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Spanien sendet SOS - Reagiert die EZB?

06.06.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.27 Uhr) bei 1.2495, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Tiefstkurse im europäischen Handel bei 1.2411 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 78.85. In der Folge notiert EUR-JPY bei 98.50, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Spanien sorgte gestern mit der Meldung, dass die Finanzmärkte bei dem derzeitigen Refinanzierungsniveau für das Land nicht zugänglich sind, für Aufsehen. Der Zinsaufschlag, der sich inzwischen auf mehr als 500 Basispunkte stellt, bereitet dem Land große Sorgen. In der letzten Woche musste Spanien den Investoren für 10 Jahres-Papiere 6,7% bieten. Zinsen dieser Größenordnung gelten für Länder als nicht längerfristig refinanzierbar, weshalb Portugal und Irland in ähnlicher Lage bereits unter den Euro-Rettungsschirm flüchteten.

Fakt ist, dass Spanien bereits jetzt seinen Refinanzierungsbedarf für das Jahr 2012 (378 Mrd. EUR) zu mehr als der Hälfte gedeckt hat und „nur“ noch knapp 40 Mrd. EUR am Kapitalmarkt einsammeln muss.

Fakt ist auch, dass Spanien in den nächsten beiden Jahren stolze 60 Mrd. EUR einsparen wird. In 2012 werden allein durch Steuererhöhungen, Gehalts- und Rentenkürzungen mindestens 35 Mrd. EUR eingespart.

Fakt ist, dass Spanien per 2011 eine Gesamtverschuldung von knapp 70% des BIP ausweist und damit einen deutlich niedrigeren Wert als Länder wie z.B. USA, GB, Japan und die meisten Euroländer

Die Situation ist prekär, nachdem die spanische Regierung die Neuverschuldung für das laufende Jahr zwei Mal nach oben korrigieren musste und nun von der EU-Kommission mehr Zeit bekommen hat, um das Budgetdefizit auf unter 3,0% der Wirtschaftsleistung zu drücken. Durch diese zögerliche Informationspolitik wurde das Vertrauen der Investoren leichtfertig strapaziert. Dies wirkt im Blues der Eurokrise nun schwer, zumal immer noch nicht klar ist, wie viele Milliarden der Staat in die angeschlagene Bankia stecken muss. Zuletzt mehrten sich allerdings Gerüchte, dass es weniger als die bekannt gewordenen 19 Mrd. EUR sein könnten, was die Situation etwas entschärfen würde.

Die Äußerungen des Finanzministers Cristobal Montoro wonach Spanien Probleme bei der Refinanzierung über die Finanzmärkte hat, kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Märkte warten mit Spannung auf die anstehende Wahl in Griechenland und beäugen andere Reformländer momentan besonders kritisch. Die spanische Regierung trägt durch ihr Verhalten im Umgang mit der Neuverschuldung (NVS) einen nicht unerheblichen Anteil hieran. Der Markt testet nun, wie lange sich Rajoy an einem Wahlversprechen (keine ausländische Hilfe anzunehmen) festhält ...

Die Partnerländer stehen Spanien zur Seite, bzw. fordern das Land aktiv auf Hilfen aus dem Rettungsschirm anzunehmen. Es liegt nun an Spanien, diese Hilfestellung auch anzunehmen und zu reagieren. Die Europartner werden genau beobachten, ob die Politik die Hilfe als Rückendeckung für ihre Reformen verwendet, oder wie in Griechenland gesehen um weitere Zugeständnisse auszuhandeln …

IWF-Chefin Christine Lagarde hat ein Gesamtkonzept zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise angemahnt. "Der Masterplan“, zu dem sich alle bekennen, ist wichtig, weil er eine Vision schafft, sagte Lagarde am Dienstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters am Rande einer Konferenz in Lettland. Wir sehen den Fiskalpakt als solches Instrument, da dieser kurzfristige Wirkung entfalten kann. Man möge sich vorstellen, welche politischen Mühen es kosten wird, diesen Masterplan im heterogenen Europa auszuhandeln.

So entstehe eine kollektive Entschlossenheit. "Und das fehlt im Moment." Es wäre wünschenswert, wenn der Fiskalpakt möglichst schnell von allen Euroländern ratifiziert werden würde.

