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Das Schweizer Bankgeheimnis - Großangriff - Sieg oder Niederlage?

19.03.2008  |  Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Die großen "Trockenleger"

Das bestehende Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU, demzufolge sich die Schweiz erstmalig als Steuereintreiber für das Ausland betätigt, brachte viel weniger als erwartet. Demzufolge will der EU-Ministerrat dieses Abkommen verschärfen "um Steueroasen trockenzulegen". Auch alte wie neue deutsche Finanzminister überbieten sich im Trockenlegungsvokabular gegenseitig. Zu diesen Attacken äusserte sich die Schweizer Bundesrätin Calmy-Rey in einem Interview:

"Wir sind keine Steueroase. Wir haben nicht das gleiche Stiftungsrecht wie Liechtenstein. Die Frage der Zinsbesteuerung ist in den Bilateralen II - Verträgen langfristig geregelt. 2006 haben wir via Zinsbesteuerung eine halbe Milliarde Franken an die EU abgeliefert. Letztes Jahr dürfte es noch mehr gewesen sein. Wenn die EU-Länder dieses Geld nicht wollen, können wir es gerne für unsere Entwicklungszusammenarbeit verwenden. Wir haben das Zinsbesteuerungsabkommen nach langen harten Verhandlungen mit der EU abgeschlossen. Wenn es Lücken hat, ist das nicht unser Problem. Unser Bankgeheimnis ist in verschiedenen Verträgen langfristig mit der EU abgesichert. Es besteht kein Handlungsbedarf."

Und der Nationalrat schlägt vor, Mitglieder der deutschen Steuerbehörden nicht mehr in die Schweiz einreisen zu lassen, da sie Bankangestellte zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen animieren, was einem Angriff auf einen souveränen Staat entspräche.


Ist das große Zittern angesagt?

Wie sieht es in Liechtenstein nach den massiven Berliner Verbalattacken aus? Sind denn nun die Bankkunden im "Ländle", was deutscherseits neuerdings als ein Art "Schurkenstaat" hingestellt wird, in helle Panik verfallen? Ziehen sie ihre Mittel in hektischen Aktionen zurück, nachdem das große Deutschland auf den Zwergstaat in hektischer Weise eingedroschen hat? Dem scheint nicht so. Das liechtensteinische Vermögensverwaltungsinstitut beispielsweise, meldete im März 2008 für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Steigerung des Reingewinns um 19,7% auf 161,5 Mio. Franken. Gleichzeitig gelang es, die Kundenvermögen um 18,1% auf 41,9 Mrd. Franken zu steigern, wobei fast die Hälfte auf Nettoneugelder entfiel. Als Verwalter der drittgrößte Bank des Fürstentums (nach der LGT und der Liechtensteiner Landesbank) gibt sich das Management zuversichtlich.

Trotz der in den Medien in einer gewaltigen Kampagne populistisch aufgebauschten Steueraffäre mit Deutschland waren bislang keine Abflüsse von Kundengeldern zu verzeichnen. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die Liechtensteiner (etwa 35.000 Einwohner) selbst waren als drittstärkste Kundengruppe mit einem Anteil von 13% vertreten, übertroffen von den Deutschen mit 17%. Als Führungsgruppe haben sich die Schweizer mit 25% Anteil sicher etabliert. Andere Banken dürften ähnliche Zusammensetzungen im in- wie ausländischen Kundenvermögen aufweisen.

Das Institut hat sich zum Ziel gesetzt, bis Ende des Jahres 2009 seine Kundengelder auf insgesamt 44 Mrd. Franken aufzustocken. Hierbei geht der Trend eindeutig in Richtung Mittlerer und Naher Osten sowie Asien.


Wer war die Schlüsselfigur?

Zunächst einmal sind keine "Daten der LGT-Bank" "als solche" entwendet worden, wie in den Medien ("alle Bankdaten liegen den deutschen Behörden vor") sondern nur Daten eines juristisch unabhängigen Teilbereiches dieser dem Fürstenhaus gehörigen Großbank. Die Medien erweckten den Eindruck, dass alle Bankkonten, Kundenlisten und Zahlenwerke der LGT den Ermittlern inzwischen bekannt seien, und dass somit alle Betroffenen, die in LI irgendein Konto unterhalten, zittern müssten.

