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Der Spiegel und die Gerüchte - Euro unter Druck!

09.05.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.4380, nachdem am Freitag im US-Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4308 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.60. In der Folge notiert EUR-JPY bei 115.90, während EUR-CHF bei 1.2590 oszilliert.

Das Hauptthema am Devisenmarkt war die "verantwortliche" Thematisierung des Spiegel-online am Freitag in dünnem Nachmittagsgeschäft, dass ein geheimes Finanzministertreffen am Wochenende stattfinden wird, bei dem der Austritt Griechenlands aus der Eurozone besprochen würde. Der sich dann entfaltende Sturm war äußerst ausgeprägt. Natürlich gibt es Quellenschutz bei der Presse. Das ist auch gut so …

Die Dementis kamen umgehend von Seiten Griechenlands und auch der EU. Das hat nicht geholfen. Der „Sex-Appeal“ dieser Story dominierte und dominiert derzeit weiter.

Andererseits gibt es aber auch Vertreter, die eine andere Position als Griechenland und die EU-Finanzminister einnehmen. Zu diesen Berufenen gehört Herr Sinn, dessen Ifo-Institut grundsätzlich einen guten Ruf genießt.

Herr Sinn vertritt die Ansicht, dass der Austritt für Griechenland das kleinere Übel wäre. Dabei gesteht er zu, dass dieser Schritt dennoch fatal sei. Letzterer Sichtweise stimmen wir zu.

Wenden wir uns zunächst dem Status Griechenlands zu:
  • Griechenlands Staatsverschuldung liegt aktuell bei circa 145% des BIP.

  • Im ersten Quartal 2011 setzt sich die Kontraktion der Wirtschaft fort.

  • Die Haushaltlage stellt sich um circa 1 Mrd. Euro schlechter dar als im 1. Quartal 2010.

  • Die Wirtschaft gewinnt trotz globaler Erholung nicht an Fahrt. Einzelhandelsumsätze sind gegenüber dem Vorjahr um 7% gesunken.

  • Die Gesamtverschuldung Griechenlands liegt bei 340 Mrd. Euro.

Die Lage in Griechenland ist prekär. Sie ist auch deshalb prekär, da die Reformen extrem weit gehen. Das vierte Reformprogramm aus dem Mai 2010, das so vehement von deutscher Seite gefordert wurde, mag des Guten ein wenig viel gewesen sein. Entscheidend ist, dass die Balance zwischen Reformen und Fähigkeit der Wirtschaft, diese auch absorbieren zu können, gewahrt sein muss, um Erfolge der Reformpolitik im tolerierbaren Zeitverlauf zu gewährleisten.

Diesbezüglich ist ein Geheimtreffen der Finanzminister durchaus sinnvoll, um unter Umständen Bedingungen für Griechenland oder auch Irland neu zu formulieren. Das gilt beispielsweise für eine Verlängerung der Laufzeiten und Zinshöhe des 110 Mrd. Euro Hilfspakets für Griechenland.

Das immer wiederkehrende Thema, dass Reformländer aus der Eurozone austreten, ist absurd. Es gibt keinen fiskalischen oder ökonomischen positiven Grenznutzen einer solchen Entscheidung für allen Beteiligten.

Spielen wir das Thema für Griechenland durch:
  • Austritt aus der Eurozone, Wiedereinführung einer Drachme.

  • Abwertung der Drachme im erheblichen Umfang.

  • Die Staatsverschuldung in Höhe von 340 Mrd. Euro wertet in dem Maße auf bezüglich der Wirtschaftskraft wie die Drachme abwertet. Staatsbankrott wäre die direkte Folge.

  • Der Staatsbankrott hätte dauerhafte Kapitalmarktunfähigkeit zur Folge.

  • Mehr noch sind die Unternehmen Griechenlands auf Eurobasis verschuldet. Auch hier würde die Einführung der Drachme bezüglich des Verschuldungsgrads Probleme massiv verschärfen und zu Insolvenzen führen. Die verbesserte Konkurrenzfähigkeit durch Abwertung der Drachme, die sich im Zeitverlauf erst auswirkte, würde dieses Massensterben der Unternehmer nicht aufhalten.

  • In der Folge ergäbe sich für ohnehin angeschlagene griechische Banken (Verschuldung auf Eurobasis, Unternhemensterben, Privatinsolvenzen) eine katastrophale Konstellation, da zusätzlich auch die Hilfsmechanismen der EZB nicht mehr zur Verfügung stünden.

  • Griechenland käme zum absoluten Stillstand!

Dieses Szenario ist den in der Politik verantwortlichen Griechen durchaus bewusst!

Werfen wir einen Blick auf die Eurozone nach einem Austritt der Griechen:
  • Die politische Integrität der Eurozone wäre massiv angeschlagen.

