Der Rohstoff Megatrend
10.05.2012 | Stephan Bogner
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Länder, die aufstreben und sich entwickeln, benötigen Rohstoffe. Keine Rohstoffe - keine Entwicklung. Keine Entwicklung - kein Wohlstand. China ist - nach den USA - der 2. grösste Importeur von Öl (rund 4 Mio. Barrel pro Tag, was ca. 13% der gesamten OPEC-Produktion entspricht) - obwohl dort 4 mal so viele Menschen leben wie in den USA. Und obwohl China bis 1994 gar kein Öl importieren musste (aktuell 5. grösster Ölproduzent), sind sie in weniger als 20 Jahren zum 2. grössten Ölimporteur geworden. Ein Deutscher verbraucht jährlich im Schnitt etwa1.800 Liter Öl, ein US-Amerikaner über 4.000 Liter, während Mexikaner nicht mal 1.000 Liter pro Kopf verkonsumieren. Und wieviel verbraucht ein Chinese? Weniger als330 Liter.
Energierohstoffe sind allerdings einigermaßen von anderen Rohstoffklassen zu unterscheiden, da die starke Ölabhängigkeit der Welt wohl (früher oder später) mit alternativen Energien ausgetauscht wird. In Brasilien fahren bereits 25 Mio. Autos mit Ethanol anstatt Benzin - dies entspricht einem nationalen Marktanteil von rund 80%. China fördert/erzwingt bewusst den Vormarsch von Elektro- und alternativ-betriebenen Autos, da sich die Regierung im Klaren darüber ist, dass ein Chinese in Zukunft lieber nicht mal 1.000 Liter Öl pro Jahr verbraucht, denn dafür wäre knapp die Hälfte der gesamten OPEC-Produktion von Nöten.
Ganz gleich ob Öl in Zukunft vollständig oder nur teilweise mit anderen Energien ausgetauscht wird, der Trend bleibt typischweise immer der Gleiche: Rohstoffe können nur mit anderen Rohstoffen substituiert werden, wenn z.B. der Preis zu hoch, das Angebot zu knapp oder die Politik dagegen ist. Somit könnte es nicht nur rentabel sein, auf weiterhin starke Ölpreise zu spekulieren, sondern auch auf höhere Zuckerpreise während den nächsten Dekaden, oder auf Metalle der Gruppe Seltene Erden (Abk. REE für Rare Earth Elements), die in Hybrid-Fahrzeugen benötigt werden/wurden, allen voran Dysprosium, dessen Preis 2008 von 118 auf 2.300 Dollar/kg letztes Jahr angestiegen ist (+1.849%). Jedoch beheimaten stark steigende Preise auch entsprechend hohe Risiken, wie der kürzlich stattgefundene Preiseinbruch bei Neodymium, welches REE ebenfalls in Hybrid-Fahrzeugen Einsatz findet, vor Augen gehalten hat: von 338 in 2011 auf 200 Dollar/kg Anfang 2012 (-41%).
Im Allgemeinen macht es keinen Sinn für eine Industrie, einen Rohstoffnachzufragen, wenn dessen Verfügbarkeit nicht gegeben ist und/oder ein zu hoher Preis nicht lohnt, sodass gezwungenermaßen nach Substitutionsmöglichkeiten gesucht oder versucht wird, selber welche zu erfinden. Zum Beispiel: “Toyota hat eine Technologie entwickelt, um in Hybrid-Fahrzeugen REE zu substituieren.” Vor kurzem hat China seine REE-Exporte beschränkt, da es diese auch als strategische Metalle bekannte Rohstoffe lieber selber behalten möchte, um die eigenen Märkte zu entwickeln, welcher Schritt auch als vollkommen legitim angesehen wird - erst recht, wenn die chinesische Minenförderung >90% des gesamten Weltangebots ausmacht.
“Hitachi hat einen 11 Kilowatt Motor gebaut, der keine REE benötigt… Die kommerzielle Produktion soll in 2 Jahren beginnen.” Allerdings kann nicht jeder Rohstoff mit anderen Rohstoffen ersetzt werden, wie z.B. Silber, welches Industriemetall einzigartige Eigenschaften besitzt und in vielen seiner paar tausend Anwendungsfelder als nicht-substituierbar eingestuft wird, womit dessen Nachfrage eher preisunelastisch ist (wenn die Preise stark steigen, werden die Industrien nicht weniger nachfragen). Somit könnte es nicht nur rentabel sein, auf weiterhin starke REE-Preise zu spekulieren, sondern auch auf höhere Preise von jenen Rohstoffen, dieREE in Hybrid-Fahrzeugen ersetzen.
