Den Tiger beim Schwanz gepackt
26.06.2008 | Theodore Butler
- Seite 2 -
Dann stellt sich also die Frage, wie viele Anteile leerverkauft wurden - und eben auch warum, da es doch andere Mittel und Wege gibt, short zu gehen. Handelt es sich hierbei nur um die von der American Stock Exchange aufgelistete Menge (367.000 Anteile oder 3,67 Millionen Unzen nach Stand vom 10.6.08) oder geht es hier - aufgrund der nicht gemeldeten, nackten Leerverkäufe - um viel mehr, sagen wir 25 Millionen bis 50 Millionen Unzen, wie ich behaupte? Ich habe schon zuvor erläutert, wie ich auf diese Menge komme: Durch das Beobachten der Handelsbewegungen im SLV. Vom 15. April an habe ich hier eine Veränderung der Handelsmuster bezüglich Volumen und gelagertem Metall festgestellt. Auch wenn das eine riesige Menge leerverkauftes Silber zu sein scheint, in ganz bestimmter Hinsicht ist das keinesfalls eine so riesige Menge. Alles ist relativ. Wenn ich mit den 25 Millionen bis 50 Millionen (via SLV-Anteile) leerverkauften Unzen richtig liege, dann entspricht das nur 10% bis 15% der 325 Millionen Unzen, die von den 8 größten Händlern an der COMEX leerverkauft sind. Diese 325 Millionen Unzen, oder 180 Tage der Weltproduktion, können problemlos im aktuellen Commitment of Traders Report (COT) nachgeprüft werden. Tatsächlich liegt die derzeit von den acht größten Händlern leerverkaufte Menge um 75 Millionen Unzen niedriger, verglichen mit den 400 Millionen Unzen, die am 11. März leerverkauft waren. Man kann auch sagen, dass allein die offiziell angegebenen Veränderung der Netto-Short-Position der großen Händler sage und schreibe 3-mal größer ist, als die von mir vermutete Menge, die am SLV leerverkauft wurde. Man kann also schon davon ausgehen, dass ich bei der am SLV leerverkauften Menge nicht zu viel veranschlage.
Das bringt uns zu der Frage, warum es überhaupt Leerverkäufe von SLV-Anteilen gibt, bedenkt man, dass es ohnehin schon eine Alternative für Leerverkäufe gibt. Für mich ist die Antwort klar. Zu solchen Short-Verkäufen kommt es, weil das Silber, das man bräuchte, um neue Käufer nach den geltenden Bestimmungen aufzunehmen, nicht zum Kauf erhältlich ist. Zumindest nicht zu den derzeitigen Preisen. Anstatt den Preis notwendigerweise soweit steigen zu lassen, dass wieder Silber am Markt zum Verkauf steht, ist es für bestimmte Händler vorteilhafter, die SLV-Anteile bloß leer und nackt zu verkaufen. Ohne wenn und aber - das Geld der Käufer wird einfach genommen, Gedanken kann man sich später darüber machen.
Aber warum sollte sich ein großer Händler - höchstwahrscheinlich ein autorisierter Marktteilnehmer (AP) - bei neuen SLV-Kunden die Mühe machen, Silberbestände zu bestimmten Preisen zu finden, diese aufzukaufen und sie im Trust hinterlegen? Schließlich scheint das nichts anderes zu sein als eine Form von Arbitrage, bei der der AP gleichzeitig physisches Silber kauft und es in den SLV weiterverkauft. Bei einer solchen Arbitrage ginge es gar nicht darum, ob der Silberpreis stiege, da es den AP ausschließlich um die Differenz zwischen der Summe ginge, die er für den Kauf des physischen Silbers bezahlt hat und der Summe, die er den neuen Käufern von SLV-Anteilen in Rechnung stellt. Wenn da nicht noch andere Sachen hineinspielen…
Ich glaube, dass sich die großen COMEX-Shorts unter den APs befinden, die sich um die Arbitrage-Geschäfte zwischen eingelagertem Metall und den neu ausgegeben SLV-Anteilen kümmern. Das ist keine große Enthüllung, da diese Händler am obersten Ende der Nahrungskette bei Thema Silber stehen: physisches Silber, Futures und SLV-Anteile. Die extrem große, dokumentierte und konzentrierte Netto-Short-Position bei den COMEX-Silber-Futures hält die klare Antwort auf die Frage bereit, ob es bei der Ausgabe von SLV-Anteilen um mehr geht, als nur um eine einfache Arbitrage-Angelegenheit, bei der ja auch physisches Silber gekauft werden könnte, ganz gleich, wie hoch die Preise dafür lägen. Gewisse APs, die Arbitrage zwischen dem Einkauf von physischem Silber und der Ausgabe von SLV-Anteilen betreiben, gehören zu den Haltern der dokumentierten, konzentrierten Short-Position an der COMEX. Trieben sie selbst die Preise für SLV-Silber in die Höhe, würden sie ebenfalls einen Preisauftrieb an der COMEX verursachen - was dort mit großen Verlusten bei ihren Short-Positionen einhergehen würde. Es ist viel bequemer, die SLV-Anteile leerzuverkaufen und den Silberpreis im Zaum zu halten. Diese großen Shorts schützen ihre Short-Position an der COMEX, indem sie SLV-Anteile nackt leerverkaufen. Das ist Selbsterhaltung, die mächtigste Motivation dieser Welt. Und es ist zudem höllisch illegal.
Ich gehe ebenfalls davon aus, dass diese COMEX-Händler den SLV jetzt auch benutzen, um ihre wahre Short-Position zu verheimlichen. Immerhin kann man dem COT nachprüfbare Kontraktmengen und Konzentrationsangaben entnehmen, wohingegen die nackten und nirgendwo verzeichneten Leerverkäufe am SLV nicht dokumentiert werden können. Entgegen allen Absichten, die moderne Finanzregulierungsbehörden an den Tag legen sollten, gleitet das, was einmal so klar und transparent war, in's Trübe ab.