Das ist absoluter Unfug. Nur Daten aus einem Teilbereich und diese dazu aus dem Jahren 2001 - 2003 sind entwendet worden. Es handelt sich den bisherigen Ermittlungen zufolge um einen ehemaligen 42-jährigen Mitarbeiter (es wird häufig der Name Heinrich Kieber genannt), der sich in Australien aufhalten soll.

Er hat in den Jahren 2001 und 2002 per Datentransfer auf ein neues Software-System der Stiftungsabteilung der Bank, der Tochter "LGT Treuhand AG", Informationen gestohlen. Einige hundert Kunden von damals sind nun bekannt. Der Mann wurde im Januar 2004 durch das Obergericht wegen schweren Betrugs, Nötigung, Urkundenunterdrückung und -fälschung, Entwendungen von Geschäftsgeheimnissen usw. zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Ausserdem war schwerer Betrug mit Immobiliengeschäften in Spanien wie auch andere Betrügereien begangen worden. Gefälschte Reisepässe tauchten auf und andere kriminelle Machenschaften kamen ans Tageslicht. Es handelt sich also eindeutig um ein kriminelles Schwergewicht.

Im vergangenen Jahr bot der Mann Konten-Daten sowohl amerikanischen wie auch deutschen Behörden an, was eine Welle von Ermittlungen führte. Andere Meldungen, wonach auch Daten aus dem Jahre 2005 entwendet worden seien, wurden von liechtensteinischer Seite aus nicht bestätigt, da der Mann bereits Anfang 2004 verurteilt worden war.


Schweizer Gesetze

Dass sich der Bundesnachrichtendienst BND jetzt quasi als verlängerter Arm der Steuerbehörden etabliert und Kriminellen Millionenbeträge zahlt, ist eine völlig neue Dimension, die bei den einzelnen Banken wie auch der gesamten Branche, einschliesslich der Staatsführungen beider Länder (also LI und CH) auf absolutes Unverständnis stösst. Derartige Aktionen verbotener wirtschaftlicher Nachrichtendienstleistungen fallen unter Artikel 273 des Schweizer Strafgesetzbuches. Es muss auch daran erinnert werden, dass grundsätzlich alle nachrichtendienstlichen Aktivitäten (Auskundschaften von Unternehmen und Banken) auf fremden Territorien gemäss den jeweils geltenden Gesetzen illegal sind.

Die Andienung von Bankkundendaten auf Ersuchen ausländischer Geheimdienste und Behörden fällt in der Schweiz unter die Rubrik strafrechtlich geschützter Individualrechte. Bankangestellte würden wegen Verletzung des Bankkundengeheimnisses nach Artikel 47 des Bankengesetzes sowie wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (Artikel 162 Strafgesetzbuch) zur Verantwortung gezogen und müssen mit hohen Strafen rechnen. Übrigens ganz genau so, wie ausländische Agenten, Behördenvertreter oder Beamte wegen Anstiftung zur Verletzung von Gesetzen. Ausserdem bringt die grenzüberschreitende Weitergabe solcher Daten ausserhalb des hierfür vorgesehenen Rechtshilfeweges eine Verletzung der Souveränitätsrechte mit sich.

Ausforschung und Weiterleitung von Bankkundendaten auf Veranlassung einer ausländischen Macht fällt zudem unter dem Artikel 271 Strafgesetzbuch. Ebenso erfüllt ist der Tatbestand wirtschaftlicher Spionage (Art. 273 StGB). Wegen der Verschwiegenheitspflicht gefährdet ein unerlaubter Transfer solcher Daten auch ökonomische Interessen der Schweiz (BGE 111 IV74). Die entsprechenden Strafnormen gelten hierbei auch für ausländische Förderer oder Anstifter solcher Taten. Dass die Schweiz solchen Rechtshilfeersuchen nachgeben wird, die aufgrund derartiger Daten entstanden sind, ist wegen der Verletzung der Souveränitätsrechte unwahrscheinlich. Ausserdem sind die in internationalen Konventionen, wie der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Minimalgarantien ("fair trial") durch Verwendung illegal beschaffter Beweismittel verletzt, die zu einem unfairen Verfahren führen würden.




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