Die chinesische Volkszählung 2010 hatte zum Ergebnis, dass insgesamt 1,4 Mrd. Menschen im flächenmäßig 4. grössten Land leben (nach Russland, Kanada und USA). China ist noch immer ein Land, in demder Grossteil der Bevölkerung in Armut lebt. 2005 lebten allerdings schon rund 600 Mio. Menschen weniger in extremer Armut als noch im Jahr 1981. Der Erfolg im Kampf gegen die Armut begann mit den Wirtschaftsreformen im Jahr 1978. Zwischen 1981-2001 sank der Anteil der unter dem Existenzminimum lebenden Bevölkerung von 53% auf 8%.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage nach der Definition von “Existenzminium”: für die Landbevölkerung liegt dieses bei etwa 100 Euro und bei der Stadtbevölkerung bei etwa 135 Euro - notabene: pro Jahr. Dies ist weniger als die breitpropagierte Grenze von 1 Dollar pro Tag. Gemäss der UN lebten im Jahr 2007 etwa 35% aller Chinesen mit einem Einkommen von weniger als 2 Dollar pro Tag und 10% mit weniger als 1 Dollar. Mindestens 300 Mio. Chinesen aus ländlichen Regionen haben noch immer keinen Zugang zu (sauberem) Trinkwasser, während allein in Südost-Asien geschätzte 60 Mio. Menschen in Gegenden mit kontaminiertem Trinkwasser leben. Aktuell gibt es etwa nur 200 Mio. Chinesen, die über ein Jahreseinkommen von mehr als 4.000 Dollar verfügen - verglichen mit 2003 entspricht dies aber einer Verdreifachung in nur einem Jahrzehnt.
Und China ist beileibe nicht das einzige Land mit einem derart grossen Rohstoffbedarf. Denken Sie nur an Indien. Zum Beispie ljagt dort die Regierung seinem selber (sehr ambitös) gesteckten Ziel hinterher, die Zahl der Autobesitzer innerhalb von nur 5 Jahre zu vervierfachen.“Indien ist eine aufstrebende Macht im 21. Jahrhundert, und es wird prognostiziert, dass es zur 3. grössten Volkswirtschaft der Welt aufsteigt. Indien ist eine Quelle für Talente und Innovation… Indien befürwortet eine lebhafte, pluralistische Demokratie und besteht auf eine offene und freie Presse.”
Die Volkszählung von 2011 hatte zum Ergebnis, dass 1,2 Mrd. Menschen in Indien leben - also fast genauso viele wie in China, allerdings mit einem “kleinen” Unterschied: Indien hat eine wesentlich grössere Bevölkerungszunahme als China. Im Moment liegt das Bevölkerungswachstum bei 1,5% pro Jahr - relativ gesehen liegt der Zuwachs also nur ein wenig über dem Weltdurchschnitt - absolut gesehen verzeichnet Indien jedoch derzeit mit etwa 18 Mio. Menschen mehr pro Jahr das grösste Wachstum auf der Welt. Schätzungen zufolge wird sich das indische Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahrzehnten kaum abschwächen und die Volksrepublik China bis spätestens 2025 als bevölkerungsreichstes Land der Erde ablösen. Interessanterweise erklärt sich das Bevölkerungswachstum Indiens aber nicht mit einer erhöhten Geburtenrate, sondern mit einer über die letzten Jahre gestiegenen Lebensdauer bzw. Reduktion der Sterberate. Dies ist vornehmlich auf eine Erhöhung des Lebensstandards bzw. des Wohlstands zurückzuführen.
Nach Angaben der Weltbank haben heute 44% der Einwohner Indiens weniger als 1 Dollar pro Tag zum Überleben. Auch wenn die Ernährungssituation seit den 1970er Jahren erheblich verbessert werden konnte, so ist noch immer mehr als ein Viertel der Bevölkerung zu arm, um sich eine ausreichende Ernährung leisten zu können. Allerdings werden die mittel- bis langfristigen Wachstumsperspektiven der Volkswirtschaft Indien vielfach als sehr positiv beurteilt. Viele Studien kommen zu dem gleichen Ergebnis, nämlich dass Indien künftig sogar stärkerals China wachsen wird. Abgesehen vom grossen Nachholbedarf, insbesondere in Bereichen der Infrastruktur, spricht vor allem die Altersstruktur der Bevölkerung für ein anhaltend starkes Wirtschaftswachstum. Der aktuell hohe Anteil junger Menschen an der Bevölkerung wird in den nächsten Jahrzehnten für einen hohen Anteil erwerbstätiger Inder sorgen.Das Durchschnittsalter der indischen Bevölkerunglag 2006 bei 25 Jahren.
Kurzum: die stark wachsende Weltbevölkerung - Hand in Hand mit dem Menschen innewohnenden Streben, den eigenen Lebensstandard vor allem in unterentwickelten Ländern zu erhöhen - spricht eine Sprache, und zwar dass der Rohstoffboom keineswegs nur ein befristetes Zyklenphänomen ist.