Bankgeheimnis Geldschöpfung
17.12.2009 | Bernd Senf
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Geldschöpfung - ein blinder Fleck in vielen WirtschaftstheorienIn der klassischen Wirtschaftstheorie von Adam Smith - und selbst noch in der Mehrwerttheorie von Karl Marx - wird die Rolle des Geldes so behandelt, als sei es eine Goldmünzwährung oder allenfalls ein Papiergeld mit voller Golddeckung. Investitionen schienen demnach nur möglich auf der Grundlage voran gegangenen volkswirtschaftlichen Sparens und des Anhäufens von Geldvermögen (bei Marx "Kapitalakkumulation"). Und dies, obwohl schon zu Smith´s Zeiten längst die Papiergeldschöpfung aus dem Nichts in großem Maßstab existierte. In England gab es sogar schon seit 1694 die Bank von England, eine Zentralbank mit Papiergeldschöpfung, die eine höchst fragwürdige Rolle in der Geschichte des Geldes und des britischen Kolonialismus gespielt hat. Auch ihre Rolle wurde von kaum einem der großen Ökonomen kritisch hinterfragt, und wenn doch (wie bei David Ricardo Anfang des 19. Jahrhunderts), dann wurde alsbald darüber geschwiegen. Um die Bank von England, ihre Art der Geldschöpfung und ihre Anteilseigner wurde ein Bankgeheimnis aufgebaut - wie übrigens um viele der später gegründeten Zentralbanken oder "Nationalbanken".
Gründung und Tarnung der Bank von England als einer privaten Zentralbank
Entgegen dem äußeren Schein war die Bank von England als eine Privatbank von William Patterson gegründet worden und bekam vom englischen König Wilhelm III. von Oranien das Privileg zum Drucken und zur Ausgabe des allgemeinen gesetzlichen Zahlungsmittels erteilt. Auf der Grundlage von Goldreserven, die über die Emission von Aktien der Bank von England zugeflossen waren, wurde ein Vielfaches an Papiergeld geschöpft und als verzinste Kredite in Umlauf gebracht. Auf diese Weise flossen auch dem Staatshaushalt des Königs neue Gelder zu, der sich in dramatischer Geldnot befunden und deshalb dem Plan von Patterson zugestimmt hatte. Das Absurde daran ist, dass der König - und später allgemein der Staat - sich gegenüber einer privaten Zentralbank mit zinsbelastetem Geld verschulden musste und in Abhängigkeit von der Bank von England geriet, der er vorher das Privileg der Geldschöpfung übertragen hatte.
Eine zusätzliche Absurdität bestand darin, dass unter diesen Bedingungen zusätzliches Geld nur auf dem Weg über Kredit und Schuld - unter anderem durch wachsende Staatsverschuldung - in den Wirtschaftskreislauf gelangte. Eine Rückzahlung der Staatsschuld ist in einem solchen Kreditgeldsystem prinzipiell gar nicht möglich, weil dadurch die Geldmenge in gleichem Maße reduziert und ein Geldmangel im Wirtschaftskreislauf ausgelöst würde, der die Wirtschaft in eine Deflation treiben würde. Eine derart einflussreiche Zentralbank (im wahren und übertragenen Sinn des Wortes) kann auch die Politik wesentlich beeinflussen, indem sie darüber entscheidet, für welche Zwecke dem Staat Kredite bereit gestellt werden und für welche nicht. Zur Bedienung der Staatsschuld muss der Staat in Form von Steuererhöhungen und/oder Ausgabenkürzungen auf seine Bürger zurück greifen. Heißen die Staatsbürger deswegen "Staatsbürger", weil sie letztendlich für die Staatsschuld bürgen?
Der Charakter der Bank von England als einer privaten Zentralbank wurde übrigens ebenfalls zum Bankgeheimnis. Denn auf ihren Banknoten erschienen das Porträt des Königs und seine Unterschrift, wodurch der Eindruck erweckt wurde, es handele sich um eine staatliche Zentralbank und um ein staatliches Geld. Auch der Gesetzentwurf zur Gründung der Bank von England wurde unter strengster Geheimhaltung durch das Parlament gebracht, versteckt wie eine Stecknadel im Heuhaufen in einem umfänglichen Gesetzentwurf über die Regelung der Schiffstonnage - irgendwo in einem Unterabschnitt eines Paragrafen unter "ferner liefen" - sozusagen im Kleingedruckten. Noch in der Mitte des 20. Jahrhunderts blieben die Anfragen einzelner kritischer Parlamentsabgeordneter nach den Anteilseignern der Bank von England vom Schatzkanzler unbeantwortet. Offizielle Informationen darüber existieren wohl bis heute nicht. Formal wurde die Bank von England erst 1948 verstaatlicht. Einer der größten und einflussreichsten Geldschöpfer der Geldgeschichte konnte seine Geschäfte Jahrhunderte lang im Dunkeln verrichten, und das selbst dann noch, als Großbritannien schon längst eine Demokratie geworden war.
