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100 Jahre Schweiz. Nationalbank - Kritische Gedanken zum Jubiläum (1907-2007)

27.12.2007  |  Johannes Müller
- Seite 2 -
Ab 1954 wurde dem Besitzer von Schweizerfranken nur noch eine theoretische Möglichkeit des Goldeinlöserechts eingeräumt, obschon die Suspendierung nur für Kriegszeiten und für Zeiten gestörter Währungsverhältnisse vorgesehen war. Immerhin stand wenigstens das zirkulierende Bargeld noch in einer Relation zum vorhandenen Goldbestand (40%). Mit dem neuen Bundesgesetz über die Währung und die Zahlungsmittel (WZG) vom 1. Mai 2000 fiel die theoretische Goldbindung definitiv weg und so gesellte sich die SNB als letztes Mitglied in die Reihen der Zentral- und Nationalbanken, welche gemeinsam nach planwirtschaftlichen Regeln versuchen, die Volkswirtschaften mit Kunstwährungen und manipulierbaren Zinssätzen zu lenken.

Das Gesetz ist nun mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht kompatibel. Mit der Aufhebung der Goldbindung des Frankes wird zudem den Statuten des Internationalen Währungsfonds (IWF) Rechnung getragen, welche Gold als Mittel zur Wechselkursbestimmung seit 1978 nicht mehr zulassen. Die Schweiz ist seit 1992 Mitglied des IWF.


Vertrauen als wichtigstes Kapital

Wie leichtfertig mit dem größten Kapital der SNB - dem Vertrauen - gespielt wird, zeigen einerseits alle Politiker, welche die folgenschweren Gesetzesänderungen unterstützten und damit die Unabhängigkeit der SNB opferten. Dabei offenbarten diese Volksvertreter, dass sie keine Achtung vor der Geldwertsicherung haben oder, weit schlimmer, die weitreichenden Folgen nicht erkennen konnten. Leider sind es aber auch die Verantwortlichen der SNB, welche sich nicht stark genug gegen politische Wünsche zur Wehr setzten und heute selber am Ast des Vertrauens sägen.


Überschüssige Goldreserven

So muss sich auch ein neutraler Beobachter ernsthaft fragen, wessen Interessen die heutige SNB vertritt. Nebst dem unglücklichen Entscheid, die einzig echten Reserven in Form von Gold teilweise zu liquidieren, muss die Art und Weise dieses Verkaufs mehr als stutzig machen und zu sinkendem Vertrauen oder zu Fehlinterpretationen führen. Eine solche könnte lauten: Entweder wurden ausländische Interessengruppen vor die Interessen des Volksvermögens gestellt oder aber die Verantwortlichen für den Verkauf der Goldbestände leiden an einem undefinierten Defizit, denn nur solche künden einen Goldverkauf von 1’300’000 Kilo medienwirksam an, damit sie auch wirklich sicher sein können, den denkbar tiefsten Erlös dafür zu erzielen. Heute rechtfertigt sich die SNB damit, der erzielte Durchschnittpreis (Ertrag von 21,1 Milliarden für 1300 Tonnen) von 16’230 CHF pro Kilo sei aus heutiger Sicht vielleicht etwas tief, diese Sicht könne sich bei einer Abschwächung des Goldpreises allerdings wieder ändern. Grundsätzlich ist diese Aussage richtig; die Zukunft wird unbestechlich darüber informieren, ob diese Aussage auch glaubwürdig bleiben wird.


Gold-Leihe

Unglaublich erscheint mir auch der Umstand, dass für rund 3 Milliarden Schweizer Franken physisches Gold gegen eine jährliche Leih-Gebühr von etwas mehr als 15 Millionen CHF ausgeliehen wurde. Als Sicherheiten wurde der SNB Papierwerte hinterlegt, welche von den Rating-Agenturen mit einer überdurchschnittlichen Bonität ausgezeichnet wurden. Da wurde also für 400 CHF pro Einwohner Gold aus den Händen gegeben, für einen Papier-Ertrag von 2 CHF. Mit andern Worten wird ein Versicherungsschutz (in diesem Fall Gold) für lächerliche 0,5% Jahreszins gegen ein Papierversprechen verkauft. Hier sind Kräfte am Werk, welche garantiert nicht die Interessen der Schweizer Bevölkerung wahrnehmen, oder kennen Sie etwa jemanden, welcher seine Versicherung überhaupt, und wenn, dann gegen lediglich 0,5% Jahreszins verkaufen und damit auflösen würde?

Der im Juni 2007 angekündete Verkauf von weiteren 250 Tonnen Gold zeigt übrigens in die gleiche Richtung: Seit Jahren geben die Zentralbanken Gold an die Geschäftsbanken ab. Dafür erhalten sie eine Forderung auf dieselbe Menge Gold, welche später fällig ist, sowie einen (bescheidenen) Zins. Das Gold wird von den Geschäftsbanken sofort am Markt verkauft und der Erlös in höherverzinsliche Anleihen investiert. Damit werden drei Fliegen auf einmal geschlagen: Einerseits werden Schuldner durch den Ankauf ihrer Schuldpapiere unterstützt, andererseits machen die Geschäftsbanken einen Zinsprofit und, dies ist ganz wichtig, es werden damit Falschsignale an die Investoren gesandt: Ein tiefer Goldpreis suggeriert eine tiefe Inflation und ein großes Vertrauen ins Papiergeldsystem. Dieser Mechanismus funktionierte jahrelang wunderbar, bis der Goldpreis zu steigen begann und damit die involvierten Geschäftsbanken durch die auflaufenden Buchverluste in eine unangenehme Situation gedrängt wurden: Das geliehene und am Markt verkaufte Gold kann in diesen gewaltigen Mengen nie und nimmer zu heutigen Kursen wiederbeschafft werden, ohne dass markante Preisschübe die Folge wären.


Gold sowie Goldforderungen

Eine seriöse Schätzung der Totalmenge an Gold, welches weltweit von den Nationalbanken verliehen wurde, kann leider nicht abgegeben werden, da diese eine einfache, aber wirkungsvolle Buchhaltungsmethode eingeführt haben: In der SNB-Bilanz findet man die Goldpositionen unter Gold sowie Goldforderungen. Andere Nationalbanken haben diese beide Positionen zusammengefasst unter Gold und Goldforderungen, so dass die verliehene Menge Gold nicht bestimmt werden kann. Sowohl die SNB wie auch die andere Notenbanken führen das Gold als Forderung auf, welche das Goldpreisrisiko beinhaltet (Gewinne oder Verluste laufen nach wie vor auf ihre Rechnungen).

Da die Käufer (z.B. andere Notenbanken) des verliehenen Goldes logischerweise ihre erworbenen Bestände auch in die Buchhaltung aufnehmen, entsteht eine außergewöhnliche Situation, man darf sogar von einem handfesten Wunder sprechen: Steigt der Goldpreis, können beide Besitzer desselben Goldes den entsprechenden Aufwertungsgewinn verbuchen, als wäre die doppelte Goldmenge vorhanden! Die Geschäftsbank, welche das geliehene Gold am Markt verkauft hat, macht keinen Verlust, solange sie das Gold nicht retournieren und damit zum Marktwert zurückkaufen muss. Durch die Verlängerung der Goldleihe kann sie den absehbaren Verlust zeitlich aufschieben. Auf Seite 81 des SNB-Jahresberichtes 2006 wird übrigens unbeirrt von einem Gesamtbestand von 1290 Tonnen Gold gesprochen, obschon über 119 Tonnen verliehen sind.




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