Das Schweizer Bankgeheimnis - Großangriff - Sieg oder Niederlage?
19.03.2008 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Selektive DemokratieDie Steuergesetze und das Regelwerk im Finanzwesen wurden in beiden von der Kampagne betroffenen Ländern auf absolut demokratische Weise erschaffen. Schweiz und Liechtenstein (abgesehen vom Einfluss des Fürstenhauses) sind echte Graswurzeldemokratien, mit denen sich kein anderes Land auch nur annähernd vergleichen kann. Jedem Bürger steht es frei, zu einer beliebigen Thematik Unterschriften zu sammeln. Erreicht man damit 150.000 (eine bescheidene Zahl), muss dieses Problem "vors Volk" - dem einzigen "Souverän". Das mag mitunter schon fast zum Lächeln reizen, denn es kann (und wird auch) solchermassen über Hundehalsbänder, Wiesenraine, Schlusslichter, Sahnegehalte, Teilmantelgeschosse, Webkanten, Waffenschränke in der Küche oder Verwurmung von Triften abgestimmt. Genau so aber auch über KfZ-, Kantons- und Unternehmens-Steuern, über Wehrpflicht, Steuerstrafrecht, Bankgeheimnis, EU-Beitritt, Rüstung, Fluglärm, Entwicklungshilfe, Kohäsionsmilliarden, Ausländerzuzug, Alpentunnelbau, Autobahngebühren und andere wichtige Themen strategischer Natur.
Ein glattes Überfahren des Volkes, wie es in Deutschland zur Einführung des (T)Euro geschah, wäre in der Schweiz unmöglich. Immerhin waren 75% aller Deutschen gegen diese ideologisch künstlich aufgepfropfte Kunstwährung, 20% waren unentschieden und nur 5% klar dafür. Die D-Mark war stocksolide und hatte sich in Jahrzehnten bewährt. Dass der Euro seit einer Einführung etwa 50% seiner Kaufkraft verloren hat, sei als Kleinigkeit nur am Rande vermerkt.
Bei seinem Treffen mit Merkel in Berlin (als Begegnung zwischen David und Goliath) hob der liechtensteinische Ministerpräsident Hasler hervor, dass sein Land die Mehrwertsteuerdelikte bereits rechtshilfefähig gemacht habe. Mit der Ratifizierung des Schengener Abkommens übernehme man auch die dortigen Bestimmungen zur Rechtshilfe. Die Übernahme der dritten EU-Richtlinie zur Geldwäsche ist in Vorbereitung und für das Stiftungsrecht sind erhebliche Veränderungen im Kommen. Nebenbei: Stiftungen sind keineswegs "steuerfrei", sie unterliegen nur einem sehr günstigen Steuersatz, was sie attraktiv macht. Ausserdem sind eine ganze Reihe von Stiftungen gemeinnütziger Art.
Nur ein Beispiel (und es gibt viele andere): Jakob von Uexküll besitzt als Begründer des Alternativen Nobelpreises eine Stiftung, die nicht wissenschaftliche Leistungen, sondern soziale, humanitäre und ökologische Projekte unterstützt und auszeichnet. Unter der Bezeichnung "World Future Foundation" soll dieser Alternative Nobelpreis mit erheblichen Mitteln weltweit gefördert werden. Auch der vom Stifter ins Leben gerufene "Welt-Zukunftsrat" oder "World Future Council" erfährt durch diese Einrichtung tatkräftige Unterstützung. Das Stiftungen ein finsteres Konglomerat von reichen Verbrechern und heimtückischen Steuerhinterziehern darstellen, ist also weit entfernt von der Wahrheit.
Dass die zugrunde liegenden Gesetze (der Schweiz) durch Volksabstimmungen, Bundesrat, Nationalrat, Ständerat und auch durch die 26 Kantone geschaffen und abgesegnet wurden, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Demokratie (extremer als in der Schweiz kaum noch durchführbar) ist nur solange gut, wie sie den eigenen Interessen - in diesem Falle der EU und Deutschlands - nicht widersprechen.
