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Krisenpotpourri bleibt intakt - positive Aspekte gibt es aber auch ….

02.09.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen (07.35 Uhr) bei 1.4260, nachdem gestern im europäischen Geschäft Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.4227 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.85 der Folge notiert EUR-JPY bei 109.60, während EUR-CHF bei 1.1295 oszilliert.

Die letzten 24 Handelsstunden haben uns verstärkte Risikoaversion gebracht. Eine leichte Flucht in deutsche Bundesanleihen und schwächere Aktienmärkte belegen das anschaulich. Gold kann dann natürlich auch nicht schwächer sein und selbstverständlich steht dann der Euro unter Druck, weil reflexartig der Euro gegenüber JPY und dem CHF abverkauft wird.

Fraglos gibt es Gründe für diese Entwicklung. Italien steht im Fokus der Märkte ob der notwendigen Reformpolitik. So ermahnte EZB-Präsident Trichet Italien aus guten Gründen, Strukturreformen anzugehen und die Zusagen umzusetzen.

Die letzten Nachrichten aus Rom lieferten eine Verwässerung der zunächst angekündigten Maßnahmen (nicht der Höhe des angestrebten Volumens der Defizitreduktion). Beispielsweise soll die geplante Reichensteuer nun doch nicht kommen. Das ist irritierend.

Der Reformmarkt der Eurozone ist kein arabischer Basar für levantinische Selbstbedienungsmentalität. Das sollte nach 24 Monaten Defizitkrise der Eurozone hinlänglich in Rom bekannt sein.

Herr Berlusconi hat fraglos seine Eigenheiten, Eitelkeiten und viel Libido. In seiner Position ist das nicht unbedingt hilfreich. Noch weniger waren es telefonische Einlassungen, die gestern über die Agentur ANSA publik wurden. Laut der Nachrichtenagentur ANSA hat er Italien in einem abgehörten Telefonat am 13. Juli als „Scheißland, in dem ihm bald das Kotzen packt“, bezeichnet. Solche Äußerungen belegen, dass diesem Protagonisten die elementaren Grundlagen für diese Position zumindest abhanden gekommen sind. Mehr gibt es an dieser Stelle nicht zu sagen.

Aus Griechenland erreichen uns wenig erbauliche Nachrichten. Die Tatsache, dass Griechenland seit März 2010 alle drei Monate an den Finanzmärkten durch den Wolf gedreht wird, verhindert Kapitalzuflüsse und lässt die Investitionsbereitschaft aus der Binnenwirtschaft als auch aus dem Ausland nahe dem Nullpunkt oszillieren. Mehr noch werden dadurch Kapitalabflüsse forciert. Wenn das eine professionelle Abschirmung sein soll, möchten wir nicht in den Abgrund amateurhafter Abschirmungen schauen.

Die Strukturreformen werden unverändert nicht goutiert. Sie finden in den Köpfen meiner Kollegen, aber auch in den Köpfen der Realwirtschaft nicht statt, obwohl sie nachhaltig gegeben sind. Ich verweise auf den Fortschrittsbericht der EU per Juni 2011. Als Konsequenz ergibt sich konjunkturell ein Drama. Die Wirtschaft Griechenlands ist von extremer Schwäche geprägt. Eine Kontraktion der Wirtschaftsleistung um 6,9% im Jahresvergleich steht auf der Agenda.

Trotz dieser massiven Kontraktion kommt es zu einer Reduktion der Neuverschuldung von mehr als 10% des BIP. Das Ziel von 7,6% wird jedoch voraussichtlich verfehlt. Aktuell werden von anonymer Seite Werte zwischen 8,2% bis 8,6% gehandelt.

Die Verfehlungen sind fraglos schmerzhaft. Eine Reduktion der NVS bei einem derartigen depressiven Wirtschaftsverlauf belegt jedoch andererseits, dass die Strukturreformen greifen. Das wird in der Diskontierung der griechischen Situation vollkommen ausgeblendet. Dieses Reformprogramm Griechenlands auf der administrativen Ebene, auf der Ebene der Wirtschaftsstruktur und der Fiskalpolitik verdient Vertrauen und vor allen Dingen eine wirklich professionelle Abschirmung.

EZB-Präsident Trichet sagte, dass der Währungsraum als Ganzes besser dastehe als andere Volkswirtschaften, Wir freuen uns sehr, dass damit eine Position, die wir hier immer wieder in den Fokus rücken, von prominenter Seite aufgenommen wird. Die Eurozone ist das Paradepferd der Stabilität und der Reformpolitik im Vergleich zu Japan , USA und UK. Paradepferde schlachtet man nicht!

Die US-Regierung hat die Wachstumsprognose per 2011 drastisch von 2,6% auf 1,7% gesenkt. Hintergrund der Herabstufung seien die Finanzmarktturbulenzen als auch die Herabstufung durch S&P. Wir nehmen diese Einlassung zur Kenntnis. Das Weiße Haus hat leider nicht auf die strukturellen Fehlentwicklungen der Ökonomie abgehoben, die ursächlich für das US-Konjunkturproblem sind.

Nach Ansicht der chinesischen Zentralbank nehmen die Risiken für die Weltwirtschaft zu. Das verlangsamte Wachstum und der steigende Inflationsdruck in den Schwellen- und Industriestaaten seien eine Belastung. Die langfristige fiskalische Stabilität der USA sei gefährdet. Die europäische Schuldenkrise verfestige sich und das Staatsdefizit Japans würde wachsen. Die Schuldenkrisen der Staaten seien zu einer großen Herausforderung geworden, die die weltweite wirtschaftliche Erholung beeinträchtige.

Dem ist zuzustimmen - Solidarität in der Eurozone ist vor diesem Hintergrund zwingende Voraussetzung, diese Risiken zu minimieren, denn die Eurozone ist sachlich gesehen das Paradepferd.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass der Politik der Eurozone in der Frage, ob es zu einer Fortsetzung der weltweiten Erholung mit fiskalischer Gesundung kommt (siehe deutsches Defizit bei 0,6% des BIP), eine Schlüsselrolle zufällt. Dabei gilt der Ausspruch: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!" Es ist schon recht spät …

Die Wirtschaftsdaten lieferten gestern ein ambivalentes Bild. Die Daten der Eurozone enttäuschten, die Daten der USA lieferten tendenziell positive Akzente.
  • Der Einkaufsmanagerindex für das produzierende Gewerbe sank in der Eurozone von zuvor 49,7 (1.Schätzung und Prognose) auf 49,0 Punkte und bewegt sich damit deutlich unterhalb der kritischen Marke von 50 Zählern.

  • Die US-Arbeitslosenerstanträge sanken von zuvor 421.000 (revidiert von 417.000) auf 409.000 (Prognose 410.000).

  • Die US-Bauausgaben enttäuschten mit einem Rückgang im Monatsvergleich um -1,3%. Die Prognose lag bei +0,2%.

  • Der viel beachtete "ISM-Manufacturing Index" per August überraschte positiv. Er sank lediglich von 50,9 auf 50,6 Punkte. Die Prognose war bei 48,5 Zählern angesiedelt.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Ein Unterschreiten der Tiefstkurse 1.3835 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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