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Die Baisse hat begonnen - die Rezession vermutlich auch

16.02.2008  |  Claus Vogt
- Seite 4 -
Der Ausgang des Experiments ist noch immer offen

Schon relativ früh waren die in dieser Form vermutlich nicht geplanten Folgen dieser sehr aggressiven Politik erkennbar. Es bildete sich eine Immobilienblase, deren Ausmaß kaum übertrieben werden kann. Jedenfalls ist sie sehr viel größer und gesamtwirtschaftlich bedeutender als die vergleichsweise kleine Aktienblase Ende der 90er Jahre.

Anstatt zu einer tragfähigen Wirtschaftsstruktur zurückzukehren, wurden die Folgen einer vergleichsweise kleinen Aktienblase - die immer noch die größte aller Zeiten war - durch das Aufblasen einer noch viel größeren Immobilienblase zugedeckt. Die Fehlentwicklungen und Ungleichgewichte wurden auf diese Weise nicht nur nicht bereinigt, sondern sehr viel größer. Die Erwähnung der wichtigsten dieser Ungleichgewichte - nämlich Sparquote, Verschuldung, Leistungsbilanzdefizit und natürlich die Spekulationsblase selbst - mag hier genügen.

Damit wurde die entscheidende Frage natürlich noch immer nicht beantwortet. Stattdessen wurden lediglich Aufbau und Umfang des Experiments und die damit einhergehenden Risiken erheblich vergrößert.

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Wie wird es weitergehen?

Jetzt, nachdem die Immobilienblase geplatzt ist, stellt sich natürlich erneut die Frage, wie das Experiment ausgehen wird. Bernanke hat erwartungsgemäß mit schnellen und drastischen Zinssenkungen reagiert, und die US-Regierung hat bereits das erste Konjunkturprogramm in Höhe von 150 Mrd. Dollar beschlossen. Ich gehe davon aus, dass im Lauf der Rezession weitere Zinssenkungen und Konjunkturprogramme folgen werden, vermutlich Schlag auf Schlag. Dann heißt es, auf die Ergebnisse warten.

Ein möglicher Ausgang besteht natürlich darin, dass eine weitere Spekulationsblase entsteht. Dann wäre der Ausgang des Experiments erneut verschoben.

Oder die Vertreter der Wirtschaftssteuerungsthese bekommen Recht, die Wirtschaft wird einen relativ unbedeutenden zyklischen Abschwung erleben, dem der nächste Boom folgen wird.

Oder aber die These der Österreichischen Schule der Nationalökonomie erweist sich als richtig. Sie besagt, dass der gesamtwirtschaftliche Schaden im Anschluss an eine geplatzte Blase von der Größe der Blase abhängt. Wenn diese Sichtweise sich als richtig erweisen sollte, dann stehen und sehr schwierige Zeiten bevor.

Als eher vorsichtiger Anleger und Familienvater hätte ich es vorgezogen, auf dieses Experiment zu verzichten. Als von faustischer Neugier getriebener Analyst sehe ich dem Ergebnis allerdings mit großer Spannung entgegen.


"Hurra, das wird die schönste Rezession aller zeiten"

Wie Sie wissen, wurde die sich abzeichnende Rezession viele Monate lang weitgehend ignoriert oder sogar geleugnet und weggeredet. Die schnellen und deutlichen Zinssenkungen, aber auch die sich verschlechternden Daten der gleichlaufenden Wirtschaftsindikatoren, führten zu einem abrupten Ende dieser Vogel-Strauß-Politik. Schließlich lassen sich die geldpolitischen Schritte der US-Notenbank vor dem Hintergrund relativ hoher offizieller Inflationszahlen selbst aus Sicht überzeugter keynesianischer Marktmanipulateure nur dann wenigstens halbwegs rechtfertigen, wenn die Wirtschaft am Rande einer Rezession steht.

Letzteres wurde bis vor kurzem aber noch ganz massiv geleugnet. Genauso, wie die Immobilienblase zunächst geleugnet wurde oder die immer deutlicher um sich greifende Kreditkrise.

Ein Realist ist bekanntlich ein durch Theorie und Praxis geschulter Optimist, der erkannt hat, dass mit Optimismus zur falschen Zeit und am falschen Ort sehr viel Schaden angerichtet werden kann. Die zahlreichen Permabullen und Daueroptimisten an der Wall Street und in der Politik scheinen vollkommen resistent zu sein gegen Erkenntnisse aus Theorie und Praxis, die ihr vorgefertigtes Weltbild erschüttern würden. Anstatt sich der Realität zu stellen, suchen sie unter großen Anstrengungen nach Erklärungsansätzen und Ideen, die es ihnen ermöglichen, weiterhin bullish sein, komme was da wolle.

In diesem Sinne zeichnet sich jetzt ein neues Konsensus-Szenario ab, nachdem das alte (keine Rezession, kein Platzen der Immobilienblase bzw. keine negativen Folgen für die Gesamtwirtschaft, keine ktienbaisse) im Lauf heftiger Rückzugsgefechte aufgegeben werden musste.

Das neue Konsensus-Szenario lässt sich ganz hervorragend mit einem Satz auf den Punkt bringen, der leider nicht mir eingefallen ist, sondern meinem Effektenbank-Kollegen Herrn Holznagel. Und dieser Satz lautet: "Das wird die schönste Rezession aller Zeiten." Sie werde ganz harmlos ausfallen, und sie werde schon vorüber sein, kaum dass sie begonnen hat.

Natürlich ist dieses Szenario möglich. Aber ich halte es für überaus unwahrscheinlich, weil die Ungleichgewichte - vor allem die platzende Immobilienblase - ein extrem großes und gefährliches Ausmaß erreicht haben. Als vorsichtiger Anleger hoffe ich auf das Beste, bereite mich aber gleichzeitig darauf vor, dass dieses Beste vielleicht doch nicht eintritt. Alles Andere erscheint mir viel zu riskant.




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