Der Demokratiebegriff wird plötzlich sehr "elastisch" und unterliegt selektiver Anwendung. Ähnliches geschah, als der österreichische Politiker und Landeshauptmann Haider auf völlig demokratische Weise Einzug ins Wiener Parlament hielt. Brüssel und Deutschland fielen über diesen gemässigt Rechtslastigen mit einer Vehemenz her, die kaum zu überbieten war. Plötzlich galten demokratische Regeln - gekonnt selektiv - nicht mehr. Der Schuss ging insofern nach hinten los, als die Schweizer ernüchternd sehen mussten, wie es ihnen als Mitglied der EU und unter der Knute Brüssels ergehen würde. Die Sympathien für einen EU-Beitritt kühlten sich schlagartig auf die Temperatur von sibirischem Flüssiggas ab.
Brutales Vorgehen der Ledermanteltruppen
Berlin nutzt natürlich den Fall der gestohlenen Bankdaten, um abschreckendes Exempel gegen Steuerhinterziehung zu statuieren. Da rücken Zehnergruppen markiger Gestalten in Ledermänteln in militärischen Formationen gegen hunderte von verschlafenen Bürgern im ersten Morgengrauen vor und räumen Häuser und Wohnungen nahezu komplett aus. Die Kosten dieser ständig wachsenden kleinen Armee von staatlich lizensierten Brutalniks müssen ernorm sein und diese müssen auch bestimmte Fangquoten und "Erfolge" nachweisen.
Selbst wenn nichts Verdächtiges gefunden werden kann, sind die Betroffenen, die meist in Handschellen, gut sichtbar für alle Nachbarn und oft vor laufenden Kameras höchst medienwirksam abgeführt werden, so gut wie ruiniert. Wer wird denn noch Geschäfte mit Kriminellen oder Vorbestraften machen? Der Makel allein genügt. Tatsachen kommen erst Monate später ans Tageslicht, falls überhaupt. Zumwinkel z.B. war schon per Fernsehen abgeurteilt, bevor sein Prozess überhaupt begonnen hat. Ohne Zweifel: Der Staat geht auf immer schärferen Konfrontationskurs gegen seine Bürger. Eindringlich werden diese immer wieder zur Selbstanzeige aufgefordert. Doch blieb eine Welle dieser Anzeigen trotz allen Druckes bisher aus.
Dass so nahezu die gesamte Bürgerschaft grundsätzlich als potentiell kriminell eingestuft wird ist mit der Rechtsstaatlichkeit nicht zu vereinbaren. Ausserdem sollte jeder Angeklagte solange als unschuldig gelten, bis er (im Gegensatz zum Falle Zumwinkel) im Rahmen ordentlicher Gerichtsverfahren rechtskräftig verurteilt worden ist. Dass der Rechtsstaat zudem Geschäfte mit Kriminellen macht, gestohlenen Daten ankauft und Verbrechern Gelder in Millionenhöhe überweist, so dass diese lebenslang ausgesorgt haben, ist mehr als bedenklich und keinesfalls verfassungskonform. Wenn ein sog. freiheitlicher Rechtsstaat von Straftaten profitiert ist es mit "Recht im Staat" nicht mehr weit her.
Verdruss, Neid, Angst und wachsende Scharen von "Reichen"
Inzwischen werden also ganze Bevölkerungsgruppen, wie z.B. alle "Besserverdiener", als potentielle Steuerbetrüger verdächtigt. Misstrauen und Angst wachsen. Demonstrierende tragen Plakate mit Aufschriften wie: "Spendet für die armen Reichen" oder "Reiche hinter Gitter". Vermutlich werden die "Reichen" alles tun, um ihr Vermögen soweit wie möglich, eben diesem Druck zu entziehen. Wäre es nicht besser, ein einfaches, gerechtes und verständliches Steuersystem zu schaffen, mit Sätzen, die vertretbar und plausibel sind, wie sie jahrtausendelang als "Der Zehnte" gerne bezahlt wurden? Das Übel mit immer schärferen Massnahmen zu bekämpfen, schafft dieses nicht aus der Welt. Man muss die Ursache angehen und das Übel mit der Wurzel ausreissen. Dann legten sich die Steueroasen von ganz alleine trocken. Verbleibt den Bürgern ein größerer Teil ihres Einkommens, käme dies der Kaufkraft und damit den Umsätzen und damit der Wirtschaft und damit der Schaffung von Arbeitsplätzen zugute.