US-Konjunktur im Mai 2008
09.06.2008 | Mack & Weise
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Neun Millionen US-Bürger haben nach Schätzungen der Regierungsbehörde Federal Housing Administration (FHA) inzwischen höhere Schulden, als ihr Haus wert ist. Für Henry Paulson aber alles klare Zeichen Anfang diesen Monat bereits die "Erholung des Immobiliensektors" zu prophezeien!Nachdem im vergangenen Jahr über 1,5 Mio.-mal Zwangsvollstreckungsverfahren (+53% ggü. 2006) eingeleitet wurden, fordert nun Ben Bernanke politisches Handeln! 243.000 Zwangsversteigerungen allein im ersten Quartal 2008 bedeuten einen Anstieg um 27% ggü. dem Vorquartal bzw. +65% ggü. dem Vorjahr. Bereits Ende Dezember 2007 erreichte die Zahl der Schuldner mit 90-tägigem Zahlungsverzug mit 3,9% ein 5-Jahres-Hoch, fast doppelt soviel wie der zwangsversteigerte Anteil (2%). Inzwischen lassen sich die Banken mehr Zeit mit der Zwangsvollstreckung (61 Tage heute ggü. 37 Tage ein Jahr zuvor), um Vandalismuskosten (bis 15% des Marktwertes) zu vermeiden bzw. das bestehende Immobilienüberangebot nicht noch weiter anzufachen. "Wir haben keine Ahnung, wie schlimm die Lage bereits ist, weil der ganze Prozess sich verzögert" kommentierte Moody´s diese Entwicklung, "die Probleme sind wahrscheinlich größer als wir annehmen." Jetzt sollte doch mal Henry seine Brille putzen!
Die Entvölkerung ganzer Stadtteile oder die aufgrund sinkender Steuereinnahmen (erste) angemeldete Insolvenz eines 117.000 Einwohner zählenden Vorortes von San Franscisco ist inzwischen genauso traurige Realität, wie die Tatsache, dass über 28 Mio. Amerikaner auf Lebensmittelmarken angewiesen sind bzw. erstmals in der Geschichte der USA 1% der erwachsenen Bevölkerung "gesiebte Luft" atmen muss!
It´s real
Aber nicht nur die Immobilienkredit-Ausfallraten sind enorm angestiegen, sondern auch die bei Kreditkarten-, Auto- und sonstigen Konsumentenkrediten. So hatte zuletzt das nach Wal Mart zweitgrößte US-Handelsunternehmen Target Corp. 8,1% seiner gesamten Kreditkartenforderungen abgeschrieben, nachdem im Februar die Ausfallrate auf 6,8% sprang. Der Firmenchef von Capital One, fünftgrößter Kreditkartenanbieter der USA, nutzt dagegen das laufende Aktienrückkauf-programm, um sich von eigenen Aktien zu "befreien". Vermutet er angesichts der insgesamt 951,7 Mrd. (+8,2% auf Jahressicht) Kreditkartenschulden eines von den plötzlichen Rückzahlungsforderungen überraschten Amerikaners Schlimmeres als die Anderen?
Zumindest beginnen sich auch die amerikanischen Banken mit deutlichen Rückstellungen – die zum Teil das Zehnfache der ursprünglichen betragen - ein erstes Polster zu schaffen, denn "die Zahlen zeigen, so Sheila Blair, Chefin des staatlichen Einlagensicherungsfonds FDIC, dass es eine zweite Welle von herkömmlicheren Kreditproblemen geben könnte, wie sie während eines wirtschaftlichen Abschwungs auftauchen." Ob die von den amerikanischen Finanzinstituten bisher gebildeten Rückstellungen ausreichen, werden die kommenden Quartalsberichte bezeugen.
Während der Finanzsektor seine Bilanzen schrumpfen lassen muss (z. B. Citigroup: mdst. 400 Mrd. USD!), soll dieses ohne Auswirkungen auf die kredithungrige US-Wirtschaft bleiben. Die letzte Umfrage der FED zeichnet eher ein anderes Bild!
In Anbetracht der dunklen Wolken, die am statistisch rosa eingefärbten Konjunkturhimmel real werden, verschärften die in den USA tätigen Banken tatsächlich seit Jahresbeginn die Kreditvergabebedingungen und verlangen kräftige Zinsaufschläge, auch für Kunden bester Bonität, so dass die Kreditklemme reale Züge annimmt - entgegen allen früheren Expertenmeinungen. Selbst Martin Feldstein, Harvard-Professor und der Chef der Forschungsstätte NBER; jenes Institut, das offiziell die Rezession ausrufen und beenden darf, sagte im März: "Es gibt viele Unterschiede zwischen jetzt und der Großen Depression, aber dies hier könnte die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg werden."
Die Gewinnwarnung von UPS (erst die dritte nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und den Unwetterkapriolen 2004) spricht eine klare Sprache. Da fast jedes dritte Paket oder Dokument in den USA per UPS versendet wird, gilt deren Geschäft daher als eine Art Seismograph für die Wirtschaftsaktivität in den Vereinigten Staaten. Genau wie das von General Electrics. Der weltgrößte Mischkonzern wurde von den wirtschaftlichen Entwicklungen in Amerika böse "überrascht". Statt einer Bestätigung des in Aussicht gestellten 10%igen Jahresgewinnes wurde ein Rückgang des Nettogewinnes im 1. Quartal 2008 um 6% vermeldet und die Jahresgewinnprognose mal eben kassiert … während rund 47 Mrd. USD an Börsenkapitalisierung den Blicken der Aktionäre entschwanden.
Das mit geballter Politik- und Bankenprominenz gefüllte und Einstiegschancen erkennende Lager derer, die die Finanzkrise mindestens zur Hälfte als überwunden oder gar als beendet ansehen, stimmt angesichts der Faktenlage nachdenklich. Schließlich wird die jetzt trotz aller statistischen Geräusche einsetzende Rezession in den USA zu weiteren erheblichen Belastungen, nicht nur im Finanzsektor, führen. Drew Matus von Lehman Brothers drückt es so aus: "Ich denke, dass die Probleme erst anfangen." "Querbeet wird es wahrscheinlich noch mehr Schmerzen geben" sind sich ebenfalls die Ökonomen von Morgan Stanley sicher und erkennen für die USA schon jetzt viele übereinstimmende Merkmale mit einer Finanzkrise der jüngeren Weltgeschichte: Japan (1992).
"Vielleicht werden wir in ein paar Monaten bedauern, dass sie (Finanzmarktkrise) vorbei ist" ließ uns zuletzt ein scherzender Josef Ackermann wissen, aber …
Wir können nicht sehen, warum das so sein sollte.
© Dipl.-Kfm. Martin Mack, Dipl.-Kfm. Herwig Weise
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