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100 Jahre Schweiz. Nationalbank - Kritische Gedanken zum Jubiläum (1907-2007)

27.12.2007  |  Johannes Müller
- Seite 4 -
Aktien als Reserven

Im Jahr 2006 wurden aus Diversifikationsgründen 11% der Devisenreserven in Aktien angelegt, auch hinter diesen Umstand darf ein großes Fragezeichen gesetzt werden, ist doch das Hauptrisiko der Aktienanlagen in der Preisgabe der politischen Unabhängigkeit zu orten. Man stelle sich nur folgende Situation vor: Die Firmengewinne und damit die Börsenaussichten werden fundamental neu eingeschätzt, und die SNB steht vor der Entscheidung, Aktien zu verkaufen und damit die bereits leidenden Pensionskassen in eine noch tiefere Unterdeckung zu treiben. Oder: die SNB erwirbt Aktien, welche bekanntlich die Basis für Optionen darstellen: so werden mit Volksvermögen ganz direkt die vielfach kritisierten Gehälter der Spitzenmanager mitfinanziert. Oder: Mit dem Kauf von Aktien werden Firmen gefördert, welche nicht die Interessen einer gesamtschweizerischen Bevölkerung wahrnehmen. Kurz: Mit einem Aktien-Engagement mögen zwar kurzfristig buchhaltungstechnische Mittel erarbeitet werden, langfristig kreieren diese jedoch nur neue Problemstellungen.

Echte Unabhängigkeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass ein bewusster Verzicht geübt werden kann.


Dollar-Risiko

Nicht wirklich vertrauensbildend ist ebenfalls die Tatsache, dass ein neutrales Land wie die Schweiz Anleihen und die Währung einer Kriegspartei hält. Von den ausgewiesenen Devisenanlagen per Ende 2006 sind rund ein Drittel in US- Dollars angelegt, also 15 Mia. Franken. Sollte der Dollar schwächer werden, finanziert die Schweiz mit ihrem Volksvermögen die Kriege mit. Um Interessenkonflikten aus dem Wege zu gehen und unsere Neutralität allen Staaten gegenüber zu unterstreichen, müssten diese Reserven umgeschichtet werden. Von Reserven zu sprechen ist übrigens mehr als mutig: In Wirklichkeit sind es Schuldpapiere, also Guthaben von Geld, welches schon einmal ausgegeben wurde. Der nominell vergütete Zins auf solchen Anlagen wirkt wahre Wunder: Sogar hochintelligente, auf den besten Schulen ausgebildete Manager lassen ihren Hausverstand liegen und folgen dem Ruf der nominellen Wertsteigerung von Papierwerten.


Die große Bewährungsprobe der SNB steht noch bevor

Aus Sicht der Gründerväter der SNB kann die heutige Ausgangslage als, vorsichtig ausgedrückt, unschön bezeichnet werden; in einer planwirtschaftlich organisierten Gesellschaft mag ein in sich geschlossenes Papiergeldsystem eine gewisse Zeit lang funktionieren, in einer freien Wirtschaftswelt entpuppt sich dieses Unterfangen jedoch als ein Ding der Unmöglichkeit: Sobald eine bedeutende Wirtschaftsnation oder ganze Wirtschaftsregionen zu große Schulden anhäufen oder in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wird der politische Druck auf die Notenbanken gewaltig zunehmen: Diese haben nur folgende Alternativen: die Kreditblase platzen zu lassen mit dem grossen Risiko, dass Domino-Effekte auch finanziell gesunde Unternehmen in den Abgrund reissen, oder aber das Spiel bis zum bitteren Ende durchzuspielen, d.h. eine Geldpolitik der weiterhin künstlich tief gehaltenen Zinsen zu fahren und damit die kreditgetriebene Konsumlust und Exporte zu fördern. Jede vermeintlich unabhängige Nation mit eigener Währung, welche eine geordnete und damit den Geldwert sichernde Geldpolitik verfolgen möchte, wird gegen diesen Automatismus der Geldverschlechterung keine Chance haben, auch die Schweiz nicht.

Was die Zukunft bringen wird und vor allem in welcher Reihenfolge die unvermeidlichen Änderungen anstehen, kann niemand wissen. So ist kurzfristig weder eine Deflation mit schrumpfenden Vermögenswerten, noch eine Inflation ausgeschlossen. Mittel- bis langfristig stehen die Zeichen jedoch eindeutig auf Geldentwertung, also Inflation. Und so ist heute schon zu befürchten, dass einmal mehr in der Geschichte der Respekt vor der Unantastbarkeit des Geldes nicht ernst genug genommen oder gar ignoriert wurde.

Die zukünftige Kaufkraft des ungedeckten Frankens wird unbestechlich darüber Auskunft geben. Dabei wird klar erkennbar, ob die Verantwortlichen der SNB das geschenkte Vertrauen verdienten oder ob sie, mit andern Nationalbanken zusammen, als Mitgestalter eines Mahnmals für folgende Generationen in die Geschichte eingehen werden.

Die Geschichte lehrt, dass jeder Versuch, mit ungedecktem Geld Wohlstand und Frieden zu schaffen, kläglich scheitert. Da werden auch zukünftige Zwangsmaßnahmen zur Stützung des unseligen Papiergeldsystems nur letzte Zuckungen eines Papiertigers sein, welcher in der Vergangenheit immer am gleichen Gegner gescheitert ist: Dem unbesiegbaren Verfechter von Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit: Gold.

Mein Respekt sowie meine Hochachtung gilt in jedem Fall und uneingeschränkt den Gründern der Schweizerischen Nationalbank.


© Johannes Müller
www.einraeppler.ch



Der 46-jährige Schweizer Berufsnumismatiker Johannes Müller führt in der Bundeshauptstadt Bern seit über 20 Jahren ein Fachgeschäft für Münzen, Medaillen, Banknoten sowie alte Schmuckstücke. Er publiziert regelmässig Fachartikel und hält Vorträge über diverse Spezialgebiete. Seine aktuelle Publikation "Geld - Schweizer Münzen und Banknoten als unbestechliche Zeitzeugen" erschien im August 2007 und ist für 12 CHF im Buchhandel oder portofrei direkt über ihn bestellbar. Sein Leitspruch lautet: "Menschen, welche nicht auf ihre Vorfahren zurückblicken, werden auch keine Gedanken für ihre Nachkommen haben."



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