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Friedrich Retzsch (1779-1857): "Die Schachspieler"

07.09.2024  |  Nicht von Belang
In diesem Beitrag soll es um eine Anekdote gehen, die auf einem zwei Jahrhunderte alten deutschen Ölgemälde basiert. Zu Beginn war nicht absehbar, dass aus einem zugesendeten unscheinbaren "3-Minuten-Clip" (Link) über einen dem Autor unbekannten Maler und eins seiner Gemälde diese umfangreiche Abhandlung entstehen könnte. Von der erlangten Erkenntnis bzw. dessen Tragweite ganz zu schweigen...

Die fast 150 Jahre (!) alte Anekdote erinnert ein wenig an "von Pontius zu Pilatus": Jeder reicht es dem Anderen weiter, ohne zu erkennen, dass die hoch gepriesene Erkenntnis bereits zu einer Farce verkommen ist. Höchste Zeit den Versuch einer Richtigstellung zu wagen, bei dem das geniale Kunstwerk in einem völlig anderen Licht erscheint – vielleicht exakt so, wie es der Künstler eigentlich beabsichtigte. ...



Der Erschaffer & Maler

Friedrich August Moritz Retzsch (1779-1857) war ein leidenschaftlicher Winzer, dessen Ambitionen noch heute im idyllischen "Retzsch-Gut" am Fuße der Radebeuler Weinberge zu finden sind. Der Sachse hatte sich vornehmlich als Maler, Zeichner und Illustrator hervorgetan. Große deutsche Dichter, keine Geringeren wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller (1759-1805) lobten seine Werke; Heinrich Heine (1797-1856) erwähnte ihn sogar in seiner "Die Harzreise". Sein Talent und Können verhalf ihm zu einer Stellung als Professor für Malerei an der Kunstakademie zu Dresden. Auch sein älterer Bruder, Karl Heinrich August Retzsch (1777-1835) war ein begabter Künstler, der Landschaftsmalerei studierte.


Das Gemälde

Eins seiner Werke zeigt die Szene zweier Spieler, die dem strategischen Brettspiel Schach frönen. Der Titel des Ölgemäldes lautet "Die Schachspieler". Da Retzsch einen Auftrag erhielt, Radierungen für eine Faustausgabe von Johann Wolfgang von Goethe zu illustrieren, ging das Motiv auch als "Mephisto mit Faust beim Schachspiel" in die Geschichtsbücher ein. In der englischsprachigen Kunstszene (!) wird das Meisterwerk interessanterweise auch unter "The game of life" ("Das Spiel des Lebens") geführt!

Wann genau der Künstler das Motiv des 84 x 98 cm großen Originals malte ist unbekannt. Widersprüchlich, aber recherchierbar sind die Jahre 1799, 1818 und 1831. Unklar ist auch, ob zuerst das Ölgemälde auf Basis einer Radierung entstand oder umgekehrt.

Im damaligen Jahrhundert gab es weder Scanner, Drucker, noch Fotoapparate. Vervielfältigungen bedeutender Werke entstanden mittels Nachbildungen (abmalen). Eine Recherche ergab, dass ausnahmslos alle derzeit im Netz auffindbaren Faksimile (Reproduktionen) fehlende, wie auch geänderte Gemäldedetails aufweisen. Das ist einerseits ein Dilemma, andererseits wäre es ein notwendiges Übel, um eine etwaige verborgene Botschaft bzw. eine unerwünschte Information des Malers eliminieren zu können.

Kommen wir nun zum Motiv und verweisen der Einfachheit halber auf einen Zeitgenossen Retzsch’s, der im "Das Pfennig-Magazin für Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse" im Jahr 1837 das Gemäldeszenario wie folgt beschreibt: https://www.bonaventura.blog/as/retzsch/index.htm

Den Zeitungsausschnitt in Kurzform wiedergegeben: Satan und ein Jüngling spielen Schach, das Spiel um Leben und Tod. Der Teufel (links) ist gut gelaunt, siegessicher und selbstbewusst, hat er doch bereits einen Großteil der gegnerischen Spielfiguren eingesammelt und scheint dem Sieg nahe zu sein. Der Genius (= Schutzgeist/-engel) scheint mit seiner betrübten, trostlosen Körperhaltung und Mimik die missliche Lage des Mitspielers (rechts) zu spiegeln. Sollte der Jüngling Schachmatt gehen, würde er seine Seele an die Dunkelheit verlieren.