Die Geldschöpfung in Goethes Faust II
Während diese Problematik von kaum einem Ökonomen - und auch sonst kaum - thematisiert wurde, hat sie wenigstens ein bedeutender Dichter aufgezeigt: Johann Wolfgang von Goethe in seinem Werk "Faust II". Darin geht der Plan zur Papiergeldschöpfung durch eine Zentralbank auf Mephisto zurück, der den Doktor Faust dazu überredet, den Kaiser von diesem Plan zu überzeugen. Im Gespräch mit seinem Kanzler äußert der Kaiser zunächst noch erheblich Zweifel, ob das alles mit rechten Dingen zu gehe oder ob es nicht Betrug sei, lässt sich dann aber doch eines Besseren (oder Schlechteren) belehren. Durchblicken tut der Kaiser jedenfalls nicht. Kaum ein Theaterbesucher oder Literaturkenner ist sich der Bedeutung und Brisanz dieser Szenen bewusst. Ich selbst bin erst durch das Buch von Hans Christoph Binswanger "Geld und Magie" darauf aufmerksam geworden. Dass die Bank von England Jahrhunderte lang eine getarnte private Zentralbank war und dass darin noch eine besondere Problematik liegt, wird allerdings weder von Goethe noch von Binswanger thematisiert.
Nobelpreisträger Frederick Soddy als Kritiker des Geldsystems
Es gab noch eine weitere prominente Person, die an dem Bankgeheimnis Geldschöpfung und an der kollektiv verdrängten Zinsproblematik gerüttelt hat: Frederick Soddy, Nobelpreisträger in Chemie in den 20er Jahren mit seinem Buch "Wealth, Virtual Wealth and Debt" (Wohlstand, virtueller Wohlstand und Schulden). Er ging sogar so weit, dass er eine Art Verfassungsklage beim obersten Gericht in Großbritannien auf Verfassungsfeindlichkeit des bestehenden Geldsystems einreichte. Diese Klage wurde jedoch schon im Vorfeld zurück gewiesen, bevor es zur eigentlichen Verhandlung kam. Während Frederick Soddy als Nobelpreisträger eine sozial hoch geschätzte Person war, wurden seine brillanten Veröffentlichungen zum Geldsystem und zur Geldschöpfung fast völlig ignoriert, und er selbst geriet mehr und mehr in die soziale Isolierung. Sein Urteil über die Wirtschaftswissenschaft war schließlich derart, dass es sich dabei wohl gar nicht um eine Wissenschaft handele, sondern um ein dogmatisches Glaubenssystem, das sich gegen grundlegende Kritik völlig abgeschottet habe.
Warum hat eigentlich bislang keiner der Kritiker des Zinssystems und/oder der Geldschöpfung einen Nobelpreis für Ökonomie bekommen, den es immerhin schon seit einigen Jahrzehnten gibt? In diesem Zusammenhang ist vielleicht nicht ganz uninteressant zu erwähnen, dass dieser "Nobelpreis" - im Unterschied zu den anderen Nobelpreisen - nicht etwa von der Alfred‐Nobel‐Stiftung gestiftet wird, sondern von der Schwedischen Nationalbank, die historisch schon einige Jahre vor der Bank von England ebenfalls als private Zentralbank gegründet worden war. Die von ihr emittierten Banknoten erweckten sogar noch durch ihren Namen (schwedische "Krone") den falschen Eindruck, es handele sich um eine königliche oder staatliche Zentralbank und um staatliches Geld. Dass von einem solchen Sponsor nicht unbedingt Ökonomen geehrt werden, die das Bankgeheimnis Geldschöpfung oder die Problematik des Zinssystems aufdecken, liegt schon fast auf der Hand. Die ersten wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten in England sollen übrigens auch von privaten Banken finanziert worden sein. Natürlich hatte das auf die Inhalte dessen, was gelehrt und was nicht gelehrt wurde, keinerlei Einfluss.