfrage zeigt – offenbar schlechter.

Der Ersatz des Preissystems durch das verwaltungswirtschaftliche Gutscheinsystem geschah mit Hilfe des Krankenscheins. 1957 gab es drei unbezahlte Karenztage bei der Entgeltfortzahlung, 1961 wurde die Karenzzeit auf einen Tag reduziert. Das Lohnfortzahlungsgesetz 1970 schaffte die Karenzzeit völlig ab, blieb nur noch die Attestpflicht. 1977 wurde auch die Attestpflicht für Kurzerkrankungen (1-3 Tage) ausgesetzt. Betriebe müssen auch bei Nichtarbeit zahlen. Erst nach 6 Wochen müssen die Krankenversicherungen eintreten.

Inzwischen können sich die Beschäftigten telefonisch abmelden, wenn sie sich "nicht wohl genug zur Arbeit fühlen" ². Nach jedem dieser Schritte stieg die Krankheitsquote deutlich.

Das Mittelstandsinstitut hat 1991 eine großflächige Befragung wegen Verdachts auf Krankheitsmissbrauch (Scheinkrankheit) ³ durchgeführt und aufsehenerregende Ergebnisse erzielt:

• Unsere Arbeitnehmer gewähren sich selbst durch falsche Krankmeldung einen illegalen Zusatzurlaub von damals bis zu 12, inzwischen aber 15,3 Tagen im Jahr.

• Arbeiter simulieren zu 72% Krankheit, Beamte zu 56%, Angestellte nur zu 44%. Unternehmer sind praktisch nie scheinkrank.

• Die Simulanten erreichen eine gewünschte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu 50% ohne jegliche Untersuchung durch die Ärzte. 80% aller Arbeitnehmer kannten mit Namen einen "Doc Holiday", vor allem die Ausländer, die übrigens doppelt so oft scheinkrank sind wie die deutschen Arbeitnehmer.

• Die Scheinkrankheitsmeldungen konzentrieren sich zu 36% auf den Montag und zu 26% auf den Freitag.

• Krankheitsmissbrauch nimmt bei steigender Verantwortung im Betrieb ab, bei sinkender oder geringer Verantwortung dagegen zu.

• Die in den 1990er Jahren errechneten volkswirtschaftlichen Gesamtkosten durch Scheinkrankheit von 30 Milliarden Euro haben sich inzwischen verdoppelt.

Vom Krankheitsmissbrauch profitieren alle Beteiligen. Nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arzt, der ihn falsch krankschreibt. Täte er dies nicht, wäre er einen Patienten los, weil der Patient andere Kollegen kennt, die dies bedenkenlos machen. Eine Ärztin, die dies ablehnte, verlor 20% ihrer Patienten, bevor sie zwangsläufig zum alten Betrugssystem zurückkehrte.

Keine andere Volkswirtschaft hat so viel "frei von Arbeit":
• 104 Tage Wochenenden
• 15 gesetzliche Feiertage
• 30 Urlaubstage
• 15 Krankheitstage
• Summe: 164 von 365 Tagen/Jahr.

Wenn von 84 Millionen Einwohnern nur die Hälfte arbeitet – davon 70% gering- oder gemischtproduktiv – und durch gesetzliche Feiertage und Freitage im Durchschnitt pro Beschäftigten nur 200 Tage Arbeit im Jahr übrigbleiben, kann man sich über Facharbeitermangel eigentlich nicht wundern.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind es, die den Facharbeitermangel herbeiführen. Wären sie anders, könnten wir aus den vorhandenen Arbeitsreserven sofort über 20% mehr Arbeitskräfte haben.

Stattdessen kämpfen die Tarifpartner um die Reduzierung der Arbeitszeit auf 4 Tage bzw. 35 Stunden in der Woche!

Wir haben im internationalen Vergleich eine Gegenentwicklung:
• weniger Bruttoarbeit,
• geringere Produktivität der Arbeit,
• höhere Bruttolöhne,
• jedoch höchste Abgaben der Welt, also niedrigerer Nettolöhne,
• Falschausbildung der Jugend gegen Arbeit für unproduktive, egozentrische Beschäftigung,
• Wohlstand als Freizeit ohne Arbeit (Ökologie statt Ökonomie)


© Prof. Dr. Eberhard Hamer
Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.


¹ Vgl. am BPI-Anteil
² Vgl. Hamer, E. "Betriebliche Fehlzeiten -eine Herausforderung für die Unternehmensführung" in: "Mittelstand und Sozialpolitik", Hannover 1996
³ Vgl. Hamer, E., Hannover 1991




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