Das Schweizer Bankgeheimnis - Großangriff - Sieg oder Niederlage?
19.03.2008 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Doch der steuerpolitische Modetrend läuft in eine andere Richtung. So stieg die Zahl derjenigen, die unter den Spitzensteuersatz von 42% fallen, zwischen 1993 und 2003 von 340.000 auf 800.000 und dürfte inzwischen die Millionengrenze überschritten haben. Es werden also jetzt drei Mal so viele mit dem Höchststeuersatz belastet wie damals, und bald dürfte diese Zahl stark ansteigen. Dafür wird die Inflation und der entsprechende Vergütungsausgleich schon sorgen. Die Einkommen steigen, doch der Staat nimmt diese Steigerungen dank dem Aufrücken in höhere Steuerklassen wieder weg. Was Wunder, dass die Kaufkraft der deutschen Durchschnittsfamilie 2005 und auch 2006 um je 1,1% abnahm, und 2007 noch einmal um 1,3%. Für 2008 könnte gar ein Minus von 2% oder darüber anstehen. Erstaunlich: Laut der renommierten Süddeutschen Zeitung rutscht ein Arbeitnehmer bereits schon dann in die Spitzensteuergruppe, wenn er lediglich das Doppelte des durchschnittlichen Jahresarbeitslohns von reichlich 27.000 € erreicht. Auf diese Weise werden klammheimlich immer mehr "Reiche" geschaffen, die dann endlich mal ordentlich bluten müssen, wie es die "Gerechtigkeit" der Linken verlangt. Am Schluss ist es dann die Mehrzahl der Bevölkerung. Der vielgerühmte "wirtschaftliche Aufschwung" aber geht am Bürger vorbei. Die Nettoeinkommen sinken seit Jahren, dafür steigen aber wenigstens die Steuern. Und damit es den Bürgern dennoch nicht etwa zu wohl wird (etwa 10 Millionen Deutsche leben bereits unter der Armutsgrenze), heizt sich die Inflation kräftig auf. Jede Hausfrau weiss: Die "gefühlte Inflation" kommt der Wahrheit sicherlich näher als frisierte amtliche Statistiken.
Und die Teuerung kennt keine Gnade. Im Februar 2008 erreichten die jahresbezogenen Raten - im Vergleich zum Vorjahr - beispielsweise im Bildungswesen satte 34,9%. Für Nahrung und Getränke mussten 7,4% und im Verkehrswesen 4,3% mehr bezahlt werden. Soweit zur Lage in Deutschland.
Wie ist die Schweiz betroffen?
Helvetien hat sich im Rahmen des zweiten bilateralen Vertragspakets mit der EU das Bankgeheimnis bewahrt. Vor 2012 stehen keine nun offiziell keine neuen Verhandlungen an und es besteht berechtigte Hoffnung, dass die EU bis dahin den Weg allen Fleisches gegangen ist. Zumindest ist es keine ausgemachte Sache, dass die prinzipiell seit 1291 bestehende Schweiz die erst wenige Jahre existierende EU nicht überleben sollte. Doch könnte sich die Alpenrepublik mit ihrer Graswurzeldemokratie in Sachen Steuerflucht dennoch neuem EU-Druck ausgesetzt sehen. Auf dem Marsch in den Welteinheitsstaat, auf dessen Weg die künstliche Errichtung der EU mit ihrem diktatorischem und nicht gewählten Brüssel einen wichtigen Meilenstein darstellt, ist die auf nationaler Selbständigkeit beharrende Schweiz ein hässlicher Störfaktor.
Eine Meldepflicht für amerikanische Vermögen besteht bereits seitens der Schweiz. Hier musste sich die Schweiz mit Milliarden freikaufen, ansonsten wäre der Finanzplatz New York für Schweizer Banken geschlossen worden. Ironischerweise ist ausgerechnet die stark "amerikanisierte" UBS gerade wegen ihrer New Yorker Aktivitäten und gerade wegen der am US-Banksystem ausgerichteten Strategien in größte Schwierigkeiten geraten. Seit Juli 2007 fiel die UBS-Aktie von 80 auf bislang 28 Franken und nach immensen Abschreibungen ist auch weiterhin Ungutes zu erwarten.
Und der Franken? Einst waren fast 5 Franken für einen Dollar im Umtausch fällig. Jetzt ist der Franken erstmals mehr als einen Dollar wert. Tendenz: Weiter fallend! Wenn das die Merkmale der Stärke einer Großmacht sind, dann ist der Schweizer Käse künftig ohne Löcher. Man wird abwarten und sehen müssen, ob das marode US-Finanzsystem, das weitgehend solide (Ausnahme UBS) Schweizer Bankensystem überlebt oder umgekehrt.