Nicht unbedingt notwendig seien dagegen Fristen, um die Euro-Zone aus ihrer Schuldenmisere zu befreien. "Ich bin kein großer Fan von diesen Zielen, die ohnehin verfehlt werden", fügte die Französin an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF) hinzu. Ambitionierte Ziele wurden zuletzt von Portugal erreicht. Zu ambitionierte Zielstellungen wirken negativ, s. Spanien.

Lagarde erklärte weiter, die Verantwortlichen in der Euro-Zone müssten ihre Entscheidungen zwar eher früher als später treffen. Allerdings sollten sie sich vor allem auf einen umfassenden Katalog von Grundsätzen einigen, der dann im Laufe der Zeit umgesetzt werde solle. Nachdem die hoch verschuldeten Länder Griechenland, Irland und Portugal bereits unter Rettungsschirme mit Beteiligung auch des IWF geschlüpft sind, richtet sich die Aufmerksamkeit nun auf Spanien. Vor allem das Bankensystem der ungleich größeren Volkswirtschaft gibt in der Euro-Zone Anlass zur Sorge. Es liegt an Spanien die angebotene Hilfe anzunehmen.

Lagarde sagte, kurzfristig müssten auf jeden Fall Entscheidungen über den spanischen Bankensektor gefällt werden. Sie wies Mutmaßungen zurück, die Regierung in Madrid habe den IWF um Hilfen für die Rekapitalisierung der Institute gebeten. Spanien hatte zuletzt eingeräumt, an den Finanzmärkten kaum noch an frisches Geld zu kommen. Begleitet von diesem Alarmruf berieten die sieben führenden Industriestaaten über Schritte zur Entschärfung der Schuldenkrise. Man redet mit einander. Wir werten dies positiv.

Werfen wir einen Blick auf die Daten von gestern:

Der Markit Dienstleistungsindex für die Eurozone signalisierte erwartungsgemäß für den Berichtsmonat Mai weiterhin einen Wert von deutlich unter 50 Punkten. Mit 46,7 Zählern nach zuvor 46,9 im April gab der Index erneut nach. Negative Dynamik wurde aus Deutschland (-0,4), Frankreich (-1,1) und Spanien (-0,3) gemeldet. Lediglich Italien als drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone lag mit +0,5 Punkten über dem Vormonat. Der Wert für Deutschland ist mit nunmehr 51,8 Punkten der einzige Subindex, der über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten liegt.

Die Einzelhandelsumsätze gaben im April mit -1% nach. Im Vormonat hatten die Umsätze noch bei +0,3% gelegen. Im Jahresvergleich sanken die Umsätze um 2,5%. Die Verbraucher sind in Euroland sehr zurückhaltend mit ihren Ausgaben. Außer in Deutschland wurden in allen anderen Euro-Ländern sinkende Einzelhandelsumsätze registriert. In Deutschland wuchsen die Umsätze im April mit 0,6% deutlich langsamer als noch im März (+1,6). Dieses Jahr fiel aber Ostern in den April, was das Bild etwas entzerrt.

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Die Auftragseingänge in der Industrie fielen im April um 1,9% und damit so stark wie seit November 2011 nicht mehr. Der Vormonat wurde allerdings stark aufwärts revidiert (von 2,2 auf 3,2), weshalb der Rückgang nicht überbewertet werden sollte. Die deutsche Wirtschaft kann sich von der abkühlenden Weltkonjunktur allerdings nicht abkoppeln, denn neben schwachen Daten aus Europa waren die letzten Konjunkturindikatoren aus den Schwellenländern und Nordamerika nicht sehr überzeugend ausgefallen, was sich voraussichtlich in den nächsten Monaten in den deutschen Konjunkturzahlen bemerkbar machen wird.

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Der viel beachtete ISM-Dienstleistungsindex lieferte ein positives Signal. Er stieg im Vergleich zum Vormonat auf 53,7 Punkte. Analysten hatten mit einem unveränderten Wert von 53,5 gerechnet. Der Index deutet damit weiterhin auf einen Aufschwung im amerikanischen Dienstleistungssektor hin. Der DAX reagierte prompt und tendierte in der Folge nur noch leicht im Minus, nachdem er zuvor deutlich größere Verluste ausgewiesen hatte, denn die Aussichten auf moderates Wachstum in den USA bleiben somit bestehen.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Moritz Westerheide
Bremer Landesbank



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