Visionäre, wie Retzsch und viele andere, die teils abhängig von der Gunst ihrer Brötchengeber oder von ihrem gesellschaftlichen Umfeld waren, konnten (bzw. können wie heute auch) nur im Verborgenen kreativ tätig werden. Somit musste der erste (oberflächliche) Blick jenen Gesamteindruck erwecken, den sich bestimmte Kreise bzw. das Käuferklientel vorstellten. Im Fall von "Die Schachspieler" ist es die pure Angst und Verzweiflung eines "Normalos", als selbst postulierter, chancenloser Verlierer gegen den vermeintlich ach so großen Gegner anzutreten und den Spieleinsatz (die eigene Seele) an die Dunkelmächte zu verlieren. (Ähnlich diesem Artikel: Link)

Die überschwänglichen Lobpreisungen seiner Konkurrenten und Weggefährten, insbesondere die von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1823), können nicht vollends mit dem künstlerischen Talent des Malers erklärt werden. Er spielte nicht in der Liga eines Rembrandts – einem Genie der bildenden Künste, dessen weltweite Bekanntheit bis in die heutige Zeit andauert. Der Grund des vielen Lobes war mindestens (!) der "zweite Blick" (von drei), der die tollkühne Raffinesse des Malers offenbarte. Seine Zeitgenossen erkannten bereits damals das Verborgene und preisten seine Kühnheit.

«Ab und zu malt man ein Bild, das eine Tür zu öffnen scheint und als Sprungbrett zu anderen Dingen dient.»
- Pablo Ruiz Picasso (1881-1973), spanischer Maler, Bildhauer und Grafiker -


Die im Umlauf befindliche Anekdote

Eine Variante der Kurzgeschichte besagt (siehe erwähntes Video oder hier), dass ein Museumsführer tagtäglich unzählige Besucher durch die Hallen schleust und zu jedem Kunstwerk eine kurze Geschichte erzählt, wie jene Mär aus dem "Pfennig-Magazin". Eines Tages betrachtet ein geübter Schachspieler das Gemälde. Er fing an, das Schachbrett aufmerksam zu studieren. Plötzlich rief er: "Ich habe einen Spielzug gefunden, wenn er diesen einzigen Zug spielt, könnte er den Teufel im Nu besiegen!"

Die erste datierbare Anekdote erschien im Jahr 1888 (!) in der US-Wochenzeitung "Columbia Chess Chronicle" (Link). Sie verbreitete sich rasch und wie das so mit GeSchichten nun mal ist, jeder packt eine weitere "Schicht" dazu und so entstanden die unzähligen Versionen.


Über den Sinn eines jeden Spiels und der Unsinn der Anderen

Grundvoraussetzung eines jeden (Gesellschafts-)Spiels ist die uneingeschränkte Akzeptanz der freiwilligen Spielregeln, den sich alle Teilnehmer für die Dauer des Wettkampfes unterwerfen (müssen). Das Spiel selbst, als auch die Regeln, Bedingungen und Strafen wurden von einem Dritten erfunden. Nach Höhen und Tiefen endet der Spielverlauf mit einem Ergebnis, welches die Mitwirkenden in Gewinner und Verlierer selektiert!

Wie wir anhand der Anekdote wissen, können beide Spieler gewinnen! Aber ob der Jüngling tatsächlich so clever ist, ist weder an seiner Mimik, noch an anderen Dingen erkennbar. Der Spielausgang ist somit offen, er unterliegt der reinen Spekulation. De facto lässt der Maler den Betrachter im Ungewissen zurück!

Sollte es nicht logisch sein, das erst nach einem Spielende feststehen kann, wer die Schachpartie tatsächlich gewonnen hat? Kurioserweise haben sich aber zwei "Fanlager" gebildet, die jeweils meinen zu wissen, dass ihr Wunschkandidat in Zukunft siegen wird und nicht jener von der Gegnerpartei. Diese Arroganz verwundert, denn der Maler hat auf seinem Gemälde keinen von beiden zum Sieger erkoren! Vielleicht ging es dem Künstler auch nicht in allererster Linie um den Spielverlauf, sondern um die beiden Schachspieler? Der Titel des Gemäldes wäre immerhin ein Indiz dafür. Kürzen wir das Ganze an dieser Stelle ab…

Die Lösung des scheinbaren Rätsels ist simpel. Die genial dargestellte Schachpartie inkludiert zwei Aspekte:
  • In ihrer subjektiven Rolle fungiert sie als Ablenkung sowie als eine Art Alibi, paradoxerweise für beide Seiten. Mit jedweder Argumentation kann den Verfechtern beider Lager vorgegaukelt werden, sie und nicht die Gegenseite gehen als Gewinner hervor.

  • Die objektive Sicht offenbart das Geheimnis des Malers (den "3. Blick"), jedoch nur im Verbund mit einem weiteren, an dieser Stelle noch nicht erwähnten Puzzlestück. Und wie es der Zufall (!) so will, ausgerechnet dieses markante, hervorstechende Detail ist ausschließlich nur auf dem Original für Jedermann "sichtbar"! (Ein Schelm, wer…)




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