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Fed schießt den Vogel ab … und den freien Markt gleich mit!

17.12.2008  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute nach dem gestrigen historischen Eingriff der Fed bei 1.4065. Zwischenzeitlich wurden in Fernost Höchstkurse bei 1.4192 markiert. Der USD hat gegenüber dem JPY an Boden verloren und stellt sich auf 88.80. "Carry-Trades" zeigen sich überwiegend in stabiler Verfassung. EUR-JPY notiert bei 124.90, während EUR-CHF bei 1.5770 oszilliert.

Bevor wir uns der Entscheidung des Offenmarktausschusses widmen fokussieren wir uns kurz der Vollständigkeit halber auf die gestrigen Veröffentlichungen, die für die USA bei den entscheidenden Größen schlicht weg und ergreifend den Begriff sklerotisch und im höchsten Maße Besorgnis erregend verdienen:
  • Die US-Verbraucherpreise kollabierten per November im Monatsvergleich um 1,7% (Prognose 1,2%). Im Jahresvergleich führte das zu einem Anstieg von nur noch 1,0% Prognose 1,5%) nach zuvor 3,7%. Das Thema Deflationsrisiko ist virulent.

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  • Neubaubeginne per November brachen unerwartet von zuvor annualisiert 771.000 (revidiert von 730.000) auf 625.000 Objekte ein. Mithin ergab sich im Monatsvergleich ein Einbruch um -18,9%. Im Jahresvergleich entsprach das einem Kollaps um -47,0% nach zuvor "nur" -39,5%. Die Zahlen belegen: Die Krise nimmt zu! Der beigefügte Chart unterstreicht die kritische Entwicklung eindrucksvoll mit historischen Tiefstmarken!

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  • Baugenehmigungen, als Frühindikator für Neubaubeginne, sanken von zuvor 730.000 auf 616.000 auf annualisierter Basis.

Der Offenmarktausschuss hat den Vogel abgeschossen. Die USA sind das erste Mal in der Geschichte seit 1913 (Gründung der Fed, eine ganz eigene Geschichte von Jekyll Island, gehört hier aber nicht her …) bei einer Nullzinspolitik gelandet!
  • Der Offenmarktausschuss hat den Zielsatz der Fed Funds überraschend von 1,00% auf eine Bandbreite zwischen 0,00% - 0,25% angepasst und damit das volle Potentialmöglicher Zinssenkungen ausgeschöpft.

  • Die Fed hat weiterhin angekündigt nach Notwendigkeit auch in großem Umfang "Agency"-Titel (Fannie, Freddie) und MBS zu erwerben, um diesen Sektor zu unterstützen.

  • Man erwäge darüber hinaus lang laufende Treasury-Titel zu erwerben, um Einfluss auf das Zinsniveau am Kapitalmarkt zu nehmen.

  • Anfang nächsten Jahres wird die "Term Asset-Backed Securities Loan Facility" eingeführt, um die Kreditvergabe an private Haushalte und kleinere Unternehmen zu verbessern.

  • Darüber hinaus wird die Fed über weitere Maßnahmen beraten, im Rahmen ihrer Bilanzpolitik Unterstützung für die Kreditmärkte und die Wirtschaft zu ermöglichen.

Es gibt aus den 60er Jahren den Titel ".. the day when the music died", analog kann der 16.12.2008 in die Annalen eingehen als der Tag, an dem das Thema des freien Markts in den USA begraben wurde.

Der größte Protagonist dieses Ansatzes hat sich um 180 Grad gedreht und will nun politische Preise bei Agencies und bei MBS "organisieren". Gleichfalls soll nun nicht nur noch das kurzfristigen Zinsniveau durch die Zentralbank determiniert werden, nein das langfristige Kapitalmarktniveau soll jetzt unter Umständen einer politisch korrekten Bewertung zugeführt werden. Weitere Maßnahmen würden ins Auge gefasst. Nach den bisherigen Einflussnahmen durch das "Plunge Protection Team" am Aktienmarkt oder professionell ausgedrückt durch die "Working Group on Financial Markets" (Gründungsakt nach Crash 87 durch Reagan) kann jetzt eine offene Interventionspolitik folgen?

Wenn freie Märkte sterben und eine Zentralbank, die keine öffentliche Veranstaltung ist, sondern privaten Banken gehört, für wesentlichste Kapitalgüter maßgeblich den Preis bestimmende Kraft ist, dann handelt es sich im übertragendem Sinn um einen "Putsch".

Die solitäre Fokussierung auf die kurzfristigen stabilisierenden Folgen an den Finanzmärkten sollte nicht den Blick auf den vor einigen Monaten noch unvorstellbaren Bruch des ordnungspolitischen Rahmens in den USA verstellen. Dieser 16.12.2008 mag am Markt stabilisierend sein, er ist für Protagonisten freier Märkte und damit freier Gesellschaften in höchstem Maße verstörend!

Bezüglich der heute anstehenden Veröffentlichungen verweisen wir auf die unten angeführte Datenbox. Weder die europäischen Verbraucherpreise noch die US-Leistungsbilanz per 3. Quartal 2008 sollten eine marktrelevante Wirkung entfalten.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das unverändert den Euro favorisiert. Erst ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.3600 -30 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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