Werden Seltene Erden bald selten teuer?
15.03.2011 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Machtvolle Schlüsselrolle der SchlauenVor einigen Jahrzehnten lieferten Südafrika, Brasilien, Indien, die USA und Kanada die Hauptmengen der benötigten SEE. Doch die schlauen und auf Jahrzehnte im Voraus planenden Chinesen unterboten die westlichen Produzenten in einem solchen Masse, dass diese aufgaben und ihre Minen unter dem Preis- und Kostendruck zusammenbrechend, notgedrungen schliessen mussten. Um einen hochmodernes Schlagwort aus dem Vokabular der Mega-Rettungsaktionen zu gebrauchen war dies „alternativlos“.
Mit der systematischen Ausschaltung der Konkurrenz mittels Dumpingpreisen gewannen die Chinesen in der Folge eine globale Monopolstellung mit derzeit 97% der SEE-Förderungen. Doch ein Monopolist hat die nahezu absolute Marktmacht und diese Karte spielt Peking derzeit höchst gelassen aus nach dem Motto "Ich gewinne, du verlierst. Oder bei der nächsten Karten-Ziehung: "Du verlierst, ich gewinne". Und am Schluss heisst es dann: "Noch einmal das schöne Spiel, weil es mir so gut gefiel...."
Natürlich steht dem Westen in diesem globalen Schachspiel ein starker Gegenzug offen. Schliesslich verfügt man über mehr als die Hälfte aller globalen SEE-Ressourcen. Doch sind diese ökonomisch gewinnbar mit den grünen Zwingburg-Herren und tausenden von immer teureren Auflagen im Rücken? Und selbst wenn diese Probleme unter größten Schwierigkeiten irgendwie lösbar wären, wie lange brauchte es, um die aufgegebenen und teilweise "abgesoffenen" Minen wieder in Produktion zu bringen? Die Faustregel heißt hier bekanntlich: Vom Investitionsentschluss, über die Planungs-, Prüfungs-, Finanzierungs-, Infrastrukurerrichtungs-, Aufbau- und Genehmigungsphasen und die Grünen hinweg - vergehen im Durchschnitt acht bis fünfzehn Jahre. Die systemimmanenten enormen Umweltbelastungen sorgen vielleicht noch für zusätzliche Projektzeiten.
Da es sich hier um Elemente von höchster strategischer Bedeutung handelt, könnte im Notfall mit Crashprogrammen und Einsatz von Pionier- Bataillonen des Militärs gerechnet werden, nebst mit vielen neugedruckten Milliarden frischen Geldes. Aber selbst dann liesse sich die Zeit bis zum Produktionsbeginn vielleicht auf die Hälfte, also vier bis sieben Jahre reduzieren. Möglicherweise sogar auch drei Jahre. Doch drei oder selbst zwei Jahre sind viel zu lang, wenn die Vorräte der westlichen Industrien gerade einmal sechs Wochen normaler Produktion reichen und China das SEE-Licht ausknipst.
Die durchschnittlichen SEE-Preise dürften dann munter anziehen. 1970 lagen sie im Mittel noch um die 150 $ pro Tonne, erreichten 1992 vorübergehend ein Zwischenhoch von 10.000 $ / t, fielen bis 2006 wieder auf 4 000 $ / t zurück, nur um 2008 gewichtige 12.000 $ / t zu erreichen. Vielleicht wird man sich schon Ende des Jahres 2011 wehmütig an "diese schönen alten Zeiten" erinnern.
Ausserdem sind die notwendigen Investitionen nicht gerade geringfügig. Avalon beispielsweise plant, mindestens 1 Mrd. $ in die Entwicklung seiner Mine zu stecken und weitere 300 bis 400 Mio. $ in den Aufbau der Trennungs- bzw, Scheide-Anlagen. Es geht jedenfalls um Milliardenbeträge.