  • Die Spekulation würde sich sofort auf weitere Schuldnerländer ausweiten losgelöst von der sachliche Grundlage. In einem solchen Prozess stünden Länder wie Belgien, Italien oder sogar Frankreich vor nachhaltigen Problemen. Schlussendlich stünde das Projekt Eurozone politisch zur Disposition.

  • Abschreibungen auf die Bankenportfolien aus dieser Konstellation würden die Kreditvergabefähigkeit des europäischen Finanzsektors massiv einschränken und damit den veritablen Aufschwung nicht nur der Eurozone, sondern unter Umständen in der Weltwirtschaft gefährden, da die sinkende Bonität europäischer Banken einen globalen Infizierungsherd darstellen würde.

Schlussendlich würde eine globale Intervention im Rahmen der Finanzkrise auf G-30 Ebene, die per April 2009 ein Volumen in der Spitze von 33,5 Billionen USD oder 60% der Weltwirtschaftsleistung ausmachte und bisher absolut erfolgreich ist, wegen Griechenland mit einer gesamten Staatsverschuldung in Höhe von 340 Mrd. Euro gefährdet. Hier ist kein ansatzweiser Grenznutzen zu erkennen.

Die Stimmen, die hier immer wieder Europa angreifen, spielen mit weit mehr als nur dem Thema Griechenland. Es mangelt einigen Teilnehmern offensichtlich an Abstraktionsfähigkeit.

Das deutsche Ego ist in dieser Debatte sehr ausgeprägt. Herr Schäffler von der FDP ist diesbezüglich besonders laut. Der Tenor lautet "Strafe Muss sein". Wir sollten bezüglich meiner vorhergehenden Einlassungen diskutieren, ob dieser Ansatz nicht zu einer Strafe für uns selbst führt.


Kommen wir zu unserem Setup für Deutschland:

Die globale Konjunkturerholung als Folge der massiven G-30 Intervention hat Deutschland extrem geholfen, da Fiskallagen der Konjunkturlage folgen. Schauen wir auf die Fakten:
  • Die Neuverschuldung 2010 sollte laut Regierung bei 80 Mrd. Euro liegen. Dank des Aufschwungs ergaben sich 44 Mrd. Euro.

  • Dieses Jahr soll die Neuverschuldung bei circa 50 Mrd. Euro liegen. Die aktuelle Steuerschätzung erwartet für 2011/2012 ein erhöhtes Steueraufkommen von 36 Mrd. Euro.

  • Wir gehen sogar noch weiter und unterstellen per 2011 ein Defizit im Bereich zwischen 20 - 25 Mrd. Euro.

Anders ausgedrückt sind wir der größte Nutznießer dieser globalen Intervention. Sollte die Weltwirtschaft nachhaltig beeinträchtigt werden, zahlen wir in Deutschland die Zeche! Ein Fall der Eurozone bringt für Deutschland Budgetrisiken die mehrere 100 Mrd. Euro ausmachen.

Was kann uns fiskalisch bei Griechenland treffen?

Unser Anteil am 110 Mrd. Paket liegt bei circa 25 Mrd. Euro. Stellen wir uns als „Worst Case“ Szenario vor, dass es im Rahmen des Programms zu einem Schuldenschnitt um 50% kommt. Dann kostet uns dieses Szenario 12,5 Mrd. Euro.

Bei einer Gesamtbetrachtung kann man nur als ökonomischer Masochist die aktuelle Position vertreten, dass Reformländer die Eurozone verlassen sollten.

Was wäre aus europäischer Sichtweise sinnvoll?
  • Die Eurozone wächst in der Gesamtbetrachtung.

  • Die Eurozone hat im Zuge der Finanzkrise in der Gesamtheit im G-3 Vergleich mit den geringsten Neuverschuldungen aufgetrumpft und belegt damit die Qualität dieses Wirtschaftsraumes.

  • Die Leistungsbilanzen sind weitgehend ausgeglichen.

  • Das Niveau der Staatsverschuldung von 85% ist hoch aber nicht ansatzweise prekär.

  • Um diese Erfolgsstory im G-3 Vergleich aufrecht zu erhalten, ist die sinnvollste Option darin zu sehen, gemeinsame Eurobonds aufzulegen, um den Reformländern Ruhe und Zeit zu geben und politische Verunsicherung zu minimieren, die sich ökonomisch kontraproduktiv auswirkt.

    Für Deutschland ist die damit einhergehende Erhöhung der Rekapitalisierungskosten (circa 0,2%) im Vergleich zu den Risiken aus einem Scheitern der Eurozone unter Grenznutzenbetrachtung irrelevant.

    Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert.

    Viel Erfolg!


    © Folker Hellmeyer
    Chefanalyst der Bremer Landesbank





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