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US-Konjunktur im Mai 2008

09.06.2008  |  Mack & Weise
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Henry Paulson und Ben Bernanke, die, die die Krise nicht haben kommen sehen aber dafür jetzt deren Ende erkennen können, lassen zur Beruhigung der Investoren den "statistikfrisierten" Wind aus dem US-Finanzmärchenwald wehen, womit den Finanzmärkten immer (rein zufällig) die gerade notwendigen Konjunkturdaten präsentiert werden!


USA - Eine (Börsen-)Traumfabrik

Trotz aller Kassandrarufe konnte die US-Wirtschaft im 1. Quartal 2008 eine annualisierte, also eine auf ein Jahr hochgerechnete Wachstums-Punktlandung von (angeblich) 0,6% ausweisen und die Erfüllung der Definitionskriterien für eine Rezession erfolgreich abwehren. 0,6% reales, also inflationsbereinigtes Wachstum, ein deutlicher Anstieg der Auftragseingänge oder ein besser als erwartet ausgefallener Arbeitsmarktbericht - das sind die Nachrichten, die die Börsen "fliegen" lassen. Tatsächlich aber täuschen die auf den ersten Blick positiven Konjunkturdaten über die wirkliche Situation hinweg, welche die sich hinter ihren alles rosa färbenden Brillen versteckenden Experten und Börsianer nicht erkennen können … oder wollen!

Schließlich erfolgt die Ermittlung des US-BIPs nicht etwa durch einen Vergleich der Schlusswerte eines Quartals, nein es wird der Durchschnitt des abgelaufenen Quartals mit dem des vorherigen Quartalsdurchschnittes verglichen und daraus das Wachstum abgeleitet mit dem Effekt, dass konjunkturelle Wendepunkte tendenziell zu spät angezeigt werden! Damit entfalten die negativen Konjunkturdaten aus dem März (niedrigere Industrieproduktion in Vergleich zu Dezember und Januar, Rückgang des verfügbaren Einkommens im Vergleich zu Januar oder der massive Rückgang der Häuserverkäufe seit Jahresbeginn bzw. der Hausbaubeginne) erst viel später ihre Wirkung, so dass dann gern von einer "völlig unerwarteten Entwicklung" gesprochen werden kann. Der FED-Chef von Minneapolis, Gary Stern, also einer der es wissen muss, beantwortete erst dieser Tage die Frage des WALL STREET JOURNALS, ob sich eine Rezession vermeiden ließe, simply mit "Nein."

Weitere Details genauer unter die Lupe genommen zeigen wenig Feiernswertes: So sollen plötzlich allein die realen Ausgaben für Dienstleistungen um sagenhafte 3,4% zugenommen und so mit 1,43 Prozentpunkten zum BIP-Anstieg beigetragen haben. Weshalb - das bleibt ein amerikanisches Geheimnis. Der verstärkte Lageraufbau, ein Zeichen für Kaufzurückhaltung und kommenden Gewinnmargendruck, verhalf im ersten Quartal (0,81 Prozentpunkte) ebenfalls mit zur Punktlandung. Nur … irgendwann platzen auch die größten Lagerhallen und damit die Illusion einer vermeidbaren oder schlimmstenfalls "milden" Rezession.

Der 1,4%-Anstieg der Auftragseingänge (ggü. dem Vormonat) suggeriert gesteigerte US-Exportchancen. Wirklich? Magere 0,22 Prozentpunkte haben die realen Netto-Exporte zum 0,6%-Wachstum des 1. Quartals 2008 beigetragen (Vergleich: Rüstungsausgaben 0,28 Prozentpunkte), nachdem diese in jedem der letzten drei Quartale noch bei mehr als einem Prozentpunkt lagen! Eine Fünftelung als Ausdruck von schierer Exportgewalt. Klasse!

Der Rückgang der Exporte, trotz eines schwachen Dollars, sorgte konsequenterweise am Arbeitsmarkt für gute Stimmung. Beim vierten Rückgang in Folge verloren lediglich 20.000 (erwartet 50.000), ohne Berücksichtigung der Landwirtschaft, ihren Job, so dass die durch Umfragen (!) bei US-Haushalten ermittelte Arbeitslosenquote von zuvor 5,1% auf 5,0% fiel. Diejenigen, die sich frustriert von monatelanger, erfolgloser Job-Suche nicht mehr um eine neue Stelle bemühen, werden Statistik-freundlich ausradiert. Die tatsächliche Arbeitslosenquote dürfte daher bei etwa 13% liegen und macht so das stark eingetrübte Stimmungsbild der Verbraucher erklärbarer. Parallel dazu wurde das offizielle Jobverlust-Minus des Vormonats nach oben, auf 81.000, revidiert - leider ein schon gewohntes Spiel! Im Juni dürfen wir dann gespannt verfolgen, wie der jetzt an den Börsen gefeierte April-Arbeitsmarktbericht wieder realistischere Züge - weil dann nicht mehr Illusionen zerstörend - annimmt. Hinweise auf brisante Entwicklungen am US-Arbeitsmarkt gibt der Arbeitsmarktbericht hingegen nur selten. So mussten beispielsweise im Februar US-Arbeitnehmer eine halbe Million Mal häufiger als noch ein Jahr zuvor von einer vollen Stelle auf Teilzeit umstellen - ein Zuwachs von 21%. Kein Wunder also, dass das US-Konsumentenvertrauen trotz aufpolierter Konjunkturdaten aktuell so schwach ist wie zuletzt Anfang der 80er Jahre! Die Realität lässt sich eben nicht durch statistische Zahlenspielchen aufhübschen!

Da die Entwicklung am Arbeitsmarkt auch Rückschlüsse auf mögliche Konsum-ausgaben zulässt, sind hier weitere Details interessant. Nach wie vor findet bei konjunkturempfindlichen Sektoren (Einzelhandel, Bau und Industrie) ein heftiger Stellenabbau statt. Inzwischen sind im amerikanischen Gesundheitssektor mehr Menschen beschäftigt als in der Industrie - nicht ganz unwichtig, wenn man die mögliche Dauer einer Rezession abschätzen möchte!

Dank eines kreativen Net Birth/Death-Modell des US-Arbeitsministeriums soll der landesweite Stellenabbau auf Jahressicht für den flexiblen Amerikaner folgenlos geblieben sein. So "erschufen" die Statistiker selbst für den seit dem Platzen der Immobilienblase in einer Rezession befindlichen Bausektor allein im April 45.000 neue Stellen, während sogar der Finanzsektor 8.000 Stellen neu besetzen durfte. Insgesamt wurden über alle Sektoren 1.049.000 neue Jobs in den vergangenen 12 Monaten kreiert - nur auf Annahmen beruhend!

Falls dieses Glaskugel-Modell irgendwann einmal einer Realitätsüberprüfung unterzogen werden sollte, ist damit zu rechnen, dass der Arbeitsmarktbericht nicht nur nicht die Landwirtschaft, sondern vielleicht auch die konjunktursensitiven Sektoren wie Industrie, Handel oder Bau ausklammern wird.




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