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Kaputtsparen

15.11.2012  |  Robert Rethfeld
"Kaputtsparen" hat alle Chancen, zum Wort des Jahres 2012 gewählt zu werden. DGB-Chef Michael Sommer sagte im Deutschlandradio angesichts des laufenden Generalstreiks in Südeuropa: Die Euro-Krisenländer würden "kaputtgespart". Auch bei Politikern schuldenbeladender deutscher Kommunen ist dieses Wort mehrheitsfähig. Die Stadt Oberursel/Taunus fährt ein strukturelles Defizit von etwa 12 Millionen Euro. Der Stadt stehen 30 Millionen Euro für den Haushalt zur Verfügung. Ausgegeben werden 42 Millionen. "Wir können uns schließlich nicht kaputtsparen" ist eine Aussage, die mir im Rahmen von Haushaltsberatungen häufiger entgegengeschleudert wurde. Vor einigen Monaten wurde der Neubau eines Hallenbades (Investitionskosten: 13 Millionen Euro) für Oberursel beschlossen. CDU, SPD und Grüne stimmten dafür, wir - die Freien Wähler - dagegen. Die Begründung des SPD-Bürgermeisters lautete: "Wir haben es den Bürgern versprochen." Die Grube ist ausgehoben, der Bau läuft.

Das Wort "kaputtsparen" drückt eine entschlossene Geisteshaltung aus. In Südeuropa ist diese Haltung mehrheitsfähig. Aber: Der Blick auf die öffentliche Verschuldung in Prozent vom BIP diverser Länder lässt nicht vermuten, dass sich irgend eines dieser Länder bisher kaputtgespart hat.

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Im Gegenteil: Die Verschuldung in Prozent vom BIP ist weiter gestiegen. Die Zahlen für die Jahre 2013 und 2014 basieren auf Schätzungen der EU-Kommission.

Der Wert aller produzierten Güter und Dienstleistungen befindet sich in Großbritannien, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal unterhalb des Vor-Finanzkrisen-Niveaus aus dem Jahr 2007 (folgender Chart).

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Kein BIP-Wachstum = keine Möglichkeit, Schulden abzubauen? Diese Meinung setzt sich zunehmend durch. Sie ist der Kern der Botschaft des "Kaputtsparens". Der Zeitfaktor spielt eine zunehmende Rolle. Die Situation ist seit fünf Jahren verfahren, und eine Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Zeichen stehen für einen erneuten Abschwung in 2013.

Die Unruhe in der Bevölkerung wächst. War das Interesse an der Geldpolitik bis zur Finanzkrise auf Börsianer und Volkswirtschaftler beschränkt, so hat sich seither ein grundlegender Wandel vollzogen. Alle Welt weiß, dass Zentralbanken Geld drucken. Warum kaputtsparen, wenn das Geld mit einer buchungstechnischen Transaktion zur Verfügung gestellt werden kann? Um die Dimension zu verdeutlichen, scheint das folgende Beispiel angebracht: Die US-Zentralbank druckt jeden Monat 40 Milliarden Dollar im Rahmen ihres QE3-Programms. Ein Monatsscheck davon nach Griechenland, und die dortigen Finanzprobleme wären weitgehend gelöst. Dies weckt Begehrlichkeiten.

Zurück zur Kommunalpolitik: Eine Kommune hat zwei Möglichkeiten zum Schuldenabbau. Sie kann die Einnahmen erhöhen (Gewerbesteuer, Grundsteuer B, Kita-Gebühren, Hundesteuer, Spielapparatesteuer etc.) oder die Ausgaben senken. Am einfachsten und schnellsten sind Steuer- und Gebührenerhöhungen durchzusetzen. Ein Beschluss des Stadt- oder Gemeindeparlaments reicht. Ausgaben senken? Der Abbau von Personal in deutschen Kommunalverwaltungen ist für viele Bürgermeister ein Tabuthema. Da aber Personalkosten den größten Kostenblock darstellen, kommt man nicht weit, wenn man dieses Thema außen vor lässt. Das Wort vom Kaputtsparen ist da schnell hervorgeholt. Hinzu kommt: Viele deutsche Kommunen bauen - zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz - Personal auf.

Fazit: "Kaputtsparen, nein danke" lautet der Slogan. Es ist zu erwarten, dass die Begehrlichkeiten wachsen. Dies um so mehr, wenn sich in 2013 erneut eine weltweite Wirtschaftskrise einstellen sollte. Die Kreativität im Umgang mit "Fiat Money" dürfte Maßnahmen beinhalten, die bis vor kurzem jenseits der Vorstellungskraft lagen (siehe auch unsere Vorwochen-Kolumne zur "Annullierung von Staatsschulden").

Bundesbankpräsident Weidmann wurde im März 2012 mit den Worten zitiert: "Es gibt Notenbanken, die mit einem negativen Eigenkapital arbeiten“. Mit Hilfe negativen Eigenkapitals könnten Zentralbanken sämtliche existierenden Staatsschulden aufkaufen und diese dann abschreiben, so dass ein Staat auf einem Schlag komplett schuldenfrei wird. Zentralbanken sind in der Lage, den "God mode" ("Gott-Modus") einzuschalten - Kollateralschäden einbegriffen. Antizipieren Sie die Entwicklung der Finanzmärkte mit Hilfe unserer handelstäglichen Frühausgabe.


© Robert Rethfeld
www.wellenreiter-invest.de



P.S.: Wir schauen hinter die Märkte und betrachten diese mit exklusiven Charts! Wir veröffentlichen morgens gegen zwischen 7.30 und 8.00 Uhr eine tägliche Kolumne zum aktuellen Geschehen unter www.wellenreiter-invest.de, die als 14-tägiges Schnupperabo kostenlos getestet werden kann.



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