Suche
 
Folgen Sie uns auf:

"Wir sind inmitten einer epochalen tektonischen Verschiebung" (Teil 1)

31.03.2011  |  Redaktion
- Seite 6 -
Lars Schall: Warum war das von essentieller Bedeutung für die USA?

F. William Engdahl: Weil die Machtprojektion der USA seit 1945 in der Welt auf zwei Säulen ruhte. Eine Säule ist, dass die USA die überwältigende militärische Macht auf diesem Planeten haben. Heute geben sie mehr für militärische Ausrüstung, Personal und Machtprojektion aus als die nächsten 42 Länder der Welt, einschließlich Russland, China und ganz Europa zusammen! Die zweite Säule der US-Macht ist die Rolle des Dollars als Leitwährung der Welt. Beide besitzen kombinierte Synergien. Wenn jemand die Macht des "amerikanischen Jahrhunderts", wie Henry Luce, der Eigentümer des Time-Magazins, es im Jahre 1941 nannte, verstehen will, dann müssen sie sich diese Doppel-Säulen ansehen und wie sie beide miteinander interagieren.

Der Ölpreis, der um 400 Prozent in den Jahren 1973/74 sprang, rettete den Dollar. Der Dollar schwebte auf einem Meer von Öl hinauf. Auch hier dürfen wir nicht vergessen, dass Nixon die Verbindung des Dollars zum Gold unilateral im August 1971 brach, und nach dieser Zeit stürzte er um rund 40 Prozent gegen die wichtigsten Handelswährungen wie die D-Mark und dem japanischen Yen ab. Was den Dollar rettete, was die Wall Street und die Macht des Dollars als eine finanzielle Sache, aber nicht die US-Wirtschaft in irgendeiner Weise rettete, war der 400%-ige OPEC-Preisschock. Das hielt das Wachstum in Europa an, zerschlugen die Entwicklungsländer, die eine schnelle Wachstumsdynamik in den frühen 1970er Jahren genossen, und es bekräftigte die Machtverhältnisse wieder in die Richtung der Wall Street und des Dollar-Systems.

Wenn man sich also die ganze daraus ergebene Geschichte der lateinamerikanischen Schuldenkrise der Dritten Welt-Schuldenkrise in den 1970er Jahren bis in die 1980er Jahre hinein, die auch Jugoslawien, Polen und einige andere Ostblock-Länder zerstörte, all dies hatte mit dem Recycling von Petrodollars durch die Eurodollar-Banken, US-Banken in London, britische Banken zu tun. Dies war das Herzstück des sogenannten Eurodollarmarktes damals, die City of London. - wie auch auswählte Banken wie Deutsche Bank, UBS und ein paar japanischen Banken waren als Juniorpartner dabei.

Aber die Hauptsache war: Die angloamerikanische Banken-Elite betrieb das Recycling der Überschuss-Dollars, die Saudi-Arabien, Kuwait, die Emirate und all die anderen OPEC-Länder, darunter Iran bis zum Sturz des Schahs, in Umlauf brachten. Übrigens ließ der Schah die gesamten Ölgewinne der iranischen Ölgesellschaft über eine einzige Bank laufen, und das war die Chase Manhattan Bank von David Rockefeller - interessante Tatsache der Geschichte. Somit war durch das Recycling von Petrodollars der Dollar an den Ölpreis und die Ölkonzerne gebunden, an die Sieben Schwestern, die amerikanischen und britischen Ölkonzerne, die wirklich der Ölpreis steuerten. Sie schoben es auf die arabischen Scheichs, aber die Kontrolle lag in New York und London.

Heute denke ich, werden die USA alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, damit Öl in Dollar notiert bleibt, aber die Rolle des Ölpreises in Dollar ist nicht so stark wie es in der Mitte der 1970er Jahre war, wurde aufgrund der Entstehung dieser Terminmärkte, die durch Banken wie Goldman Sachs kontrolliert werden - dem Aufkommen des sogenannten "Papier-Öls". Mit dieser Kontrolle über Futures wie der ICE Futures in London können sie den Ölpreises hochtreiben, wie sie es 2008 mit einem Preis von 147 USD machten, um ihn dann bis auf die höheren 30er USD abstürzen zu lassen. Aus welchem Grund? Sie klopften den Wind aus den Segeln von Russland zu dem Zeitpunkt, als Putin und Medwedew dabei waren mit Öl- und Gas-Exporten einen wichtigen Gegenpol zur US-Macht in der Welt zu schaffen.


Lars Schall: Ein hoher Ölpreis ist gut für Russland und schlecht für China, ist das die Gleichung?

