Bankgeheimnis Geldschöpfung
17.12.2009 | Bernd Senf
- Seite 2 -
Die Ursprünge der Geldschöpfung Der Übergang von der Goldmünzwährung zur Papiergeldwährung - mit anfangs voller, später nur noch teilweiser Golddeckung bis hin zur vollständigen Loslösung vom Gold - ist es wert, näher betrachtet zu werden. Denn hier liegen die historischen Anfänge der Geldschöpfung aus dem Nichts - und des Bankgeheimnisses um eben diese Geldschöpfung. Begonnen hat das alles vor einigen hundert Jahren damit, dass die Händler ihre Goldmünzen zur Sicherheit bei den Goldschmieden deponierten, die schon von Berufs wegen Erfahrungen in der sicheren Aufbewahrung ihres wertvollen Arbeitsmaterials Gold hatten und über entsprechende Tresore verfügten. Die Händler bekamen für die Deponierung ihres Goldes eine möglichst fälschungssichere Quittung aus Papier - verbunden mit dem Recht auf jederzeitige Einlösung dieser Quittung in Gold (Goldeinlösegarantie).
Aus diesen Anfängen entwickelten sich später Banken, und die Quittungen wurden zu Banknoten, die nicht personengebunden waren, sondern an Dritte, Vierte usw. weiter gereicht werden konnten, also übertragbar waren. Wenn Händler A seinen Lieferanten B im Wert von 100 bezahlen wollte, konnte er die 100er‐Banknote in Gold einlösen, dem B das Gold übergeben, und B brachte es zur Sicherheit wieder zur (gleichen) Bank und bekam seinerseits eine entsprechende 100er‐Banknote. Einfacher war es jedoch, wenn A dem B gleich seine 100er‐Banknote weiter reichte und B darauf vertraute, dass sich diese Banknote jederzeit in Gold einlösen ließ. Das Gold blieb dabei also bei der Bank, und die Banknote wanderte von Hand zu Hand und erfüllte die Funktion eines Zahlungsmittels.
Je mehr sich das Vertrauen in die Goldeinlösegarantie der Bank festigte, um so weniger wurde von der Goldeinlösegarantie Gebrauch gemacht und um so mehr Zahlungsvorgänge wurden über die Weitergabe der Banknoten abgewickelt. Für den Fall, dass im Normalbetrieb maximal 1/3 der Banknoten noch in Gold eingelöst wurden, hatte die Bank noch 2/3 des Goldes übrig, eine Überschussreserve in Gold, das ihr eigentlich gar nicht gehörte, sondern das sie nur zur Sicherung eingelagert hatte.
Dennoch wurde die Versuchung groß, diese 2/3 Gold anderweitig zu verwenden und daraus ein Geschäft zu machen. Eine Möglichkeit wäre gewesen, sie an andere als Kredit auszuleihen, verbunden mit der Forderung nach Zinsen, Tilgung und dinglicher Sicherung des Kredits. Das wäre übrigens gerade so, als würde ein an der Garderobe der Philharmonie abgegebener Mantel während des Konzerts an Dritte gegen Leihgebühr ausgeliehen werden, die von der Garderobe eingesteckt wird. Korrekt scheint das nicht zu sein. Und vor allem: Was ist, wenn der Konzertbesucher unerwartet schon in der Pause seinen Mantel abholen will - und der Mantel gar nicht da ist? In diesem Moment würde der Schwindel auffliegen.
Die Banken wurden aber noch einfallsreicher: Anstatt die Gold‐Überschussreserve weiter auszuleihen, wurde diese als Grundlage für die Schöpfung weiterer Banknoten aus dem Nichts verwendet. Auf den 2/3 Goldreserven konnten zwei weitere 100er‐ Banknoten gedruckt und in Umlauf gebracht werden - unter der Annahme, dass auch von ihnen nur maximal jeweils 1/3 in Gold eingefordert würde. Aus Gold im Wert von 100 wurden auf diese Weise insgesamt 3 x 100er‐Banknoten, von denen die zwei neu geschöpften Banknoten als Kredit (mit Zinsen, Tilgung und Sicherung) in Umlauf gebracht wurden. Das aus dem Nichts geschöpfte Geld (in Höhe von 200), das genauso aussah wie die erste (anfangs noch voll durch Gold gedeckte) 100er‐Banknote, verwandelte sich in eine Forderung der Bank gegenüber den Kreditnehmern, die erbarmungslos eingetrieben wurde, und sei es auch - bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners - durch Zwangsvollstreckung von dessen beliehenem Eigentum.
