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Peak Oil = Peak Ignorance!

14.01.2008  |  Peter Boehringer
Das Barrel Öl bei 100 Dollar: kurzfristige Panik oder günstiger Preis?

Dieser Artikel ist zuerst erschienen am 17. Dezember 2007 im Smart Investor Magazin (Ausgabe 1-2008, S. 20ff) bei einem Ölpreisstand von 92 Dollar per Barrel. Eine druckerfreundliche Version kann abgerufen werden unter www.pbvv.de/website/newsletter.php.

Im Herbst 2004 haben wir bei 48 USD pro Barrel unter derselben Überschrift (man ersetze "100" durch "50") eine Analyse des Welt-Ölmarktes veröffentlicht1, in der für 2007 ein Preis von 90-100 USD prognostiziert wurde. Nachdem die Marke erreicht ist, erscheint eine Aktualisierung und Fortschreibung angebracht. Vieles hat sich fundamental kaum verändert - die Lage am Ölmarkt ist u.E. aber noch brisanter geworden. Trotz zaghaft einsetzender Erkenntnisse über mögliche Engpässe bei der Ölförderung wird die Dramatik der Situation am Ölmarkt genau wie 2004 noch nicht ansatzweise verstanden bzw. in den Massenmedien realistisch beschrieben. Die veröffentlichte Meinung wird noch immer von den Analysen und Prognosen der börsennotierten Öl-Multis und der großen Energieagenturen beherrscht, die sich seit Jahren alle durch chronische Fehleinschätzungen sowohl der Ursachen als auch der (Preis)folgen der Ölknappheit "auszeichnen". Der u.E. bereits erreichte absolute historische Fördergipfel ("Peak Oil") und die damit verbundene dauerhafte Ölknappheit wird noch immer als Mythos abgetan und nicht vermittelt. Logischerweise werden so auch die dramatischen gesellschaftlichen Folgen ausgeblendet. Preise von über 250 USD bis in zwei oder drei Jahren und noch weit mehr danach werden dies jedoch unweigerlich sehr zügig ändern!


Fundamental Irrelevantes

Viele der für den optisch hohen Ölpreis verantwortlich gemachten Faktoren halten wir langfristig für völlig unbedeutend. Sie sind zwar zum Teil tagesaktuell preisrelevant, letztlich jedoch nur Rauschen im Blätterwald: Saisonalitätseffekte, US-Lagerdaten, Streiks und Unfälle auf Bohrplattformen, Stürme im Golf von Mexiko, euphorisches Marktsentiment, börsentechnische Übertreibungen, Raffinerie-Engpässe, intransparente Reservedaten oder Rebellen in Nigeria. All dies sind im Ölmarkt keine langfristig relevanten Faktoren, sondern bekannte Risiken und Dauerzustände, die nur in Form kurzfristiger Volatilität in die Preisfindung eingehen. Daneben gibt es zwar relevante - aber nicht zentrale Einflussfaktoren wie z.B. die "Profitgier" der oligopolistischen Öl-Multis oder die geopolitische Risikoprämie. Beides ist vorhanden - jedoch berechenbare Normalität, so dass in normalen Zeiten auch diese Faktoren im Preisniveau eskomptiert sind.

Eine Ausnahme hierbei würde allerdings ein militärischer Irankonflikt machen - ein solcher ist derzeit trotz Öl nahe 100 USD vom Markt nur gering eingepreist! Selbst die ständig zitierte böse Spekulation ist im Ölmarkt u.E. sehr unspektakulär; die CoT-Daten liegen im neutralen Bereich. Über den Futures-Markt kann der physische Ölmarkt nur sehr eingeschränkt und kurzfristig beeinflusst werden. Von dieser Seite könnte aktuell höchstens Preisdruck auf vielleicht noch einmal 80-85 USD pro Barrel herrühren. Langfristig spielt die Spekulation in einem Markt ohne relevante Lagerhaltung, in dem von der Öl-gierigen Welt ständig Lieferung verlangt wird, ohnehin keine Rolle! Im Gegensatz z.B. zum Goldmarkt kann es daher auch keine dauerhafte Preismanipulation über den "Papier-Öl"-Markt geben.


Fundamental Relevantes

Wir sehen derzeit nur drei Faktoren als fundamental preistreibend an, wobei der erste (die viel zitierte Nachfrage-Explosion vor allem in China) sein wahres Potenzial noch gar nicht entfaltet hat:


a) Der China-Effekt

Kaum etwas ist langfristig so stabil vorhersehbar wie die weltweite Nachfrage nach Öl.

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Die Rohölnachfrage steigt sehr stetig mit durchschnittlich 1,2% p.a.; Quelle: Bloomberg


Wie Abb. 1 zeigt, ist die Nachfragekurve über Jahrzehnte eine ab und zu etwas eingedellte Gerade, die mit gut 1%iger Jahresrate ansteigt. Kurzzeitige Abweichungen werden nur durch große Rezessionen oder Booms ausgelöst. Die weltweite Ölnachfrage ist extrem preisunelastisch, weil Öl zentrale Grundbedürfnisse der (modernen) Gesellschaften befriedigt. Sie wird daher primär von der Demographie und vom wachsenden Wohlstand beeinflusst. Beides sind sehr berechenbar steigende Prozesse. Potenziell Nachfrage-dämpfende Faktoren wie alternative Energien sind wegen des bislang unbegrenzt und sehr günstig verfügbaren Öls sowie wegen der recht einmaligen Eigenschaften von Öl und Benzin bis heute (!) kaum spürbar gewesen.

Von 2005-2007 wuchs die weltweite Ölnachfrage trotz des Booms in China, Asien und dem Nahen Osten von 82 Mio Barrel pro Tag (mbpd) auf -je nach Quelle- etwa 85 mbpd um etwa 1,2% p.a., was fast genau dem Durchschnitt seit 1980 entspricht und sogar unter den sehr langfristigen Wachstumsraten seit etwa 1970 lag! Die chinesische Nachfrage selbst ist dabei zwar in der Tat von 6,3 mbpd (2004) auf 7,6 (2007, OPEC-Angaben) weit schneller, nämlich um ca. 6,5% p.a. gewachsen - aber wegen der für die zweitgrößte Produktionsnation der Welt noch immer relativ geringen absoluten Basis war der globale Effekt entgegen den derzeit zuhauf publizierten Analysen noch (!) nicht hauptverantwortlich für 100-Dollar-Öl. Es gibt zwar Gerüchte über einen aktuellen Nachfrageschub Chinas von bis zu +15% p.a. oder mehr -evtl. mitbedingt durch den Aufbau einer staatlichen strategischen Ölreserve. Dies taucht aber zumindest in den offiziellen Statistiken bislang nicht auf. Der chinesisch-indische Nachfrageeffekt wird in den kommenden Jahren eine wesentliche Rolle bei der Preisfindung spielen. Bis heute war dies jedoch kaum der Fall, obwohl z.B. die International Energy Association (IEA) auch in ihrem ganz aktuellen World Energy Outlook Report (WEO) genau dieses Argument besonders hervorhebt…




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