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Macht und Ideologie in Europa: Wie die EU regiert wird

21.01.2002  |  Dr. Bruno Bandulet
- Seite 6 -
Die Charta der Grundrechte

Eine sehr interessante Lektüre ist die neue Grund-rechtscharta der EU, die so etwas wie die Basis für eine Verfassung werden soll. In dieser Grundrechtscharta finden Sie keinen Bezug auf Gott, auf das Christentum oder das Naturrecht. Natürlich gibt es da kein Verbot der Abtreibung oder andere "altmodische" Sachen. Stattdessen hat die Charta einen ganz anderen Kern, und das ist der Artikel über das Verbot von Diskriminierungen. Das ist eine uralte Methode, die auf die 60er Jahre zurückgeht. Das ist die Methode der Kulturrevolution, die wiederum auf den italienischen Marxisten Gramsci zurückgeht.

Schon seit den 60er Jahren gehört es zum Arsenal der Kulturrevolutionäre, angebliche oder tatsächliche Diskriminierungen aufzudecken und zu bekämpfen und mit der Bekämpfung dieser Diskriminierungen die Gesellschaft zu verändern. Deswegen kann man sich nur darüber wundern, daß all das völlig unverfälscht in dieser Grundrechtscharta (besonders in Artikel 21) wieder auftaucht, und das ist für mich der Beweis, wer da am Werk war.


Prinzip Nichtdiskriminierung

Da werden fünfzehn Diskriminierungen aufgezählt, die von der EU unterbunden werden müssen und gegen die der Ministerrat vorgehen muß. Das Interessante ist die erste und die letzte Diskriminierung, die bekämpft werden soll: Die erste ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, und die letzte, Nr. 15, ist die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Das ist deswegen interessant, weil es zwei ganz verschiedene Dinge sind. Das Geschlecht ist eine Sache, die jedem mitgegeben ist. Aber die sexuelle Orientierung ist etwas, das größtenteils dem freien Willen unterliegt. Es wird nicht definiert, welche sexuellen Orientierungen noch erlaubt sind und welche nicht mehr. Ein römischer Rechtsprofessor hat darüber geschrieben und gefragt, ob nicht auch Pädophilie darunter falle, die dann geschützt werden muß, die nicht diskriminiert werden darf. Übrigens ist nur vor dem Hintergrund dieses Artikels die Kampagne zur Aufwertung der Homosexualität zu verstehen.

Die Stoßrichtung geht gegen die Familie. Vieles, was die EU macht, ist nur die Kopie dessen, was in den Mitgliedsländern gemacht wird. Es ist nicht immer die EU oder die Kommission, die sich so etwas einfallen läßt. Es ist eben auch die Mehrheit der Regierungen, die in der Sozialistischen Internationale sitzen, und - davon bin ich fest überzeugt - die die Kulturrevolution zu Ende bringen wollen, die sie in den 60er Jahren angefangen haben.


Der berüchtigte Artikel 52

Das ist sehr geschickt, weil es weitgehend über den Diskriminierungsartikel läuft, weil der Normalverbraucher die Methode nicht durchschaut. Auf den ersten Blick können Sie ja nicht für Diskriminierung sein. Natürlich ist zunächst jeder gegen Diskriminierungen. Man muß verstehen, daß das Kampfbegriffe sind, und daß damit etwas ausgehebelt werden soll. Ich kann Ihnen auch sagen, was ausgehebelt werden soll: Es ist die Meinungsfreiheit. Sie bekommen dann sehr schnell Ärger, weil Sie etwas Falsches sagen. Ich denke an einen Priester in Deutschland, der die Homosexualität öffentlich angeprangert hat und dann vor Gericht gezerrt wurde und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mußte. In diesem Zusammenhang muß man es sehen.

Und dann gibt es noch einen wichtigen Artikel in der Grundrechtscharta, und dieser ist wirklich beängstigend. In Artikel 52 steht nämlich, daß die Grundrechte und Freiheiten (wie die Meinungsfreiheit) eingeschränkt werden können, wenn es "notwendig" ist und wenn dies den "Zielsetzungen" der EU tatsächlich entspricht. Professor Schachtschneider nannte übrigens die Charta einen Rückfall hinter die Aufklärung des 18. Jahrhunderts.


Zusammenfassung

Erstens habe ich Ihnen geschildert, daß die EU kein Staatenbund ist und auch kein Bundesstaat, sondern ein Gebilde neuer Art ohne historischen Präzedenzfall. Und zwar eine Bürokratie ohne klare Gewaltenteilung und ohne demokratische Legitimierung.

Zweitens habe ich dargelegt, wie die EU sich in den 90er Jahren von einer Wirtschaftsgemeinschaft, die den Binnenmarkt verwirklicht und insofern einiges geleistet hat, in eine Art von ideologischem Gebilde verwandelt hat, wie Österreich das erste Opfer dieser Ideologie wurde und welche Anleihen beim Marxismus gemacht wurden. Denn der Marxismus war die dominierende Ideologie des 20. Jahrhunderts. Er hat das ganze Jahrhundert überschattet.

Und drittens stellt sich jetzt noch die Frage nach der Stabilität der EU. Dazu muß man zunächst feststellen, daß sie in der Krise steckt. Diese Krise ist unter anderem gekennzeichnet durch das Problem der Osterweiterung, das nach wie vor ungelöst ist. Die Finanzierung der Osterweiterung hängt völlig in der Luft. Das konnte auch in Nizza nicht beschlossen werden. Diese Krise ist auch gekennzeichnet durch den zunehmenden Widerstand der Völker. Zuletzt in Irland, als in einer Volksabstimmung der Vertrag von Nizza abgelehnt wurde. Damit kann er nicht in Kraft treten. Der Vertrag tritt erst in Kraft, wenn er in jedem einzelnen der fünfzehn Länder ratifiziert worden ist.


Was man tun kann?

Was kann man tun? Man kann nur unbeirrt für seine Prinzipien eintreten, für Demokratie, Recht und Freiheit. Denn es ist schlicht und einfach so: Positionen, die nicht mehr vertreten werden, verschwinden einfach. Und man darf nicht vergessen, daß die Geschichte immer abläuft nach dem Prinzip: Aktion / Reaktion.

In Maastricht, Amsterdam und Nizza haben die Machthaber der EU agiert. Sie haben versucht, neue Realitäten in Europa zu schaffen. Es ist teilweise gelungen, so mit dem Euro. Aber nun reagieren die Völker immer deutlicher. Die Zustimmung zur EU ist so schwach wie nie zuvor, übrigens auch in Deutschland. Sie ist inzwischen unter 50% gerutscht. Der Euro ist so unpopulär wie eh und je. Sie haben Dänemark erlebt und Irland. Sie sehen: die Reaktion von unten her ist bereits da.

Was erfreulich ist: Ich stelle immer mehr fest, daß sich ein europäisches Bewußtsein herausbildet, aber ein echtes europäisches Bewußtsein - und zwar unter Europäern, die gegen diese bürokratische Herrschaft aufbegehren. Das merke ich, wenn ich mit Menschen in Irland spreche oder in Dänemark oder in England - wo auch immer. Ich bin wirklich guter Hoffnung, daß die EU letzten Endes das provoziert, was sie gar nicht provozieren wollte, nämlich ein europäisches Bewußtsein im freiheitlichen Sinne. Und das entsteht durch Widerstand gegen diese Art von Machtausübung.


© Dr. Bruno Bandulet



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