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Deutsches Kabinett liefert - Sind die Wirtschaftsdaten wirklich so übel?

01.09.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.45 Uhr) bei 1.4365, nachdem gestern im asiatischen Geschäft Höchstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4355 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.80 der Folge notiert EUR-JPY bei 110.35, während EUR-CHF bei 1.1560 oszilliert.

Das bundesdeutsche Kabinett billigte gestern den größeren Euro-Rettungsschirm. Die Bundesregierung soll künftigen Hilfsaktionen nur noch zustimmen dürfen, wenn der Bundestag diese Maßnahmen genehmigt.

Erstens ist es gut, dass das Kabinett gestern lieferte. Es ist auch richtig und gut, dass das Parlament bei wesentlichen Entscheidungen nicht degradiert wird.

Finanzminister Schäuble hat andererseits nicht unrecht, wenn er sagt, dass die Prozesse so aufgestellt sein müssen, dass eine zügige politische Handlungsfähigkeit gewährleistet ist. Die Spekulationswellen gegen die Eurozone nehmen keine Rücksicht auf politisch sauber definierte Prozesse (im Gegensatz zu den USA, siehe Hilfsprogramme für Bankenaristokratie).

Die Art der Spekulation gegen die Eurozone in den vergangenen 20 Monaten impliziert sogar, dass gerade die schwerfälligen Prozesse in der Eurozone die Spekulation gegen die Eurozone für unsere „Freunde“ in London und NY attraktiv machten.

Regierung und Parlament sind gefordert, eine sinnvolle Regelung auf die Beine zu stellen. Wir sind zuversichtlich, dass der Verlauf der letzten 20 Monate zu genau so einem Kompromiss förmlich zwingt!

Bei der Berücksichtigung der schwächeren Daten, die uns derzeit aus großen Teilen der Weltwirtschaft geliefert werden, ist zu berücksichtigen, dass das Thema der systemischen Risiken in den letzten 5-6 Monaten eine schwere Hypothek für die Planungsprozesse in der Realwirtschaft waren. Daraus resultierte eine deutliche Reduktion der Konjunkturdynamik. Dieser Verlust an Dynamik hat jedoch nichts mit einer Sättigung der Konjunkturzyklen zu tun. Hier ergibt sich ein markanter Unterschied zu der Situation im Jahr 2008. Entsprechend ist die Fallhöhe der Weltwirtschaft nicht ausgeprägt, sofern systemische Risiken vermieden werden.

Mehr noch lässt sich konstatieren, dass für den Fall einer nachhaltigen Bereinigung der Sorgen um die Integrität der Eurozone, voraussichtlich verstärktes Wachstum auf die Agenda kommt, da sich Aufholeffekte aus der Phase März bis August 2011 im Bereich Lager- und Investitionsgüterzyklus ergeben können. Auch der private Konsum kann unter den Umständen zu einem verstärkten Treiber werden.

Wir sollten in der Konjunkturdebatte nicht ausblenden, dass Fiskallagen der Konjunkturlage folgen. Deutschland ist hier besonders begünstigt durch die Konjunkturentwicklung im 1. Quartal 2011 und ebenso durch den Verfall der Kapitalmarktrenditen bedingt durch die Spekulation gegen europäische Defizitländer.

Wir können hier von einem fiskalischen Geschenk Griechenlands & Co. an Deutschland sprechen. Wir sollten uns dafür dankbar zeigen, oder?

Als Folge stellt sich eine von der Regierung nicht erwartete Stabilisierung der Defizitsituation ein. Die deutsche Defizitquote stellte sich im ersten Halbjahr 2011 auf 0,6% des BIP. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres belief sich die Defizitquote auf 3,1% des BIP. Wer mit dem globalen Konjunkturaufschwung aus kurzfristigen (innen)politischen Motiven spielt, spielt auch mit der Haushaltsgesundung. "Food for thought!"

Wenden wir uns den Wirtschaftsdaten zu, die zuletzt eine gar nicht so üble Tendenz lieferten.
  • Die deutschen Einzelhandelsumsätze waren im Juli im Monatsvergleich unverändert. Analysten hatten einen Rückgang um -1,6% im Monatsvergleich erwartet. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um -1,6% nach zuvor -2,1%.

  • Saisonal bereinigt ergab sich am deutschen Arbeitsmarkt ein Rückgang um 8.000 Arbeitslose per August. Die Quote verharrte bei 7,0%.

  • Die Schätzung der Verbraucherpreise der Eurozone stellte sich per August im Monatsvergleich unverändert auf 2,5%.

  • Die Arbeitslosenrate der Eurozone legte per Juli von zuvor 9,9% auf 10,0% zu. Die Prognose lag bei 9,9%.

  • Der US-Challenger Report (Auskunft über angekündigte Massenentlassungen) per August wies 51.100 betroffene Arbeitsplätze nach zuvor 66.400 aus.

  • Laut dem US "ADP Employment Report" wurden in der privaten Wirtschaft 91.000 neue Jobs geschaffen. Die Prognose lag bei 100.000 Arbeitsplätzen.

  • Der Einkaufsmanagerindex aus Chicago per August sank von zuvor 58,8 auf 56,5 Punkte. Die Prognose lag bei 53,5 Zählern.

  • Der Auftragseingang der US-Industrie setzte per Juli deutlich positive Akzente mit einer Zunahme um 2,4% (Prognose 1,9%) im Monatsvergleich. Zudem wurde der Vormonatswert von -0,8% auf -0,4% revidiert.

Zusammenfassend darf man sagen, dass bezüglich der Belastungen durch die Politik in den vergangenen Monaten die Wirtschaft gar nicht so übel ausschaut.

Einer der wesentlichsten "politischen Bälle" liegt in Berlin bezüglich der weiteren Entwicklungen. Dabei geht es darum ob fiskalische Gesundung im Rahmen von Reformen und globalem Wachstum weiter ermöglicht wird oder die Erfolge der Stabilisierung seit 2008/2009, die auf G-30 Basis homogen und überdimensioniert aufgesetzt wurde, sportlich zur Disposition gestellt werden.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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