Die Verschleierung der Papiergeldschöpfung aus dem Nichts
Während die erste Banknote noch eine Forderung des Inhabers gegenüber der Bank auf Goldeinlösung beinhaltete, haben sich die zwei aus dem Nichts geschöpften 100er‐ Banknoten zusätzlich in Forderungen der Bank gegenüber den Schuldnern verwandelt. Die Bank hat dadurch sozusagen den Spieß umgedreht. Obwohl also die zweite und dritte 100er‐Banknote einen völlig anderen Ursprung und Charakter hatten als die erste, sahen alle drei Banknoten gleich aus. Hierin lag bereits eine Täuschung. Die aus dem Nichts geschöpften Banknoten erzeugten nur den falschen Schein eines durch Gold gedeckten Geldes. Heißt der Geldschein seitdem vielleicht deswegen "Geld‐Schein"?
Aus der Sicht der Banken war diese Konstruktion geradezu genial. Ebenso genial war es, diese Form der Geldschöpfung aus dem Nichts - und des In‐Umlauf‐Bringens als Kredit gegen Zinsen, Tilgung und Sicherung - geheim zu halten und darauf hinzuwirken, dass sie nicht durch irgend welche Gesetze des Staates unterbunden wurde. Einen Teil der Verschleierung besorgte die begriffliche Verklausulierung des Sachverhalts und die Entwicklung einer Fachsprache, die vom normalen Bürger und auch von den meisten Politikern nicht verstanden wurde. Schließlich wurden derartige Bankgeschäfte so selbstverständlich, dass kaum noch jemand danach fragte, wie sie funktionieren und ob sie überhaupt vertretbar sind. An diesem Tatbestand hat sich im Prinzip bis heute wenig geändert.
Geldschöpfung und Wirtschaftswachstum - Hans Christoph Binswanger
Volkswirtschaftlich bedeutsam ist die Tatsache, dass sich mit dem Übergang von der vollen Golddeckung zur nur noch teilweisen Golddeckung des Papiergeldes der Geldmantel vergrößerte, und zwar weit mehr, als es im Rahmen der vollen Golddeckung möglich gewesen wäre. Das gab von der monetären Seite her Raum für eine stärkere Entfaltung der industriellen Produktion und für das Wecken von bis dahin noch schlummerndem Produktionspotenzial. Die Geldschöpfung hat insofern nicht nur ein stärkeres Wachstum der Wirtschaft ermöglicht, sondern dieses sogar aktiv mit hervor getrieben. Denn zur Finanzierung von Neu‐Investitionen waren die Unternehmen und auch der Staat nicht mehr auf entsprechende Spargelder angewiesen, die von den Banken gesammelt und als Kredite weiter geleitet wurden.
Volkswirtschaftliches Sparen war nicht mehr allein die Voraussetzung für Investitionen und Wirtschaftswachstum, sondern das aus dem Nichts geschöpfte und als Kredit in Umlauf gebrachte ("emittierte") Geld schaffte in den Händen der Kreditnehmer zusätzliche Nachfrage und mobilisierte auf diese Weise ein Produktionspotenzial, das ohne die Geldschöpfung brach gelegen hätte. Erst wenn die Geldschöpfung das Maß des Produktionspotenzials übersteigt, entsteht die Gefahr einer Inflation.
Insofern könnte man dem Bankensystem das Verdienst zusprechen, dass es mit der Geldschöpfung zur Entfesselung der Produktivkräfte wesentlich beigetragen und sie in diesem Ausmaß erst ermöglicht hat. So wurde es auch oft würdigend dargestellt: Das Bankensystem habe die zum Wachstum erforderliche "Liquidität" bereit gestellt. Aber wie und mit welchen Konsequenzen, was den Einfluss und die Macht der Banken anlangt, wurde kaum jemals hinterfragt. Und schon gar nicht, ob es dazu vielleicht Alternativen geben könnte, die weniger problembehaftet sind. Hans Christoph Binswanger ist einer der wenigen Ökonomen, die den Zusammenhang zwischen Geldschöpfung und Wirtschaftswachstum kritisch aufgezeigt haben.
Bei aller Würdigung der Rolle der Banken bleibt etwas höchst Fragwürdiges an dieser Form der Geldschöpfung - und an dem Geheimnis, das um sie aufgebaut und Jahrhunderte lang gehütet wurde. Nichts rechtfertigt die Tatsache, dass mit aus dem Nichts geschöpftem Geld Forderungen gegenüber Schuldnern - verbunden mit Zins, Tilgung und Sicherung - begründet und erbarmungslos eingetrieben werden. Entgegen allem vordergründigen Anschein, dass auf diese Weise eine Wert‐Schöpfung durch das Bankensystem stattgefunden habe, handelt es sich vielmehr um die Schaffung von Rechtstiteln (also rechtlich einklagbaren Ansprüchen) zur Wert‐Abschöpfung, das heißt von Werten, die in anderen Teilen der Volkswirtschaft oder Weltwirtschaft - zum Beispiel in Form von realen Gütern und Dienstleistungen - geschaffen wurden. Über die Geldschöpfung ist das Bankensystem in eine Rolle hinein gewachsen, die weit über die bloße Durchleitung von Spargeldern zu Kreditzwecken hinaus geht. Und kaum jemand hat es bemerkt, nicht einmal die meisten Ökonomen der letzten 250 Jahre.