F. William Engdahl: Im Allgemeinen ja. Das Problem für Russland ist, dass es keine Kontrolle über den Markt hat.


Lars Schall: Das war auch eine sehr wichtige, aber selten erkannte Ursache für ein echtes Großereignis des 20. Jahrhunderts: dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Dieser Zusammenbruch hatte ebenfalls mit dieser Kontrolle über den Ölpreis zu tun, richtig? (xi)

FWE: Es waren mehrere Dinge. Die Neo-Konservativen in den USA kamen erstmals zu politischer Prominenz, als sie die Demokratische Partei verließen - ich rede von Irving Kristol, Richard Perle und anderen. Sie gingen in die Republikanische Partei während der Reagan-Ära. Sie spielten mit der vereinfachenden Sicht Reagans auf die Welt - er war ein B-Movie-Hollywood-Schauspieler und sehr nützlich, um der amerikanischen Öffentlichkeit wohltuende Worte zu sagen, aber hinter den Kulissen der Reagan-Politik wurde diese von George Bush Senior, den Nachrichtendiensten, dem Außenministerium und einer Handvoll dieser Neo-Konservativen bestimmt, und sie waren Falken gegenüber der Sowjetunion. Sie wollten die Sowjetunion in hundert Stücke zerbrechen, was letztlich 1989 geschah.

Ein großer Teil der Strategie der Reagan-Bush-Politik - denn es war Bush, der viel von der Reagan-Präsidentschaft als seine Vize-Präsident ausführte - sowohl in Afghanistan gegen die russische Marionetten-Regierung in Kabul (interessanterweise eine Politik, die tatsächlich schon von Zbigniew Brzezinski initiiert worden war, als er Carters Nationaler Sicherheitsberater war xiii), und die Contra-Operation gegen die gleichzeitig gewählte Regierung in Nicaragua, die nach Washingtons Geschmack zu sehr linksgerichtet war und indirekt durch die Sowjetunion und Kuba unterstützt wurde - all diese Brennpunkte wurden simultan zueinander aktiviert, auch das "Star Wars"-Raketenabwehrsystem-Programm, das Reagan im Jahr 1983 angekündigt hatte, die sogenannten "Strategic Defense Initiative" - oder die Raketenschild, dass erst kürzlich von der Bush-Cheney-Administration gegenüber Russland mit der Raketenbasen und Radar Verteidigungen in Polen und der Tschechischen Republik wiederbelebt wurde.

Das beiseite lassend, der wichtigste Punkt in meiner Einschätzung, der - um es im Jargon zu sagen - in Bezug auf die Sowjetunion dem Kamel den Rücken brach, war die bewusste Entscheidung von George Bush und George Schultz, dem Mann von der Bechtel Corporation, einem der größten militärischen Auftragnehmer der Welt, der damals Außenminister war - sie initiierten mit Druck auf das Königreich Saudi-Arabien bewusst, dass die Saudis Anfang 1986 am Ölhahn drehten und die Welt mit billigem Öl fluteten. Nun, das gelang glänzend aus der Sicht dieser US-Strategie. Es ruiniert Tausende von kleinen, unabhängigen Öl-Unternehmen in den Vereinigten Staaten, aber für Rockefeller, Standard Oil, BP, Shell und so weiter bedeutete es, kleinen Wettbewerb loszuwerden, und es erlaubte ihnen, ihre Öl-Vermögenswerte auf die billige Tour aufzukaufen.

Aber der eigentliche Punkt war: zu diesem Zeitpunkt war die Sowjetische Militär-Wirtschaft abhängig von harten Dollarwährungseinkünften. Und der einzige Weg, den sie hatten, oder für den größten Teil von bis rund 70 Prozent, den sie hatten, um diese harten Dollar zu verdienen, war durch Exporte in die westlichen Märkte von Öl und in geringerem Maße von Erdgas. Also wurde die russische Wirtschaft durch die einstürzenden Ölpreise von den niedrigen 30ern Dollarständen - es waren 32 oder 33 USD, glaube ich, am Anfang - auf 9 Dollar während der Tiefe der Operation Mitte 1986, plötzlich zum Zerreißen gedehnt . Gorbatschow musste an diesem Punkt einfach den letzten Tropfen Blut aus den Satelliten-Volkswirtschaften Ost-Deutschlands, Polens, der Tschecheslowakei und so weiter saugen, um verzweifelt zu versuchen, Schritt zu halten mit dem Wettrüsten beim "Star Wars" mit Washington, denn wenn Washington das Wettrüsten gewonnen hätte, und sei es nur halbwegs gewesen, und Russland lag zurück, hätten sie einfach auf die Knie fallen und aufgeben müssen. Daher war es das, laut russischen Ökonomen mit denen ich nach dem Zusammenbruch im Jahre 1994 in Moskau gesprochen habe, was wirklich die Sowjetunion 1988-1989 brach.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"