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Schweinegrippe verdirbt Grilllaune in den USA nicht

07.05.2009  |  Eugen Weinberg
Energie

Die Aussichten auf eine baldige Konjunkturerholung und offensichtlich befriedigende Ergebnisse des Bankenstresstests, dessen Einzelheiten heute berichtet werden, haben die Rohstoffe auf breiter Front unterstützt. Dabei stiegen nicht nur die konjunkturabhängigen Industriemetalle oder Rohöl, sondern auch Agrarrohstoffe und Gold. Untermauert wurde der Optimismus durch den ADP-Arbeitsbericht. Weil demnach “nur“ 491 Tsd. US-Amerikaner im April ihren Job verloren haben, ist auch heute eine “positive“ Überraschung bei den Erstanträgen für Arbeitslosenhilfe zu erwarten. Der Konsens rechnet mit 635 Tsd. Anträgen.

Eine ähnliche Zahleninterpretation hat gestern den Ölpreisen neue positive Impulse gegeben, wobei der WTI-Ölpreis mit knapp 57 USD je Barrel ein neues 6-Monatshoch markierte. Denn die Lagerbestände für Rohöl sind schwächer als erwartet gestiegen. Außerdem gingen die Lagerbestände für Benzin unerwartet um rund 200 Tsd. Barrel zurück, obwohl die Raffinerien stärker ausgelastet waren und mehr Ölprodukte hergestellt haben. Dies deutet auf eine stärkere Benzinnachfrage hin.

Wir erachten zwar den starken Anstieg bei vielen Rohstoffen als verfrüht, weil aus unserer Sicht aktuell eher der Wunsch der Vater des Gedanken ist. Dennoch sind positive Entwicklungen für den Ölpreis nicht von der Hand zu weisen. Von der Nachfragefront berichtete das Informationsministerium Chinas, dass die chinesischen Häfen im April mit 3,72 Mio. Barrel pro Tag 9% mehr Rohöl als im Vorjahr erreichten. Dies könnte auf den ersten Anstieg der chinesischen Ölimporte in diesem Jahr und einen eventuellen Nachfrageanstieg beim zweitgrößten Ölverbraucher der Welt hindeuten.

Auf der anderen Seite gab Saudi Arabien bekannt, dass man derzeit sogar weniger als 8 Mio. Barrel Rohöl pro Tag fördert und dies auch nicht zu erhöhen gedenkt. Gleichzeitig wird aber bekannt, dass Saudi Aramco bald seine Produktionskapazitäten auf 12 Mio. Barrel ausweiten wird. Die vorhanden freien Kapazitäten bei den OPEC-Ländern dürfte einem starken Preisanstieg entgegen stehen.


Edelmetalle

Angesichts des starken Optimismus an den Aktienmärkten und bei Rohstoffen hält sich der Goldpreis erstaunlich gut, zumal der US-Dollar heute wieder etwas Stärke zeigt. Außerdem meldete SPDR Gold Trust, der größte Gold-ETF, einen Rückgang der Bestände um 360 Kilo, womit auch die Unterstützung seitens der derzeit wichtigsten Nachfragekomponente, der Anleger, derzeit fehlt. Die heutige offizielle Bekanntgabe der Ergebnisse des Stresstests für die US-Banken wird vom Goldmarkt mit Spannung erwartet ebenso wie die Entscheidung der EZB. Wenn die EZB wie erwartet die Zinsen senkt, sollte dies einem starken Rückgang des Goldpreises entgegen stehen, weil somit langfristige Inflationssorgen geweckt werden.

Fallende Kosten und schwache Währungen in den goldproduzierenden Ländern dürften in diesem Jahr einen Produktionsanstieg begünstigen. Einen Beweis dafür lieferte heute der viertgrößte Goldproduzent der Welt, Gold Fields aus Südafrika. Im letzten Quartal ist die Produktion bereits um 4% auf 870.000 Unzen Gold gestiegen, wobei die Kosten um 2% fielen. Im nächsten Quartal erwartet Gold Fields sogar eine Produktion von 900.000 Unzen.


Industriemetalle

Der Metallindex der LME legte gestern gut 4% zu und erreichte damit den höchsten Stand seit sechs Monaten. Dabei profitieren alle Metalle fast gleichermaßen von den Konjunkturhoffnungen. Nicht nur Kupfer oder Zink, die offensichtlich von den direkten chinesischen Reservenkäufen getragen werden, sondern auch Nickel oder Zinn verteuerten sich seit Ende März um jeweils 40%. Zwar kann man dies teilweise auf die positive Nachrichtenfront, wie z.B. Minenschließungen zurückführen. Auch wird sich jetzt der belgische Metallhändler Traxys auf Drängen der UN aus dem Kongo, dem größten Zinnproduzent Afrikas, zurückziehen und ab 1. Juni die Zinnkäufe in diesem Land einstellen.

Die negativen Nachrichten werden dabei nicht beachtet, was oft auf eine Übertreibung hindeutet. So hat z.B. der Bleiproduzent Ivernia die Verschiffung von Blei aus dem Hafen von Esperance wieder aufgenommen und 8.000 Tonnen Bleikonzentrat aus dem Lager verschifft. Ohnehin sind die Bleibestände an der LME seit letzter Woche um 15% auf knapp 73 Tsd. Tonnen gestiegen.

Unseres Erachtens werden zwar die geringen Investitionen mittelfristig eine Einengung und einen Preisanstieg herbeiführen. Vale geht davon aus, dass die Investitionen im Bergbausektor 2009 um 60 Mrd. USD bzw. 55% fallen. Kurzfristig sehen wir jedoch eine große Korrekturgefahr.


Agrarrohstoffe:

Zumindest in den USA realisieren Verbraucher, dass die Schweinegrippe bzw. das H1N1 Virus nichts mehr mit den Schweinen zu tun hat und nicht vom Schwein zu Mensch übertragen wird. Laut USDA haben die Metzger in den USA Anfang der Woche mit 9,55 Mio. Pfund Schweinefleisch einen neuen Tagesverkaufsrekord aufgestellt. Denn die Preise sind in Folge der Sorge um die Schweinegrippe und der daraufhin efolgten Einfuhrverboten in vielen Ländern auch für US-Schweinefleisch dramatisch gesunken und waren untypisch niedrig für die Jahreszeit. Wir rechnen damit, dass sich nun die Preise für Magerschweine an der CBOT wieder erhöhen werden, obgleich die niedrigen Futtermittelpreise dem Anstieg klare Grenzen setzen.

Der größte Kaffeproduzent Brasilien erwägt, seinen Kaffeebauern rund ein Viertel mehr zu bezahlen als derzeit am Markt üblich. Während Cepea aktuell einen Preis von 261 BRL bzw. 123,7 USD pro 60 Kilo Sack meldet und derzeit auch an der Rohstoffbörse BMF für ein Sack Arabica 131,55 USD bezahlt werden, will die Regierung 303-320 BRL bzw. 143,5-151,5 USD pro Sack bezahlen. Außerdem will Brasilien die Kaffeeexporte weiter einschränken. Daraufhin sind die Preise für Arabica-Kaffee an der NYBOT weiter gestiegen. In den letzten zwei Monaten haben die Preise bereits knapp 20% zugelegt und befinden sich auf dem höchsten Stand seit Oktober 2008. Auch die Aussichten für Robusta-Kaffee haben sich zuletzt verbessert, weil bei den gegenwärtigen Preisen die Produktion in Vietnam eher zurückgehen sollte. Die Differenz zwischen den Preisen für Arabica und Robusta hat zuletzt wieder stark zugenommen (Grafik).

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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