Der Rohstoff Megatrend
10.05.2012 | Stephan Bogner
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Nachfrage-Treiber #3: INFRASTRUKTURDer Trend einer zunehmenden Verstädterung (Urbanisierung) v.a. in Schwellenländern wird die Nachfragedynamik nach Rohstoffen zusätzlich anheizen. In Zeiten von Internet und Smartphones bestimmen Rohstoffe aber auch den Alltag eines Wohlstandsbürger, wie der weltweite Ausbau von Infrastruktur während den letzten Jahrzehnten verdeutlicht hat (schon heute verspeist allein das Internet in den USA mehr als 10% des gesamten US-Energiebedarfs). Neue Märkte und Industrien, sowie aufstrebende Länder, benötigen allem voran Gebäude, Strukturen und Transportwege wie Strassen, Schienen, Wasserwege und Flughäfen, sowie unzählige neue Anlagen, die u.a. eine Versorgung mit Wasser und Elektrizität gewährleisten.
Somit verlangen all diese aufstrebenden Länder, Märkte und Menschen zunehmend Rohstoffe. Die wachsende Anzahl der Menschen macht z.B. die Wasserinfrastruktur immer dringlicher, denn nur etwa 80% der Weltbevölkerung besitzt Zugang zu sauberem Wasser und nur 60% zu sanitären Einrichtungen. Die OECD geht für die nächsten 20 Jahren von einem jährlichen Volumen für weltweite Infrastrukturausgaben im Bereich von 600 Mrd. Dollar aus - nur um die Versorgung mit Wasser sicherzustellen. Weiter schätzt die OECD, dass allein China bis 2030 insgesamt rund 2.000 Mrd. Dollar in Anlagen zur Erzeugung und Verteilung von Energie investieren wird.
Allerdings ist ein derart geldintensiver Infrastrukturausbau nicht nur auf Schwellenländer begrenzt. Gemäss der OECD müssen die USA und Kanada in der gleichen Zeit etwa 1.800 Mrd. Dollar in ihre Elektrizitätsanlagen investieren - etwa genauso viel wie China. Zu was eine marode Infrastruktur führen kann, zeigt nicht nur das alte Beispiel Kalifornien, sondern auchzuletzt Süd-Afrika, wo Minen vorübergehend geschlossen werden mussten, weil keine ausreichende Versorgung mit Elektrizität gegeben war. “Die indische Regierung plant, während den kommenden 5 Jahren über 1 Billionen Dollar zu investieren, um der grossen Infrastrukturnachfrage des Landes entgegenzutreten. Über 50% dieser Gelder wird aus der Privatwirtschaft kommen.”Jedweder Ausbau von Infrastruktur ist sehr rohstoffintensiv.
Treiber #4: BEGRENZTES ANGEBOT
Neben der steigenden Nachfrage aus allen Ecken und Winkeln dieser Erde kommt die zu realisierende Tatsache hinzu, dass das Angebot an Rohstoffen weder willkürlich noch beliebig vermehrt werden kann (im krassen Gegensatz zum Geldangebot zum Beispiel). Erstens sind viele natürliche Rohstoffe von nicht nachwachsender Natur, sondern eben nur begrenzt verfügbar (“knapp”). Zweitens wurden die meisten und grössten Rohstofflagerstätten bereits entdeckt. Sicherlich gibt es noch einige unentdeckte Lagerstätten (v.a. in der Tiefe), und es ist auch bekannt, dass Planet Erde fortwährend neue Lagerstätten produziert. Das einzige Problem ist somit nur, dass unsere Erde viele Millionen Jahre benötigt, um eine neue Lagerstätte zu bilden - und dass wir irgendwann den Grossteil der derzeit vorhandenen Lagerstätten ausgebeutet haben. Das ist (hoffentlich) der Grund, warum breit argumentiert wird, dass unsere Rohstoffe mengenmässig begrenzt sind, obwohl diese de factoschon “nachwachsen” bzw. sich fortwährend in der Erdkruste bilden. (1)
