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Rohstoffe überstehen den Stresstest vorerst

08.05.2009  |  Eugen Weinberg
Energie

Die gegenwärtige Entwicklung an den Rohstoffmärkten sehen wir etwas kritisch an und halten die starken Preisanstiege für verfrüht. Aus unserer Sicht steht eine starke Korrektur bei Rohstoffen kurz bevor, wobei bereits gestern die Preise für viele Rohstoffe nach einem starken Start ins Minus rutschten. So ist der WTI-Ölpreis gestern im Laufe des Tages erstmals auf ein neues 6-Monatshoch bei 58,5 USD gestiegen, bevor er anschliessend bei 56 USD aus dem Handel ging. Wir halten eine baldige Rückkehr des Preises in die Preisspanne zwischen 45 USD und 55 USD je Barrel für wahrscheinlich.

Die Angebotsrisiken im Ölgeschäft sind noch nicht mit dem seit dem letzten Sommer gefallenen Ölpreis zurückgegangen. Venezula will nun auch die Öldienstleistungsunternehmen im Lande "nationalisieren". Zuletzt haben sich die Meldungen gehäuft, dass PdVSA bei den Dienstleistern bei Zahlungen in Verzug geraten hat. Insofern könnte der jüngste Rückgang der Ölproduktion Venezuelas um knapp 10% im Vergleich zum Vorjahr teilweise unfreiwilliger Natur gewesen sein. Dies kann man zwar als eine Akt der Verzweiflung interpretieren, denn Venezuela benötigt jetzt einen weitaus höheren Ölpreis, um Budget zu finanzieren. Allerdings dürften ohne ausländische Investitionen und Know-How die Entwicklungen nicht ausreichend vorangehen. Die anhaltend hohen geopolitischen Risiken und schleppende Investitionen sind ein wichtiger Grund für unsere langfristige positive Einschätzung zum Ölpreis.


Edelmetalle

Gold agiert derzeit als eine Art Versicherung insbesondere gegen verschiedene Finanzmarktrisiken und wurde zuletzt fast ausschließlich von Anlegern getrieben, die nach einer Absicherung ihrer Investment-Portfolios gesucht haben. Nun, als an den Finanzmärkten wieder mehr Zuversicht herrscht, scheint die Nachfrage nach Gold wegzubrechen. Die gestern veröffentlichten Ergebnisse des Banken-Stresstests haben die Sorgen vor einer Verschärfung der Finanzkrise nicht bestätigt. Demnach steht keine der größten 19 US-Banken vor der Insolvenz und die benötigten Kapitalspritzen von bis zu 75 Mrd. USD fielen geringer als befürchtet. Dies dürfte weiter Angst aus dem Markt nehmen und Gold nicht steigen lassen.

Auch die ansonsten positiven Faktoren konnten dem Goldpreis zuletzt nicht helfen. Die Rohstoffpreise haben zuletzt stark zugelegt, die Aktien sind etwas zurückgekommen und der US-Dollar ist wieder schwächer geworden. Zudem hat die EZB die Inflationsängste gestern noch weiter genährt, indem man die Zinsen auf ein historisches Tief von 1,0% gesenkt hat und gleichzeitig bekanntgab, dass man nun auch Pfandbriefe aufkaufen würde. Die Inflationsängste sind aus unserer Sicht derzeit für das Verharren des Goldpreises an der 900 USD-Marke verantwortlich. Denn eins ist klar: sollte die Konjunktur widererwarten stärker und früher anspringen, dürften die Zentralbanken nur sehr zögerlich und verspätet reagieren. Als Indiz für die wieder aufkeimenden Inflationssorgen könnte man das geringe Interesse bei der gestrigen Treasury-Auktion ansehen, wobei die Bondkurse weltweit daraufhin mit großen Abschlägen reagiert haben. Wir gehen derzeit noch von einer weiteren Korrektur bei Gold aus.


Industriemetalle

Die Industriemetalle profitieren weiter von der Stimmungsaufhellung an den Finanzmärkten und der zunehmenden Hoffnung auf eine baldige konjunkturelle Trendwende. Weiteren Auftrieb könnten heute die US-Arbeitsmarktdaten liefern, wenn sie auf eine nachlassende Dynamik beim Stellenabbau hindeuten. Die LME-Lagerbestände für Kupfer sind heute erneut um 4900 Tonnen gesunken und liegen damit wieder unter der Marke von 390 Tsd. Tonnen, dem niedrigsten Stand seit Mitte Januar. Dafür steigen die Kupferlagerbestände in Shanghai zuletzt kräftig. Diese Woche allein sind die Lagerbestände in Shanghai um 8700 bzw. 45% gestiegen, was dem Kupferpreis demnächst etwas den Wind aus den Segeln nehmen dürfte.

Bereits in der vergangenen Woche waren die Lagerbestände in Shanghai um 27% auf 19 Tsd. Tonnen gestiegen. Dadurch relativiert sich der Rückgang der LME-Lagerbestände in Asien um 90% seit Mitte April, weil diese größtenteils auf Arbitragegeschäfte zwischen Shanghai und der LME zurückzuführen sind und nicht auf eine Belebung der Nachfrage (Siehe Grafik des Tages). Der positive Preisunterschied zwischen Shanghai und London dürfte vor allem auf die Käufe des staatlichen Reservebüros Chinas zurückzuführen sein. Chinesische Händler hat dies dazu veranlasst, Kupfer physisch über die LME zu kaufen und nach China zu transportieren, weil die Transportkosten nach dem Einbruch der Frachtkosten zu vernachlässigen sind.

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Agrarrohstoffe:

Die Sojabohnenernte in Brasilien, dem zweitgrößten Exporteur von Sojabohnen weltweit, dürfte in diesem Jahr geringer ausfallen als bislang erwartet. Das brasilianische Landwirtschaftsministerium hat seine Prognose für das laufende Erntejahr um 500 Tsd. auf 57,6 Mio. Tonnen nach unten revidiert. Im vergangenen Jahr betrug die Ernte noch 60 Mio. Tonnen.

Verglichen mit dem Produktionsrückgang um 20% im benachbarten Argentinien halten sich die dürrebedingten Ernteschäden in Brasilien aber in Grenzen. Zudem wird China im laufenden Erntejahr nach Angaben des Nationalen Getreide- und Ölinformationszentrums von China (CNGOIC) einen Rekordbetrag von 39,5 Mio. Tonnen Sojabohnen einführen. Gleichzeitig schätzt das CNGOIC, dass die heimische Sojabohnenproduktion in diesem Jahr um 3,2% auf 15 Mio. Tonnen zurückgeht, weil die chinesischen Bauern anstelle von Sojabohnen bevorzugt Mais anbauen wollen. Dies muss überraschen, weil sich die Sojabohnenpreise zuletzt deutlich besser entwickelt haben als die Maispreise und daher einen höheren Ertrag versprechen.

Die Dürre in den Wintermonaten scheint die chinesische Weizenernte offensichtlich nicht beeinträchtigt zu haben. Laut CNGOIC sollen in diesem Jahr 113,3 Mio. Tonnen Weizen geerntet werden, 0,6% mehr als vor einem Jahr und 9,5 Mio. Tonnen mehr als der erwartete Verbrauch von 103,7 Mio. Tonnen. In der Folge dürften die ohnehin gut gefüllten Lagerbestände weiter aufgestockt werden, welche derzeit auf 60 Mio. Tonnen geschätzt werden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass China in diesem Jahr zum Weizenexporteur wird.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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