Gleich wie sich hier die Einzelheiten gestalten: Mit einer schnellen Abhilfe ist keinesfalls zu rechnen. Der würgende Griff aus dem fernen Osten wo man kein „r“ „splechen“ kann, wird bleiben. Die Sprechblase aus dem Munde des karikierten bedauernswerten chinesischen Bergarbeiters mit seinem Strohhut in Form eines Flachkegels heißt noch immer: „Immel schön albeiten, ohne Mullen und Knullen und ohne Aufbegehlen, Plotestieren und Stleiks hallen wil Belgbaualbeitel fül Seltene Elden mit Niedliglohn fül immel aus.“
Ein hoher Preis in der Erfolgsbilanz
Doch sollten alle, die sich über die fernöstliche Restriktionspolitik lautstark ereifern eines nicht vergessen: Dieses von China schwer und über lange Zeiten hinweg errungene Monopol kam alles andere als "umsonst". Die Investitionen in Ausrüstungen, oft wenig effiziente Anlagen, Logistik, Energie und "human capital" waren - und sind - enorm. Vor allem die extremen Umweltschäden einschließlich der Einleitung hoch toxischer Stoffe in Bäche, Ströme und Seen durch sowohl legale wie auch illegale Produzenten, sowie eine unbekannte Zahl von Menschenopfern, die auf einige hunderttausend geschätzt werden, stehen als ein hoher Preis auf der Passivseite der Erfolgsbilanz. Dass nunmehr die Chinesen die bitteren Früchte dieser Langzeit-Strategie, sehr zum Leitwesen des Westens, auch ernten möchten - wer könnte es ihnen verdenken?
Zudem wird ihr Land von steigender Inflation geplagt. Für 2011 haben die Zentralplaner Lohn- und Gehaltssteigerungen von 20 bis 30 % vorgesehen, um die Bevölkerung ruhig zu halten, die Binnennachfrage und damit die Konjunktur anzukurbeln und damit auch weniger vom Export abhängig zu werden. Diese gewaltigen Mehrkosten und die Abkehr von der Exportlastigkeit müssen wenigstens teilweise durch angehobene Ausfuhrzölle und höhere Preise für generell alle Exporte aufgefangen werden. Die Zeit der extremen Billigpreise chinesischer Produkte neigt sich wohl langsam ihrem Ende zu.
Die SEE sind eine wichtige Komponente in dieser für das Land notwendigen Strategie, der weniger Boshaftigkeit, Tücke und Machtstreben sondern eher blanke Zwänge zugrunde liegen. Alle Länder, die chinesische Waren - und nicht nur SEE importieren, sollten sich auf steigende Preise einstellen. Im Hintergrund dieser Teuerungen stehen natürlich die maßlosen Steigerungen der Geldmengen aller Zentralbanken, der westlichen, wie auch der der Schwellenländer, einschliesslich derjenigen Chinas.
Im Gegensatz zur "Teuerung", die durch Liefer- bzw. Produktionsverknappung, Ernteausfälle oder Naturkatastrophen entsteht, ist "Inflation" schlicht eine Folge der beliebigen Vermehrung der Papier- oder Digital-Geldmengen, denen keine realen Werte mehr gegenüberstehen. Ziehen die SEE-Preise an, ist dies sowohl "Teuerung", weil dringend gebrauchte Lieferungen aus China oder von stillgelegten Minen im eigenen Land ausfallen, als auch "Inflation", weil die Geldschwemme das Gesamt-Preisniveau von Volkswirtschaften, wenngleich sektoral nicht gleichmäßig verteilt, in die Höhe treibt.
Die SEE-Lieferungen zu Billigpreisen verhalfen den westlichen Hochtechnologien zu großer Blüte, doch die Chinesen fühlen sich in ihrer Rolle als billiger Jakob - zu Recht oder zu Unrecht - ausgenutzt und bestehen auf Nachholbedarf. Die National Development and Reform Commission, bei der alle Drähte für Gewinnung, Schmelzen und Separierung der SEE zusammenlaufen, rechnete vor, dass die Gesamtkapazitäten des Landes sich maximal auf etwa 190 000 Tonnen pro Jahr belaufen. Die westliche Nachfrage stand auf rund 65% der entsprechenden Tonnagen. Und wegen des immer strengeren Quoten-Managements verringerte sich die Zahl der hier aktiven Händler von ursprünglich über 60 auf derzeit unter 20.
In - noch - normalen Zeiten wie jetzt, kann die Welt nur restriktive Lieferstrategien, die sich an diejenige der OPEC anlehnen, erwarten. Im Falle eines globalen oder auch schon eines lokal begrenzten und China bedrohenden schweren Interessen - Konfliktes würde Peking natürlich keine Sekunde zögern, die Exporte sofort auf Null herunterzufahren.
In diesem Falle würden die westlichen Systeme von Transport, Fertigung, Hochtechnologie und Elektronik hart getroffen und möglicherweise wie vom Wetterstrahl getroffen, mehr oder weniger geräuschvoll kollabieren.