Es wurde zum Problem, dass während den letzten Jahren kaum neue Kapazitäten geschaffen wurden. Im Grunde genommen sind seit 2002 keine neuen wirklich grossen Funde von Erzen gemacht worden. Die Exploration und Entwicklung von neuen Lagerstätten wird zunehmend schwieriger und teurer, weil eben die meisten Lagerstätten nahe der Erdoberfläche bereits aufgespürt wurden. Das BP-Unglück vor den US-Küsten zeigte, welches Risiko bereits eingegangen wird bzw. welcher Preis schon jetzt in Kauf genommen wird, um die Nachfrage zu befriedigen zu versuchen. Auch die meisten Öllagerstätten wurden schon nahe der Erdoberfläche entdeckt und versiegen zunehmend, sodass wir eben tiefer gehen müssen (oder aufhören müssen, preisunelastisch nachzufragen).(2)
Schon 1972 erwähnte und wies der Club of Rome auf das Problem hin, dass natürliche Ressourcen begrenzt sind und das weltweite Wirtschaftswachstum überproportional ansteigt. Trotz korrekter Tatsachenaufdeckung wollten es die Märkte damals nicht wahr haben, was sich mit den vielen technologischen Innovationen und Fortschritte seit den 1970ern erklären lassen kann, mit denen viele neue und grosse Rohstofflagerstätten entdeckt wurden, während sich gleichzeitig die Effizienz beim Rohstoffabbau erheblich steigerte. Es waren diese technologischen Durchbrüche, Hand in Hand mit den Explorationserfolgen,die zu dem Eindruck verleiteten, dass die Versorgung mit Rohstoffen trotz steigender Nachfrage weit über die nächsten 100 Jahre hinaus gesichert sei. Die Auffassung eines im Überfluss vorhandenen Rohstoffangebots wurde darüberhinaus auch durch die schweren Wirtschaftskrisen in Asien und Russland in den 1990ern untermauert, die auch andere Schwellenländer nachteilig beeinflussten. Es wurde prognostiziert, dass die Schwellenländer für eine unbestimmt lange Zeit als Nachfragetreiber ausfallen würden.
Die Folge war, dass sich die Preise der meisten Rohstoffein den 1990er Jahren auf dem niedrigsten Stand seit mehr als 100 Jahren befanden (unter Berücksichtigung der allgemeinen Teuerung bzw. inflationsbereinigt). Dank diesem Preisverfall sanken auch die Ausgaben zur Erschliessung neuer Lagerstätten und zur Entwicklung neuer Minen. Darüberhinaus war es wesentlich attraktiver und lukrativer in die neuen und “spannenden”Märkte der Internet-Revolution und des Neuen Information-Zeitalters zu investieren - anstatt primitiv in der Erde nach Rohstoffen zu buddeln. Zu Zeiten des Jahrtausendwechsels hatten nicht viele Studenten den Mut, sich alte Steine anzuschauen und so etwas unpopuläres wie ein Petrograph werden zu wollen, der altmodisches Bergbauwesen studiert - vor allem in Anbetracht der begierigen Masse, sich in etwas derartig hippes wie IT oder Marketing & Sales mit “Major” in Communications ausbilden zu lassen.
Die nicht erfreuliche Konsequenz heute ist, dass die Minenbranche dringendst (in vielen Fällen gar händeküssend) qualifiziertes Personal sucht, womit einhergeht, dass viele Projekte langsamer entwickelt werden und wir heute auch deswegen höhere Preise für Rohstoffe bezahlen müssen (ganz zu schweigen von den Millionen arbeitslosen Kommunikationsexperten, die ihre Tage in modernen Arbeitsämtern wie Facebook absitzen, womit ihnen zumindest ein virtueller Raum in der nicht so erfreulichen Realität gegeben ist, in dem sie das tun können, was sie studiert haben und somit am Besten können, nämlich sozial zu netzwerken und Marken salonfähig mit Witz und Verstand zu promoten, wobei dies gekoppelt ist an ihre eigene “preisgekrönte Innovation” für ihre zugrundeliegende Branche: für lau).