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Ein Interview mit einem Meister der langen Welle (Teil 1)

21.04.2010  |  Clif Droke
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Diese Entwicklung wird sich mit der nächsten Aufwärtsphase der Langwelle verstärken. Die Frage ist nur, ob wir den aufstrebenden Zyklus mit der 2009er-Talsohle schon erreicht haben? Oder haben wir nur einen Schuldenzusammenbruch, der uns noch bis 2012 begleiten wird, von wo aus uns die Neuen Märkte schließlich mitziehen? Ich bin also optimistisch hinsichtlich des Potentials der Neuen Märkte, uns in die nächste, aufstrebende Langwellenbewegung zu ziehen. Doch gleichzeitig bin ich sehr pessimistisch, was die Schuldenstruktur angeht, die sich während des bisherigen Abschwungs dieser Langwelle ausgebildet hat. Wir befinden uns also in einer Übergangsphase: Die Talsohle, die eigentlich schon hätte hinter uns liegen müssen, wurde aufgeschoben.


Clif Droke: Ihr Buch beschäftigt sich mit der ökonomischen Langwelle, oder Kondratieff-Zyklus, und damit, welche Auswirkungen diese Welle auf die US-Wirtschaft und die Weltwirtschaft allgemein hat. Könnten Sie die Langwelle noch einmal für diejenigen erklären, denen sie kein Begriff ist?

David Fox Barker: Im Grunde steht die Langwelle für Ebbe und Flut der unternehmerischen Effizienz, und diese spiegelt sich in Schuldenstrukturen und Preisstrukturen wider. Sie steht für die Gezeiten des internationalen Kapitalismus. Die wichtigen Komponenten sind hier Schulden und Innovationen, welche uns zum nächsten Aufwärtszyklus der Langwelle führen. Aber die Schuldenstruktur gerät zu groß, während der Winterphase der Langwelle bilden sich Überkapazitäten. Aktuell befinden wir uns also in einer Phase, in der die Weltwirtschaft von allem zuviel produziert und diese Produktion wurde mit sehr teueren Schulden finanziert und diese Schulden müssen aus dem System gelöscht werden. Die unternehmerische Effizienz leidet während der derzeitigen Winterphase, denn es herrscht Preisdruck und jeder betreibt Überproduktion, die über exzessive Schulden finanziert wird - und diese Rechung geht am Ende einfach nicht auf. Die Schulden müssen aus dem System gelöscht werden. Und Schulden löschen bedeutet, dass zu stark fremdkapitalfinanzierte Firmen vom Markt gehen müssen, damit die überschüssige Kapazität in der Weltwirtschaft abnimmt - nur so kann das System in die Ausgangslage zurückversetzt werden und der nächste Fortschritt beginnen.


Clif Droke: Im Buch greifen Sie auf die vier Jahreszeiten - Frühling, Sommer, Herbst und Winter - zurück, um die vier großen Phasen der ökonomischen Langwelle zu erklären. Können Sie eine kurze Übersicht über diese vier "Jahreszeiten" geben?

David Fox Barker: Die lange Welle wurde von Nikolai Kondratieff, einem russischen Wissenschaftler entdeckt. Kondratieff entwickelte seine Vorstellung einer langen Welle über Jahre hinweg. Sein berühmter Aufsatz “Die Long Wave in Economic Life“ führte [in den 1920ern] überhaupt erst den Gedanken langer Wellen ein. Kondratieff scheint die Analogie der Jahreszeiten selbst nie benutzt zu haben, sie stammen wahrscheinlich von PQ Wall, der Oskar Sprenglers Methode der Analyse kultureller Epochen unter dem Aspekt der Jahreszeiten betrachtete.

Die Langwelle kann 50 bis 70 Jahre überspannen und in vier Segmente unterteilt werden. Die erste Abschnitt der Langwelle ist der Frühling, der von beginnender Inflation geprägt ist. Prägend für den Frühling ist eine sehr niedrige Inflation aber ein stetiger Preisanstieg. Dann kommt der Sommer der Langwelle oder die Phase galoppierender Inflation. Hier kommt die Inflation in Fahrt, militärische Konflikte sind typisch für diese Zeit. Die Preise für Rohstoffe schnellen gegen Ende des Sommers in die Höhe. Der Herbst der Langwelle ist die Zeit der Disinflation, die gut für die Aktien- und Anleihepreise ist, da die Rohstoffpreise fallen. In dieser Phase kommt es tendenziell zu starker Finanzspekulation. Die letzte Jahreszeit der Langwelle ist der Winter oder die Phase galoppierender Deflation. Diese Jahreszeit ist hart für Aktien- und Rohstoffpreise, da die globalen Aktienmärkte in ausgedehnte Bärenmärkte übergehen. Überkapazität und Überproduktion werden während der Winterphase ausgelöscht und Rezessionen sind tendenziell lang, Erholungen kurz.


Clif Droke: Im Buch erwähnen Sie zudem, dass während der Winterphase der Langwelle auch neue Technologien entwickelt werden, die die Aufwärtsbewegung der folgenden Frühlingsphase antreiben. Können Sie das ein wenig genauer erklären?

David Fox Barker: [In der Winterphase] muss es Innovationen geben, die uns dann zum nächsten zyklischen Aufschwung treiben. Ich denke, dass ist der aufregendste Teil der aktuellen Entwicklungen, wir sehen gerade Fortschritte im Bereich der alternativen Energien, der Nanobiotechnologie, der Weltraumforschung, sie werden zu den Triebkräften des nächsten Zyklus gehören. Zwar werden diese Technologien während der Winterphase der Langwelle entwickelt, zu ihrer Aktivierung kommt es jedoch erst auf dem Weg zur nächsten Aufschwungphase, der Frühlingsphase des Zyklus. Da wir uns gerade am Ende des Winters und am Anfang des Frühlings der Langwelle befinden, haben wir jetzt ein Zeitfenster, in dem diese Dinge erfunden und erschaffen werden, ihre Aktivierung und Kapitalisierung wird aber wohlmöglich nicht vor 2012 stattfinden, dann werden sie den nächsten zyklisch Aufschwung antreiben.





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