Vorerst ist die Schweiz wegen ihres milden fiskalischen Klimas im internationalen Standortwettbewerb (noch) bestens positioniert. Das missfällt den Hochsteuerländern. Und da die EU auf der Basis bestehender Vertragswerke keine Möglichkeit hat, die helvetische Unternehmens- und sonstige Besteuerung direkt zu beeinflussen, wird versucht, die Schweiz durch psychologischen und propagandistischen Druck und auf Neid basierende Rundumschläge in die Mangel zu nehmen. Jedenfalls möchte Berlin nun diese für Amerika gültige Meldepflicht auch auf die Gelder deutscher Bürger - und Brüssel diese auf Schweizer Konten von EU-Bewohner - ausdehnen.
Die EU-Richtlinie über grenzüberschreitende Besteuerung von Zinserträgen natürlicher Personen mit Wohnsitz in der EU, wie sie u.a. die Schweiz verwirklicht hat, soll auf weitere Kapitalerträge (z. B. Dividenden) und auch auf juristische Personen ausgedehnt werden. In entsprechender Weise wären auch die Zinsbesteuerungsabkommen mit fünf Drittstaaten, darunter die Schweiz, Andorra, Liechtenstein und Monaco, im Sinne Brüssels und Berlins anzupassen. Doch das ist nicht alles: Von den drei EU-Mitgliedern Österreich, Belgien und Luxemburg sowie den fünf Nicht-EU-Drittstaaten, die alle acht mit Rücksicht auf das Bankgeheimnis nicht den automatischen Informationsaustausch mit der EU eingeführt haben, sondern eine Art Quellensteuer einziehen und anonym abführen, soll jetzt noch Amtshilfe in Steuersachen eingefordert werden. Dies käme einem Knacken der dortigen Bankgeheimnisse gleich.
Regeländerungen mitten im Spiel
Die Diskreditierung der acht Länder mit Bankgeheimnis läuft also. Schlimmer aber ist die Nicht-Respektierung Berlins gegenüber geltenden Staatsverträgen. Die grenzüberschreitende Zinsbesteuerung ist seit Juli des Jahres 2005 in Kraft und wird bis 2011 mit einem bis dahin gestiegenem Steuersatz von dann 35% zur Gänze umgesetzt sein. Erst danach, wenn überhaupt, wären Neuverhandlungen möglich. Berlin aber will eine Regeländerung mitten im laufenden und vertraglich abgesicherten Spiel, da dies wahltaktisch und innenpolitisch opportun erscheint, und um vom eigenen Versagen besser ablenken zu können. Die Sündenbock-Methode ist uralt. Ein schleichender Glaubwürdigkeitsverlust Deutschlands und auch Brüssels als verlässliche Rechtsgemeinschaften und -partner ist nicht mehr zu übersehen.
Gegen diesen Hintergrund macht es sich natürlich gut, Polit-Reizworte (Steuerverbrecher) zu erfinden, einige besonders knackige Sündenböcke (Zumwinkel) aufzuspüren, und diese der wegen fallenden Lebensstandards der immer lauter murrenden Menge im Triumph als nationalen Abschaum zu präsentieren.
Wer eignete sich dazu besser, als "die Reichen", die "Steuerhinterzieher" sowie die viel zu viel verdienenden Manager. Die Masse des Wahlvolkes wird man dann stets hinter sich haben, denn diese wird nie "reich" sein, wird nie "unanständig viel" verdienen und wird höchstens mit kleinen Beträgen dem Volkssport der Steuerschummelei frönen. Markige Sprüche, wie "Trockenlegung der Steueroasen" (die Schweiz ist keine), "Siegreicher Generalangriff auf Finanz-Verstecke der Reichen", "Steuer-Gerechtigkeit für die Armen", "Besserverdiener gerechter besteuern", "Weg mit dem kriminellen Schweizer Bankgeheimnis", "Schweiz hilft Steuerbetrügern", "Reiche als neue Sozialfälle", "Stopft das Schlupfloch Schweiz", "Gebt den Steuerbetrügern des Zwergstaates eins auf die Nase" und ähnliches, machen sich da gut. Man überbietet sich mit verbalen Exzessen - ganz besonders vor den Wahlen. Was Wunder, dass auch das Geschäft der tiefroten Linken blüht, dieser gekonnten Mischung aus Sozialromantikern, Gerechtigkeitsfanatikern und beinharten Mauer-Schiess-Kommunisten, denen der Steigbügel in den Sattel der Macht zumindest von einer der grossen deutschen Parteien geradezu freundlich-aufmunternd gehalten wird.